Borussia Dortmund blamierte sich mit 2:4 beim Bundesliga-Aufsteiger Holstein Kiel. Sport Geschäftsführer Lars Ricken sprach seinen hoch bezahlten Profis die Leistungsbereitschaft ab. Trainer Nuri Sahin hingegen steht nicht zur Diskussion – noch nicht.

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Nuri Sahin fasste sich kurz. Was der Trainer des BVB gesehen hatte, war "eine absolut beschämende Leistung von uns – von der ersten bis zur letzten Minute. Eine Nichtleistung, die einem Verein wie uns nicht gerecht wurde." Das 2:4 bei Holstein Kiel am Dienstagabend war für Borussia Dortmund die zweite Niederlage in Folge – und der absolute Tiefpunkt.

Drei Gegentreffer kassierte der BVB noch vor der Pause. "Die erste Halbzeit war unwürdig bis peinlich", sagte Vereinsboss Lars Ricken auf Nachfrage unserer Redaktion. "Profifussball ist Leistungssport, wo es darum geht, über 90 Minuten Leistung abzurufen und Ergebnisse einzufahren." Genau dies hätte seine Mannschaft nicht getan.

Ricken nahm die Profis in die Verantwortung. "Wir haben in der Mannschaft Spieler mit riesigen Qualitäten." Und der Verein gebe den Akteuren "alle Möglichkeiten, um die Leistung abzurufen. Wir haben ein grosses Trainerteam, wir haben Top-Rahmenbedingungen, über 80.000 Zuschauer bei uns im Stadion, auch hier am Dienstagabend um 18:30 Uhr ist unser Block voll. Mir fehlt gerade die Bereitschaft, das auch wertzuschätzen und abzurufen."

Erfahrene Rückkehrer sorgten für noch mehr Unsicherheit

Vor dem Spiel gab es Grund zur Hoffnung, denn die Grippewelle innerhalb der Mannschaft flachte ab. Sahin konnte die Abwehrkette, die beim 2:3 gegen Bayer Leverkusen noch die Startelf-Debütanten Yannik Lührs und Almugera Kabar beinhaltete, mit erfahrenen Rückkehrern bereichern.

Die deutschen Nationalspieler Emre Can und Nico Schlotterbeck bildeten die Innenverteidigung, der algerische Nationalspieler Ramy Bensebaini spielte hinten links. Ausgerechnet in dieser Konstellation war die Fehlerhaftigkeit gross.

Das 0:1 durch Shuto Machino (27.) war auf einen Ballverlust von Julian Brandt zurückzuführen. Beim 0:2 durch Phil Harres (32.) war die komplette Abwehr löchrig. Besonders Can gab ein schlechtes Bild ab, weil er dem Torschützen zu viel Platz liess. Beim 0:3 von Alexander Bernhardsson (45.+4) liess sich der BVB auch noch auskontern.

Dortmund konnte froh sein, nicht mehr Gegentore in der ersten Halbzeit kassiert zu haben. Mit ihren vielen Ballverlusten – unter anderem auch durch Schlotterbeck nach 15 Minuten – luden sie den Gegner zum Toreschiessen ein. "Es ist nicht so, dass wir hergespielt wurden. Wir haben Geschenke gemacht. Und genau das darfst du gegen einen tiefstehenden Gegner nicht machen", kritisierte Sahin.

BVB bestätigt: Malen wechselt zu Aston Villa

Borussia Dortmund gibt Offensivspieler Donyell Malen nach dreieinhalb Jahren an den englischen Premier-League-Klub Aston Villa ab. Den Wechsel gab der BVB unmittelbar vor Anpfiff des Bundesligaspiels bei Holstein Kiel am Dienstag bekannt. Der Bundesligist kassiert für den Niederländer angeblich eine stattliche Summe - und will noch reagieren.

Einfallslosigkeit pur: viel Ballbesitz, wenig Chancen

Und offensiv? Dortmund hatte zwar 75 Prozent Ballbesitz, konnte daraus aber zu wenig Chancen kreieren. Dieses Phänomen ist keineswegs neu: Bei der Niederlage gegen Leverkusen kam die Mannschaft auf 70 Prozent Ballbesitz und verlor ebenfalls.

