- Der erste heftige Rückschlag für den BVB gegen Werder muss die grundsätzliche Ausrichtung nicht in Frage stellen.
- Sehr wohl offenbart er aber die Probleme der Mannschaft im eigenen Ballbesitz.
Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob man als Referenz ständig den FC Bayern München bemühen muss - die beste Mannschaft des Landes, Seriensieger in der Bundesliga, anderen Klubs längst entrückt. Aber wenn Borussia Dortmund irgendwann mal wieder Deutscher Meister werden möchte, dann sind die Bayern nun einmal der Massstab.
Und die, das zeigt die Statistik, lassen in den vermeintlich "kleinen" Spielen gegen vermeintlich unterlegene Gegner in der letzten Dekade kaum noch etwas anbrennen. Nimmt man nur die Spiele gegen die jeweiligen Aufsteiger seit der Saison 2012/13 - also der Spielzeit, mit der die Münchener ihre überwältigende Dominanz in der Bundesliga starteten - dann stehen bei den Bayern in 44 Spielen 39 Siege zu Buche.
Bei Borussia Dortmund sind es seit Samstagabend 27 Siege aus 45 Spielen, die Niederlage gegen Werder Bremen war die zehnte in zehn Jahren gegen einen Aufsteiger. Das Spiel gegen Bremen darf nun je nach Lesart als ein Wachrüttler zur rechten Zeit empfunden werden - oder aber als Bestätigung für diejenigen, die trotz der sechs Punkte aus den ersten beiden Spielen immer noch erhebliche Bedenken hegen bezüglich der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des "neuen" BVB.
Historische Niederlage für den BVB
Ganz sicher hatte sich Historisches zugetragen im Westfalenstadion: Noch nie in der Geschichte der Bundesliga hat eine Mannschaft ein Spiel noch verloren, die bis zur 89. Minute noch mit zwei Toren Vorsprung geführt hatte.
Und: Dortmund ist nun das erste Team in den vergangenen 13 Spielzeiten der Top-Ligen Europas, das nach einer Führung mit mehr als einem Tor nach der 89. Minute noch verlor. In 8.529 Partien zuvor war dies nie passiert, 8.511 Mal setzte es für die zurückliegende Mannschaft eine Niederlage, 18 Mal spielte sie remis. Werder ist die erste Mannschaft, der nun ein Sieg gelang.
Die Bremer waren gewiss ein lästiger Gegner, der den BVB mit seinem sehr forschen und hohen Pressing überraschen und in der Offensive deutlich mehr Akzente setzen konnte als der turmhohe Favorit in einem Heimspiel gegen einen Aufsteiger.
Aber Dortmund führte bis in die Nachspielzeit trotzdem und hätte auch diese dann etwas knappere Führung problemlos über die Zeit spielen können. So, wie es zum Beispiel Union Berlin gegen Leipzig gelang: mit viel eigenem Ballbesitz in der Nachspielzeit. Aber da liegt dann auch schon eines der grössten Dortmunder Probleme in dieser noch jungen Saison. Bei nur 75 Prozent, 83 Prozent und nun 78 Prozent lag die Passquote der Mannschaft gegen Leverkusen, Freiburg und Werder.
Keine Spielkontrolle, kaum Torchancen
Der BVB hat es in keinem dieser Spiele geschafft, eine Partie auch mal zu beruhigen, den Gegner ins Laufen und dann in dessen Verteidigungsdrittel sogar ins Springen zu bringen, sprich: in Unordnung. So sichtbar die Ansätze auch schon im Gegenpressing und Pressing sind und auch schon greifen: Das Spiel mit dem Ball ist sehr weit von dem entfernt, was sich der BVB wünscht - und was nötig ist, um als Spitzenmannschaft zu gelten.
"Bremen war über 90 Minuten besser in der Spielanlage. Das muss uns zu denken geben, dass wir spielerisch keine Möglichkeiten gefunden haben, eine Dominanz aufs Spielfeld zu bringen", schimpfte Dortmunds Kapitän Marco Reus. "Wir haben die Bälle zu leichtfertig hergegeben, wir rennen nur hinterher und haben den Ball keine 20 Sekunden in unseren Reihen."
Auch deshalb brachte Dortmund erst 34 Torschüsse in drei Spielen zustande, nur die Abstiegskandidaten Schalke, Werder, Augsburg und auch Eintracht Frankfurt haben weniger. Die Qualität der Abschlüsse lässt dann auch zu wünschen übrig: Der BVB erspielt sich kaum hochkarätige Torchancen, die Treffer bisher resultierten aus einem Umschaltmoment, einem krassen Torwartfehler, einem Solo und zwei weiteren haltbaren Fernschüssen.
Auf Edin Terzic wartet noch jede Menge Arbeit. Anders als in seiner ersten Amtszeit als Interimscoach, scheint die Basis nicht so gefestigt. Damals folgte Terzic auf Lucien Favre, der die Mannschaft am Ende zwar nicht mehr erreichte, der aber als Fussballlehrer überragend war und dem Team gerade im Offensivspiel klare Muster verordnete und für die viel zitierte Handschrift stand. Davon ist die Borussia aktuell noch ein gutes Stück entfernt.
Verwendete Quellen:
- Kicker.de: Reus kritisiert: "Wir haben den Ball keine 20 Sekunden in unseren Reihen"
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.