Sieben Pflichtspiele ohne Sieg, zu 99 Prozent der K.o. in der Champions League und nur Platz drei in der Liga: Nach den peinlichen Auftritten gegen Nikosia und der Heimpleite gegen den FC Bayern ist der BVB am vorläufigen Tiefpunkt angelangt. Im Mittelpunkt der Kritik stehen Peter Bosz und sein System, das er stur durchzieht.
Die vergangenen Wochen haben Spuren hinterlassen. Zwei blamable Auftritte in der Champions League gegen Fussballzwerg APOEL Nikosia, der Absturz in der Bundesliga auf Rang drei. Aus fünf Punkten Vorsprung auf die Bayern sind sechs Punkte Rückstand geworden.
Der BVB steckt in der Krise. Und der Mann, der sie lösen soll, liefert bislang kaum Lösungsansätze.
"Wir haben noch sechs, sieben Monate bis zum Saisonende. Wir werden es schaffen, alles wieder zum Guten zu wenden", versicherte
Streitpunkt System
Im Mittelpunkt der Kritik am 53-Jährigen steht die Art und Weise, wie er Fussball spielen lässt. Extrem offensiv, risikoreich und laufintensiv. Eine hoch aufgerückte Abwehrreihe, die nach jedem Ballverlust weit entfernt vom eigenen Tor versuchen soll, Druck auf den Ball auszuüben, ihn möglichst schnell zurückzuerobern.
Bei perfekter Ausführung entstehen torreiche, spektakuläre Spiele wie zu Beginn der Saison (5:0 gegen Köln, 6:1 gegen Mönchengladbach). Gelingt das nicht, sind Gegentore vorprogrammiert.
Damit das System Bosz erfolgreich ist, müssen Spieler die Idee des Trainers verstehen und qualitativ in der Lage sein, diese verlässlich umzusetzen. In den vergangenen Wochen gelang das nicht - insbesondere in Spielen gegen absolute Top-Mannschaften.
Fehlende taktische Flexibilität
Gegen Real Madrid, RB Leipzig oder den FC Bayern liess Bosz ebenso offensiv agieren wie gegen schwächere Gegner in der Bundesliga. Ein Himmelfahrtskommando.
Weltklassespieler wie Cristiano Ronaldo, Gareth Bale oder Arjen Robben sind gnadenlos, bestrafen Abwehrfehler meist sofort. Was gegen Köln, Hamburg oder Freiburg gut geht, muss in London oder gegen Madrid noch lange nicht klappen.
Bosz muss sich angesichts seiner stur gefahrenen Linie den Vorwurf der fehlenden taktischen Flexibilität gefallen lassen. Ex-Nationalmannschaftskapitän
Das bedeutet nicht, dass der BVB-Coach zwangsläufig von seiner Spielweise abweichen muss, allerdings sollte er gegen europäische Top-Teams zurückhaltender, defensiver spielen lassen. Bosz jedoch sieht dafür noch immer keinen Anlass. Ein Spiel mit dem Feuer.
"Wenn man gut verteidigt, ist das System kein Problem", sagte der Coach nach dem Match gegen die Bayern und hat damit nur auf den ersten Blick recht, denn: Der BVB verteidigte eben nicht gut. Doch wer hat Schuld daran?
Zu früh geträumt
Ex-BVB-Trainer und Bayern-Sportdirektor
Es gehe immer um "zwei, drei Prozentpunkte auf diesem Niveau, die manchmal fehlen", sagt Sammer, der vermutet, dass die BVB-Spieler angesichts des guten Saisonstarts zu früh "angefangen haben, zu träumen".
Reicht die Qualität der Spieler?
Neben der charakterlichen Komponente stellt sich auch die Frage nach der sportlichen Qualität des Spielermaterials. Wenn Spieler und System nicht zueinander passen, muss der Trainer einlenken und gegebenenfalls von seiner Idee abweichen.
Anzeichen dafür, dass dies der Fall ist, gab es in den vorherigen Spielen. Die Innenverteidiger Ömer Toprak, Sokratis und Dan-Axel Zagadou haben Defizite in Sachen Geschwindigkeit. Ein Problem, wenn man durch extremes Aufrücken oft in Sprintduelle mit pfeilschnellen Angreifern des Gegners muss.
"In der Defensive hakt es. Das hat für mich kein Champions-League-Niveau", kritisiert auch Ballack im "Doppelpass" und führt aus: "Sie müssen wieder mehr Wert auf die Defensive legen. Wenn dann die Resultate kommen, wird Bosz die spielerischen Aspekte wieder herauskitzeln."
Der Wind wird rauer
Nach der Länderspielpause geht es in die entscheidenden Wochen des Jahres. In der Champions League entscheidet sich das weitere Überleben im internationalen Wettbewerb. Die K.-o.-Runde der Königsklasse ist kaum noch möglich, Platz drei in der Gruppe würde aber für den Abstieg in die Europa League reichen.
In der Liga wartet erst der heimstarke VfB Stuttgart, bevor dann im Revierderby, dem wichtigsten Heimspiel des Jahres, der FC Schalke 04 zu Gast in Dortmund ist. Ein besonderes Spiel, in dem Bosz spätestens beweisen muss, dass er in der Lage ist, das Ruder herumzureissen.
Bei einer Niederlage gegen den Erzrivalen droht die Stimmung in Dortmund endgültig zu kippen. Noch stehen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc sowie die Fans hinter ihrem Trainer. Ob das nach einer Derbypleite gegen Schalke immer noch der Fall wäre, ist fraglich.
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