- Ein überragendes Solo, ein überragender Keeper, eine gute Portion Glück und Willensstärke: Das waren Dortmunds Zutaten für den Erfolg gegen Chelsea.
- Bei aller Euphorie sollte der BVB die Partie aber nüchtern aufarbeiten – sonst droht das böse Erwachen.
Die älteren Dortmunder Fans dürften sich am Mittwochabend ein wenig an Daniel Simmes erinnert haben. Simmes hat vor ewigen Zeiten mal das Tor des Jahres erzielt, im Herbst 1984 rannte der damals 18-Jährige an sieben Leverkusener Spielern vorbei, legte dabei in zehn Sekunden 70 Meter zurück und schob den Ball flach ins Tor.
Damals verirrten sich nur 15.000 Fans ins Dortmunder Westfalenstadion, es waren halt andere Zeiten. Am Mittwochabend lieferte
"... und dann haut er einfach ab"
Adeyemi rannte Mitte der zweiten Halbzeit los, entwischte seinem Bewacher Mykhailo Mudryk, überrannte Chelseas letzte Absicherung Enzo Fernandez, spielte auch noch Torhüter Kepa aus und schob den Ball flach ins Tor. "Meep, meep", beschrieb Trainer
Das 65-Meter-Solo legte Adeyemi in rekordverdächtigen 8,2 Sekunden zurück, schneller als Simmes, aber auch mit weniger Gegenwehr. "Ich habe mir beim Tor nur gedacht: Irgendwie muss ich den Ball vorbeilegen. Dann musst du das Eins-gegen-Eins gewinnen. Da kommt dann der Torwart raus und das ist dann ein bisschen Glück", erklärte der Matchwinner nach dem Spiel seine Energieleistung, die der Borussia das Tor ins Viertelfinale ein gutes Stück aufgestossen hat.
Chelsea verzweifelt an Kobel und sich selbst
Die Partie gegen die Blues, die in der Liga massive Probleme haben und aus allen anderen Pokalwettbewerben ausgeschieden sind, erwies sich als das erwartet harte Stück Arbeit und es benötigte nicht nur bei Adeyemis Tor "ein bisschen Glück", wie man nachher von so ziemlich jedem Dortmunder Spieler und Trainer hören konnte.
Chelsea zeigte sich in Dortmund nicht nur stark formverbessert, sondern bestimmte nach einer noch recht ausgeglichenen ersten Hälfte mit leichten Vorteilen für den BVB die komplette zweite Halbzeit. 21 Torschüsse gaben die Engländer insgesamt ab, hatten mehrere hochkarätige Torchancen, trafen die Latte, hatten bei einer Rettungstat von Emre Can auf der Linie Pech oder scheiterten im Zweifel am einmal mehr überragenden Gregor Kobel im Dortmunder Tor.
"Bis auf diesen einen Moment, den wir nicht gut verteidigt haben, waren wir das klar bessere Team. Wir hatten die Spielkontrolle, wir waren dominant und hatten genug Chancen. Aber wir hätten ein bisschen Glück benötigt und ein paar bessere Abschlüsse", ärgerte sich Chelseas Trainer Graham Potter nach dem wohl besten Spiel seiner Mannschaft unter seiner Regie. Aber: "Es ist erst Halbzeit in diesem Vergleich, ein enger Kampf. Und wir freuen uns schon auf das Rückspiel an der Stamford Bridge ..."
Emre Can: "Müssen einiges besser machen"
Tatsächlich dürfte bei aller Euphorie nach nun sieben Pflichtspielsiegen in Folge auf Dortmunder Seite eine nüchterne Aufarbeitung guttun. Die Mannschaft zeigte die über viele Jahre schmerzlich vermisste Leidenschaft und Einsatzbereitschaft, verbiss sich in den Gegner und trotzte in einem grossen Spiel endlich allen Widrigkeiten. Die spielerischen Defizite und auch die Vermutung, dass nicht jeder der eingesetzten Spieler auf diesem Niveau mithalten kann, können sich auf Sicht aber zu einem echten Problem auswachsen.
"Es war nicht das beste Spiel von uns. Aber wir haben gekämpft und bewiesen, dass der eine für den anderen da ist. Harte Arbeit wird am Ende belohnt. Im Rückspiel müssen und werden wir einiges besser machen", kündigte Emre Can bei "DAZN" eine Leistungssteigerung seiner Mannschaft an. "Heute war es eher nach dem Motto: 'Auf geht's Dortmund, kämpfen und siegen!' Am Ende war ein bisschen Glück dabei und eine gute Leistung von unserem Torhüter. Die Fans können zufrieden mit dem Ergebnis sein – wir wissen aber, dass wir unsere Leistung verbessern müssen", sagte Terzic auf der Pressekonferenz.
Das Glück nicht überstrapazieren
Auch dem Trainer dürfte klar sein, dass er und seine Mannschaft nicht weiter so vom Spielglück geküsst sein können, wie das bisweilen in den letzten Wochen der Fall war. Und dass auch Gregor Kobel nicht alle paar Tage eine Leistung wie gegen die Blues hinlegen kann. Der Schweizer hielt sein Tor nun schon zum elften Mal in dieser Saison sauber und das nur bei 23 Pflichtspieleinsätzen und damit jetzt schon einmal mehr als in 40 Spielen der vergangenen Saison.
Mit Kampf, Leidenschaft, ein wenig Glück und einem überragenden Torhüter ist auch in der Königsklasse einiges möglich. Allerdings wird die neu formierte Mannschaft des Gegners zum Rückspiel in drei Wochen in London noch besser eingespielt sein, vor eigenem Publikum viel Wucht entfachen und auf eine reine Abwehrschlacht bei nur einem Tor Vorsprung sollte sich der BVB besser nicht einstellen.
Verwendete Quellen:
- bvb.de: "Ein Sieg des Willens"
- chelseafc.com: Potter looking forward to Bridge re-match against Dortmund
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