Der BVB will sich ab dem Sommer auf seiner Führungsebene neu aufstellen, findet dabei seit Wochen keinen Konsens. Aktuell gibt es noch auf jeder einzelnen Position grossen Klärungsbedarf.

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So glatt und geräuschlos wie in Freiburg wird das bei Borussia Dortmund wohl nie wieder laufen. Als Christian Streich neulich seinen Rückzug nach 29 Trainerjahren bei den Breisgauern angekündigt hatte, präsentierte der Sportclub nur ein paar Tage später den für Freiburger Verhältnisse fast schon logischen Nachfolger: Julian Schuster wird Streich als Cheftrainer der Lizenzspielermannschaft beerben.

Es gibt wenige bis gar keinen anderen Klub in Deutschland, der sich so einen Schritt zutrauen würde: Den erfahrensten Bundesligatrainer nach dann zwölf Amtsjahren durch einen Novizen aus dem eigenen Stall ersetzen, der ohne jede Erfahrung im Profibereich seinen Job antreten wird. Aber Freiburg ist eben anders.

Und im Vergleich zum BVB aus ganz unterschiedlichen Gründen kein so komplexes Gebilde. Während sie in Freiburg also die wichtigste Personalentscheidung der letzten Jahre ebenso zügig wie reibungslos kommunizieren konnten, werkelt die Borussia nun schon seit Wochen und Monaten an einer neuen Struktur auf ihrer Führungsebene - und das noch immer ohne konkrete Resultate.

Nach derzeitigem Stand der Dinge wird sich an den ausführenden Personen gar nicht so viel verändern. Im Prinzip scheint es der Plan zu sein, mit dem bestehenden Personal plus einer oder vielleicht zwei externen Veränderungen in einem neuen Organigramm die Zukunft zu gestalten. Wobei hinter jedem einzelnen Posten und hinter jedem Protagonisten noch immer einige Fragezeichen stehen.

Hans-Joachim Watzke:

Der aktuelle Geschäftsführer Sport hat in diesem Winter seinen Rückzug für den Herbst 2025 angekündigt. Dann läuft Watzkes Vertrag aus, nach 20 Jahren wird dann eine Ära beim BVB endgültig enden. Watzke hatte dem Präsidialausschuss damals zudem verkündet, die "sportliche Gesamtverantwortung zum 30. Juni abzugeben", also nach dem Ende der aktuellen Saison. Damit sollte eigentlich der Posten des "Geschäftsführer Sport" in ein paar Wochen frei werden.

Lange sah es danach aus, dass der derzeitige Sportdirektor Sebastian Kehl quasi automatisch auf Watzkes Platz und damit neben die beiden anderen Geschäftsführer Carsten Cramer (Marketing, Internationalisierung) und Thomas Tress (Finanzen) rückt. Seit ein paar Wochen wackelt diese Überlegung aber offenbar.

Nun schreibt die "Bild"-Zeitung, dass Watzke unter Umständen doch noch eine Saison länger zumindest offiziell als Geschäftsführer fungieren könnte. In erster Linie, um deutlich mehr Zeit zu gewinnen. Andererseits sollen andere strategische Entscheidungen auch von der Watzke-Nachfolge abhängen, etwa die Stellenbeschreibung für den vermuteten Heimkehrer Sven Mislintat.

Noch diesen Monat will Watzke den Gremien seinen konkreten Vorschlag für die Neustrukturierung und ein entsprechendes Organigramm unterbreiten. Offenbar bleibt das Ziel also, erst eine Struktur zu schaffen und dann die darin definierten Posten mit Personen zu besetzen.

Sebastian Kehl:

Der aktuelle Sportdirektor galt lange als Favorit für die Watzke-Nachfolge in diesem Sommer. Zuletzt machten aber vermehrt Nachrichten die Runde, dass dieser vermeintlich logische Karrieresprung keineswegs sicher sei. Unter anderem berichtete der "Kicker", dass auch eine externe Lösung denkbar sei.

