Aus dem Nichts rückte Kjell Wätjen zuletzt in den Fokus. Der Teenager ist einer der Dortmunder Hoffnungsträger für die Zukunft und ein Beleg für die ausgezeichnete Jugendarbeit des Klubs.
Angefangen hat alles in den Osterferien 2014. Kjell-Arik Wätjen hatte offenbar ein bisschen Zeit und auch grosse Lust, sich in der "BVB Fussballschule" zu beweisen. Wie so ziemlich jeder andere Klub auch veranstaltete Borussia Dortmund schon damals die beliebten Feriencamps für junge Talente. Das schafft zum einen eine noch engere Bindung an die Fans und damit die Basis des Klubs und bringt über die Camp-Gebühren auch den einen oder anderen Euro an Einnahmen.
Vor allen Dingen aber nutzen die Profi-Klubs in Deutschland die mehrtägigen Veranstaltungen als eine Art kostenloses Sichtungsprogramm für die Talente der entsprechenden Region. Jeder auffällige Spieler wird notiert und später dann vielleicht auch kontaktiert.
So wie das bei Kjell Wätjen der Fall war. In einer Art Schattenteam werden diese Kinder dann zu weiteren Trainings- und Sichtungsmassnahmen eingeladen und manchmal über Monate oder sogar Jahre hinweg beobachtet – bis einige von ihnen dann tatsächlich den Sprung in die "eigentliche" Mannschaft ihrer jeweiligen Jahrgangsstufe schaffen.
Bei Kjell Wätjen war das bereits im Alter von neun Jahren der Fall, als er vom FSV Gevelsberg in die E-Jugend von Borussia Dortmund wechseln durfte.
Übersicht und Ruhe am Ball
Seitdem spielt Kjell Wätjen in Schwarz und Gelb, hat sich Saison für Saison gegen die massive Konkurrenz anderer Spieler bewiesen und stets den Cut geschafft, der in einem grossen Verein wie dem BVB ein Mal oder später sogar zweimal pro Saison gemacht wird: Wenn neue Spieler, vermeintlich noch grössere Talente, dazukommen und andere dafür den Verein verlassen müssen.
Wätjen hat sich immer behauptet und durchgesetzt, erst im Grundlagen-, dann im Aufbau- und zuletzt auch im Leistungsbereich. Zuletzt hat er sich in den B- und A-Jugend-Mannschaften der Borussia einen Namen gemacht. Kenner der Nachwuchsszene jedenfalls war Kjell Wätjen längst ein Begriff, als der 18-Jährige vor ein paar Tagen sein Debüt in der Bundesliga feiern durfte.
Im "Sandwich-Spiel" zwischen den beiden Champions-League-Halbfinals gegen Paris St. Germain schonte Dortmunds Trainer Edin Terzić fast seine komplette erste Garnitur und schickte gegen den FC Augsburg stattdessen die Spieler aus der Hinterbank aufs Feld. Und eben Kjell Wätjen.
Beim 5:1-Erfolg, dem höchsten Saisonsieg der Borussia, glänzte dann nicht nur Altmeister
Wätjens Ballsicherheit und Ruhe war bemerkenswert, die gut getimten Zuspiele – ob lang oder kurz – sehr auffällig. Und weil der Spieler auch unter grossem Gegnerdruck immer den Kopf oben hielt und eine Lösung fand, durfte sich Kjell Wätjen als einer der Gewinner der Partie gegen den FCA fühlen.
"Sein Auftritt war extrem gut, er hat sehr viel Spass gemacht und das hat er uns auch vermittelt. Er war extrem mutig und hat nicht eine Minute gebraucht, um ins Spiel zu kommen, hat schon früh Bälle gefordert und enge Situationen gelöst. Offensiv und defensiv hatte er viele gute Momente gehabt und das Spiel beschleunigt", lobte Trainer Terzić den Debütanten nach dem Spiel.
Erst Nervosität, dann Freude bei Wätjen
Und auch Wätjen war nach seinem ersten Bundesligaspiel überhaupt ganz zufrieden mit sich. "In den ersten fünf Minuten war ich noch sehr angespannt und nervös. Danach ging es dann und die Freude kam immer mehr. Dann wurde es immer besser und besser." Und so gut, dass er gleich auch einen ersten Assist beisteuern konnte.
So schnell wie kein anderer erfasste Wätjen tief in der eigenen Hälfte die Situation und spielte einen tiefen Pass genau in den Lauf von Marco Reus. Vom Bewunderer wurde Wätjen spätestens in dieser Szene zum gleichwertigen Mitspieler. "Als ich klein war, bin ich mit ihm eingelaufen", erinnerte sich Wätjen im Interview bei "Sky" an seine erste Begegnung mit Reus Jahre zuvor. "Im Trainingslager habe ich ihm noch die Bilder gezeigt…".
Bestätigung des Dortmunder Wegs
An diesem Tag im Signal Iduna Park war für die Dortmunder Fans die Vergangenheit und die Zukunft des BVB kompakt in 90 Minuten zu erahnen. Marco Reus wird seine Karriere in Dortmund schon bald beenden. Noch zwei Spiele, dann ist Schluss für die BVB-Ikone. Und Kjell Wätjen könnte einer der Spieler werden, der irgendwann in Reus‘ überdimensionale Fussstapfen tritt. "Er ist ein Vorbild: Mit den Laufwegen, die er macht, den Pässen, die er spielt, den Räumen, die er erkennt."
Vor ein paar Wochen hat Wätjen seinen ersten Profivertrag bei der Borussia unterschrieben. Er hat es geschafft, Dutzende andere talentierte Kinder und Jugendliche ausgestochen und darf sich nun Bundesligaspieler nennen. Bis zum Sommer 2028 ist Wätjens Vertrag datiert, auch ist ein Zeichen der Wertschätzung seines Ausbildungsvereins.
Wätjen kann sich nun bei den BVB-Profis etablieren
"Uns freut es sehr, dass es uns als Verein gelungen ist, Kjell durch die sehr gute Arbeit in unserem NLZ von klein auf bis zu diesem Punkt entwickelt zu haben. Nun folgen die ersten Schritte im Herren-Fussball und wir trauen Kjell auf jeden Fall zu, sich mit seinen Qualitäten und seiner Persönlichkeit bei unseren Profis zu etablieren", wurde Sportchef Sebastian Kehl damals zitiert.
Neben den vielen (teuren) Zukäufen gestandener Spieler und denen junger, entwicklungsfähiger Talente soll auch die Ausbildung eigener Nachwuchskräfte als dritte Säule weiterhin höchste Aufmerksamkeit geniessen. Mit dem langjährigen NLZ-Leiter Lars Ricken als neuem starkem Mann an der Spitze dürfte dieser Effekt noch verstärkt werden. Beispiele wie das von Kjell Wätjen bestätigen jedenfalls einmal mehr den Dortmunder Weg.
Nun kann sich der Teenager dann auch voll und ganz dem Profifussball widmen. Die letzten Abiturprüfungen sind absolviert, sein erster Job als Schüler damit beendet. Jetzt gibt es nur noch ein Ziel: Ein fester Bestandteil der Lizenzspielermannschaft von Borussia Dortmund zu werden. Das sind schöne Aussichten für Kjell Wätjen – und den BVB.
Verwendete Quellen:
- sport1.de: Einst Reus’ Einlaufkind
- bvb.de: BVB bindet Eigengewächs Kjell Wätjen langfristig
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