"Ich habe mich noch nie über Ballbesitz definiert", sagte Sahin. "Wir wollen Kontrolle im Spiel haben, das ist klar. Aber wir wollen vor allem in den Sechzehner. Für uns ist wichtig, wie viele Chancen wir kreieren und wie viele tiefe Läufe wir gegen einen tiefstehenden Gegner haben. Aber ich habe kaum tiefe Läufe gesehen."

Dortmund hatte lediglich eine kurze gute Phase, als der eingewechselte Giovanni Reyna den Anschlusstreffer (71.) zum 1:3 erzielte. Sechs Minuten später gelang Jamie Gittens das 2:3. Danach allerdings flachten die Offensivbemühungen wieder ab. Die Star-Truppe von Dortmund war vor allem eines: einfallslos!

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Sahin erklärte das Problem: "Wenn der Gegner gestaffelt im 5-3-2 steht und du jeden Ball ins Zentrum schlägst, dann ist das ein gefundenes Fressen für den Gegner. Wir hatten kaum Torchancen. Ich kann mich an keine gute erinnern - bis auf die zwei Tore, aber auch das waren keine riesigen Chancen."

Auch wenn wir heute mit elf kranken Spielern spielen würden, können wir so eine Leistung nicht bringen.

BVB-Trainer Nuri Sahin nach der Niederlage gegen Kiel

Ein mögliches Alibi für den BVB lieferte ausgerechnet der Kieler Fiete Arp, der in der Nachspielzeit mit seinem Treffer für den Endstand von 4:2 sorgte. "Ich glaube, wenn man Dortmund schlagen kann, dann ist jetzt vielleicht die Woche gewesen, in der das möglich ist - bei allem, was da jetzt los ist, mit den Krankheiten und den Verletzungen", sagte er.

Genau dies wollte Sahin allerdings nicht als Ausrede gelten lassen: "Auch wenn wir heute mit elf kranken Spielern spielen würden, können wir so eine Leistung nicht bringen", stellte der Trainer klar und übernahm dennoch "die volle Verantwortung für diese Leistung".

Vereinsführung steht hinter Trainer Sahin

Noch sitzt Nuri Sahin fest im Sattel - zumindest laut offizieller Aussagen. © IMAGO/Susanne Hübner

Konsequenzen muss der Trainer (noch) nicht fürchten. Ricken stellte sich direkt nach dem Spiel hinter Sahin: "Der Trainer hat die Mannschaft im Vorhinein taktisch, emotional hervorragend eingestellt und dementsprechend werden wir keine Trainerdiskussionen führen."

Sportdirektor Sebastian Kehl steht ebenfalls zu Sahin: "Ich habe den Trainer in den letzten Tagen eng begleitet, ich habe auch die Sitzungen eng begleitet. Wir haben viel gesprochen." Der Trainer hätte selbst vor diesem Spiel die richtigen Worte gefunden. "Schauen sie sich die drei Tore an. Das hat nichts mit der emotionalen Ansprache des Trainers zu tun", stellte Kehl gegenüber Journalisten klar.

Und doch bleibt die Frage, wie lange das Treuebekenntnis noch gelten wird, sollte sich die Misere fortsetzen. Am Freitag steht das Auswärtsspiel beim Tabellendritten Eintracht Frankfurt an, die sich am Dienstag mit 4:1 gegen den SC Freiburg warmgeschossen haben.

Auswärtsspiele sind ohnehin die grosse Schwachstelle des BVB. In der Bundesliga gewannen sie als Gast nur eines der bisherigen acht Partien (Platz 13 in der Bundesliga).

Champions League momentan kein Thema

Eigentlich war die Qualifikation für die Champions League das Ziel des BVB. In der aktuellen Verfassung allerdings erscheint selbst die Qualifikation für die Europa League unwahrscheinlich.

"Wir müssten ein top halbes Jahr spielen, um in die Champions-League-Ränge zu kommen. Darüber brauchen wir gerade nicht zu reden. Prinzipiell über den europäischen Wettbewerb reden wir gerade nicht", so Ricken.

Dortmund steht auf Tabellenplatz 9 und könnte am Mittwochabend auf Rang 10 abrutschen. Die bittere Erkenntnis von Ricken: "Auf dem Platz, auf dem wir gerade stehen, da stehen wir verdient."

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz und Mixed Zone nach Holstein KielBorussia Dortmund
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