Borussia Dortmund hat seine Reise durch die Staaten beendet. BVB-Marketingchef Carsten Cramer zieht ein positives Fazit, rügt aber auch die Konkurrenz. Ein Ausweg aus dem ewigen Dilemma ist nicht in Sicht.
Im Jahr 2005 wurde Christian Seifert neuer Chef der damals noch jungen Deutschen Fussball-Liga DFL. Seifert war 36 Jahre jung und allein aufgrund seines Alters so etwas wie das Gegenstück zu seinem Vorgänger Wilfried Straub, Jahrgang 1939. Das Internet war für viele noch Neuland und mit dem Begriff der "Internationalisierung" konnten selbst im globalen Fussballgeschäft nur wenige etwas anfangen. Auch die DFL nicht, die den Trend der Auslandsvermarktung einfach verschlafen hatte.
Während europäische Schwergewichte wie Manchester United, Real Madrid, der FC Barcelona und Milan bereits Ende der 90er Jahre durch die Welt zogen, um die Fans in den entlegensten Winkeln der Erde zu missionieren, spielten deutsche Profi-Klubs zur Fan-Bindung noch vor der Haustür gegen unterklassige Gegner oder eine beliebige Kreisauswahl.
Die Erlöse aus der Auslandsvermarktung, die quasi nicht existent war, lagen damals bei zwölf Millionen Euro. Nicht für einen Klub, sondern die gesamte DFL als Dachverband der 36 deutschen Profi-Klubs. Es musste also zwingend etwas passieren, um nicht auch auf diesem Feld den Anschluss komplett zu verpassen.
Also zogen Klubs wie der VfL Bochum oder Energie Cottbus in die Welt hinaus, nach Japan und China, um sich selbst und die Bundesliga ein wenig bekannter zu machen. Mit allerdings eher mässigem Erfolg.
Dortmund als zweites Zugpferd
Der asiatische Markt war schon in den Nullerjahren von den englischen Gross-Klubs und ein paar Vereinen aus Italien und Spanien quasi abgegrast. Selbst für die Grössen der Bundesliga blieben da nicht mehr als ein paar Krümel übrig. Bis sich der FC Bayern und Borussia Dortmund vor zehn Jahren ins Finale der Champions League spielten und den wichtigsten Vereinswettbewerb der Welt zu einer deutschen Angelegenheit machten.
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Die Bayern hatten schon davor Pläne für einen neu zu schaffenden Vorstandsposten in der Schublade, wenige Wochen nach dem Finale von Wembley heuerte der ehemalige "bwin"-Chef Jörg Wacker als "Vorstand Internationalisierung und Strategie" an. Die Bayern eröffneten schnell danach Tochtergesellschaften in den USA und in China, sowie eigene Büros in New York und Shanghai.
Ganz so schnell war Borussia Dortmund zwar nicht in der Umsetzung seiner globalen Ziele - als zweites grosses Zugpferd der Bundesliga auf der internationalen Bühne hat sich der BVB aber unter der Anleitung von Carsten Cramer längst etabliert.
BVB und Bayern sehr aktiv
Cramer ist bei der Borussia unter anderem verantwortlich für die Bereiche Merchandising, Digitalisierung und Internationalisierung. Wozu auch die eben abgeschlossene USA-Reise der Mannschaft zu zählen ist. Der Trip in die Staaten, zu drei Spiel- und Trainingsorten, an einem zahlungskräftigen und noch nicht ganz erschlossenen Markt ist für einen Klub wie die Borussia offenbar unabdingbar geworden.
So jedenfalls sieht das Cramer selbst, der im Rahmen der Reise in Chicago vor ein paar Tagen schon ein vorgezogenes Fazit ziehen konnte. "Man merkt bei solchen Reisen, dass sich etwas entwickelt hat, was mit Borussia Dortmund zu tun hat", sagte Cramer. "Die Menge an Menschen, die uns begrüsst, wird unseres Erachtens nach grösser."