Entsprechend kursierten immer wieder einige Namen: Von Sami Khedira oder Fredi Bobic war zu lesen, auch der Frankfurter Markus Krösche soll ein Kandidat gewesen sein. Krösche hat seinen Kontrakt in Frankfurt nun verlängert und ist damit ebenso raus aus dem Rennen - so er denn je ein Teil dessen gewesen sein sollte - wie auch Khedira oder Bobic.

Eine zentrale Frage dürfte die nach dem oft zitierten Stallgeruch sein: Watzke, Kehl, bald schon wieder Mislintat oder auch Berater Matthias Sammer sind alles Personen mit langer Dortmunder Vergangenheit. Zwischen der proklamierten BVB-Familie und einer gewissen Vetternwirtschaft liegt da oftmals nur ein schmaler Grat.

Kehl jedenfalls hat die Zeichen der Zeit längst erkannt und sich für seine Verhältnisse ziemlich offensiv auch öffentlich in Position gebracht. So sprach der 44-Jährige im "Doppelpass" bei Sport1 vor einigen Wochen recht selbstbewusst von seinen Chancen auf das Amt des Geschäftsführers.

"Ich werde jetzt kein Bewerbungsschreiben für mich abgeben", meinte Kehl - und gab dann doch ein Bewerbungsschreiben für sich ab. "Das brauche ich nicht, denn ich bin zu lange bei Borussia Dortmund, kenne diesen Verein sehr, sehr gut und hab mich aus unterschiedlichen Rollen auch in den letzten Jahren in diese Sportdirektoren-Position gearbeitet und mir macht das unglaublich viel Spass. Für mich wäre es nur ein logischer Schritt."

Sven Mislintat:

Der verlorene Sohn soll nach Dortmund heimkehren. Watzke bezeichnete es nach Mislintats Abgang vor sieben Jahren als seinen "persönlichen Fehler, es zugelassen zu haben, dass Sven Mislintat - ein verdienter Mitarbeiter von Borussia Dortmund - anderthalb Jahre so behandelt worden ist". Gemeint war Mislintats Dauerfehde mit dem damaligen Cheftrainer Thomas Tuchel.

Nun soll Mislintat beim BVB eine entscheidende Funktion in der Kaderplanung einnehmen, ganz so wie damals schon. Mislintats Vertrag bei seinem vorherigen Arbeitgeber Ajax Amsterdam ist aufgelöst, theoretisch könnte der 51-Jährige schon morgen in Dortmund anfangen. Die Frage ist nur: in welcher Position?

Bisher war stets von einer Stelle auf Direktorenebene die Rede, sprich als Sportdirektor. Solange aber die Watzke-Nachfolge nicht geklärt ist, könnte Mislintat aber auch in einer anderen, extra dafür geschaffenen Stelle tätig werden. Als Technischer Direktor oder für die erste Zeit auch als Berater.

Das wäre wohl die pragmatischste aller Lösungen und vor allen Dingen auch die schnellste. Denn die Zeit drängt in diesem Fall tatsächlich, Mislintat soll im besten Fall schon eng eingebunden sein in die Planungen für die kommende Saison und müsste damit eher heute als morgen beginnen.

Matthias Sammer:

Eigentlich war Sammers Rolle immer ganz eng an Hans-Joachim Watzkes Wirken gebunden. Entsprechend war davon auszugehen, dass Sammers Einfluss als Berater mit Watzkes Ausscheiden enden würde. Nun ändert sich die Gemengelage aber offenbar ein wenig.

Laut "Kicker" soll Sammer ein gewichtiger Teil einer grossen Gesamtlösung beim BVB sein - in welcher konkreten Funktion auch immer. Sammer könne demnach mehr Einfluss bekommen. Allerdings hat der 56-Jährige auch oft genug betont, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ins operative Geschäft einsteigen zu wollen, als möglicher Geschäftsführer steht er deshalb nicht zur Verfügung.

Eine andere Position mit einer entsprechend formulierten Stellenbeschreibung könnte aber ja schnell geschaffen werden. Vieles scheint möglich beim BVB - und die Zeit drängt.

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