Cramer sieht seinen Klub in den USA, zusammen mit Kanada und Mexiko immerhin Ausrichter der nächsten Weltmeisterschaft, als Botschafter des deutschen Fussballs. Als "eine von zwei Lokomotiven", wie er es nennt. Neben den Bayern natürlich. Den immensen Vorsprung besonders der englischen Premier League in der Auslandsvermarktung will der 54-Jährige nicht einfach so akzeptieren. "Es gibt zwei Möglichkeiten: Das zu akzeptieren oder versuchen, dagegen anzugehen." Cramer und der BVB haben sich für die zweite Variante entschieden.
"Für uns alle ist das echt harte Arbeit, kein Ausflug, auf dem man ein paar Fähnchen verteilt, sondern wir verlangen dem Sport eine ganze Menge ab", lässt Cramer auch die Schattenseiten einer solchen Reise durchblicken. "Wir glauben, dass das für die Bundesliga extrem wichtig ist - und wir bleiben bei der Hoffnung, dass das auf Dauer nicht nur etwas ist, was Borussia Dortmund und die Kollegen aus dem Süden zu schultern haben. Das ist am Ende auch latent unfair, weil es auf die Substanz geht."
Das ist als klarer Aufruf an die anderen 34 Klubs der DFL zu verstehen, doch bitteschön ähnlich stringent und - aus Cramers Sicht - fast schon aufopferungsvoll zu agieren wie das der BVB und die Bayern tun. Zum Wohle des gesamten deutschen Fussball, wie Cramer das im Subtext mitschwingen lässt. "Ich bleibe bei der Aussage, dass man in den Märkten präsent sein muss." Und er hoffe, dass "die Vereine, die vorweg gehen, nicht von der Liga kritisiert werden, wenn sie die eine oder andere Sache einfordern".
170 Millionen aus der Auslandsvermarktung der DFL
Was Dortmunds Herr der Zahlen hier ausspart, ist die Tatsache, dass der BVB Unternehmungen wie die USA-Reise in erster Linie für sich selbst veranstaltet. Von Dortmunds Präsenz in den Staaten fällt für den FC Augsburg oder Darmstadt 98 allenfalls am Rande etwas ab, die Margen dürften sehr überschaubar sein.
Natürlich hat Cramer grundsätzlich Recht mit der Annahme, dass jeder weitere Klub aus der Liga vor Ort das Markenbild des deutschen Fussballs stärken könnte. Nur besteht die Bundesliga aktuell fast zur Hälfte aus Werksklubs und regionalen Erscheinungen wie Mainz, Augsburg oder Heidenheim. Es ist kaum vorstellbar, dass Klubs dieser Grössenordnung und Strahlkraft in den sogenannten Zielmärkten wirklich einen Einfluss hätten.
Da wird sich die Borussia schon auf sich selbst konzentrieren müssen und eine Solidarisierung vieler anderer Klubs mit ihren Ideen in den Wind schreiben. Zumal der BVB Reisen dieser Art nicht während des laufenden Spielbetriebs unternimmt - sondern in der spielfreien Zeit, im Sommer und im Winter.
Dass das aus sportlicher Sicht nicht immer Sinn macht, müssen letztlich das Trainerteam und die Spieler ausbaden. Für Edin Terzic wäre ein Trainingslager im schweizerischen Bad Ragaz sicherlich die entspanntere Lösung gewesen als der Städte-Trip einmal quer durch die USA. Und die Flüge durch drei Zeit- und mehrere Klimazonen plus der Jetlag zusammen mit den Trainingseinheiten und drei Spielen innerhalb von nur sieben Tagen ist auch für die Spieler durchaus knackig.
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Aber immerhin bleibt als Trost, dass die vielen dadurch generierten Einnahmen ja zumindest in Teilen auch genau dort wieder landen: Bei den Trainern und bei den Spielern. Irgendjemand muss die üppigen Gehälter ja schliesslich bezahlen. Ein Teil davon kommt aus der Auslandsvermarktung der DFL. Daraus sind derzeit rund 170 Millionen Euro pro Saison zu generieren.
Verwendete Quelle:
- spox.com: Dortmund-Geschäftsführer Carsten Cramer erlaubt sich Seitenhieb auf Bundesliga
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