Den Start ins neue Jahr hat sich Marco Reus wohl anders vorgestellt: Der ehemalige Kapitän ist beim BVB zum Rollenspieler geworden, eine Zukunft über den Sommer hinaus scheint aktuell schwer vorstellbar.

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In Heidenheim hätten sie ihn wohl ganz gut gebrauchen können: als Spielgestalter, Persönlichkeit, Anführer. Als einer, der in einem verfahrenen Spiel den Unterschied machen kann. Mit einer einzigen Aktion, die wie so oft in den letzten Jahren zum erlösenden und womöglich entscheidenden Tor hätte führen können.

Aber Marco Reus war in Dortmund geblieben, eine hartnäckige Grippe verhinderte einen Einsatz auch in Heidenheim, nachdem der ehemalige Kapitän auch schon das Heimspiel gegen Bochum eine Woche davor verpasst hatte.

Den Start ins neue Jahr dürfte sich der Routinier dann doch etwas anders vorgestellt haben, ausser zwei Einwechslungen in Darmstadt und Köln mit immerhin einem eigenen Treffer geriet die erste Phase der Rückserie alles andere als optimal.

Vom Fixpunkt zum Bankdrücker

Das war in der Hinserie zum Teil noch ganz anders: Da war Reus ein Fixpunkt der Dortmunder Mannschaft und massgeblich verantwortlich für die kleine Siegesserie im Frühherbst mit entscheidenden Toren gegen Freiburg, Wolfsburg und Hoffenheim. Im 4-2-3-1 durfte Reus in seiner besten Rolle als Zehner hinter der einzigen Spitze ran.

Das änderte sich dann im Verlauf der Wochen insofern, als Reus immer mal wieder Julian Brandt im Zentrum Platz machen und auf die rechte Seite ausweichen musste - oder sich dann und wann im 4-3-3 plötzlich auch auf der Bank wiederfand. Seine Auswechslung beim Auswärtsspiel in Augsburg - Reus spielte auf der Halbposition im Mittelfeld - löste eine heftige Debatte aus, das Verhältnis zu Trainer Edin Terzic habe darunter gelitten.

Seitdem hat Reus tatsächlich kein Spiel mehr von Beginn an bestritten, wurde im letzten Heimspiel vor der Winterpause gegen Mainz geflissentlich übergangen, bekam die beiden Teilzeitaufgaben gegen Darmstadt und Köln und fehlte nun gleich zweimal krankheitsbedingt.

Im Sommer ist wohl Schluss beim BVB

Das war in etwa die Ausgangslage, in die hinein zuletzt Gerüchte um eine Rückkehr zu Borussia Mönchengladbach im Sommer platzten. Entsprechende Ambitionen negierte Gladbachs Vize-Präsident Rainer Bonhof am Sonntag in der Sendung "Bild Sport bei Welt TV": "Ich glaube, wir würden dann kontraproduktiv arbeiten. Ich habe Hochachtung vor Marco, sportlich wie menschlich. Wir würden dann aber unseren neu eingeschlagenen Weg wieder verlassen. Wir sollten unserer Linie treu bleiben."

In Gladbach verfolgen sie seit anderthalb Jahren einen ziemlich radikalen Umbruch inklusive einer Verjüngungskur des Kaders. Reus‘ Gehaltslevel würden den Gladbacher Rahmen sprengen, dazu wird er im Mai 35 Jahre alt und dürfte auch deshalb nicht besonders gut in die Überlegungen passen. Wobei die Altersfrage auch beim BVB eine wichtige Rolle spielt.

Reus' Vertrag beim BVB endet zum 30. Juni, der Spieler wird dann exakt zwölf Jahre für Dortmunds Lizenzspielermannschaft gespielt haben. Reus ist eine Ikone dieses Klubs, eine prägende Figur der letzten Jahre, die für so vieles steht, was den BVB ausmacht: Herz, Leidenschaft, Identifikation, Treue, Triumphe und Tragödien. Momentan, so scheint es, wird dieses Kapitel aber im Sommer geschlossen.

"Wir wissen um die Qualitäten der beiden. Trotzdem wird es irgendwann einen Zeitpunkt geben, wo man vielleicht weiterziehen muss. Ob der Zeitpunkt im Sommer ist, weiss ich jetzt noch nicht." Das sagte Dortmunds Sportchef Sebastian Kehl bei Sky über die Zukunft von Reus und Mats Hummels bei der Borussia.

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Anker und heikle Personalie

Zwischen Reus und dem BVB geht es um mehr als nur ein weiteres Jahr der Zusammenarbeit. Reus wird seinen Traum mit der Borussia wohl nicht mehr verwirklichen können. Im Sommer 2012 kam er nur wenige Tage nach dem Double-Gewinn des Klubs, auf dem Höhepunkt der Klopp-Ära. Im letzten Sommer verpasste er seine wohl letzte Chance auf den Meistertitel. Marco Reus ist beim BVB noch immer unvollendet.

Und in einer Mannschaft mit einer nur schwer erkennbaren (spielerischen) Identität immerhin noch so etwas ein Anker für die Fans. Auch deshalb ist der Umgang mit dieser Personalie für Kehl und den Rest der sportlichen Leitung besonders heikel.

Aktuell deutet einiges darauf hin, dass sich die Wege schon bald trennen. Der Dortmunder Konkurrenzkampf - sofern wieder mehr Spieler fit sind als zuletzt - und die veränderte Grundordnung ohne einen echten Zehner haben aus Reus einen Rollenspieler gemacht, einen für spezielle Spielsituationen. Von einem dauerhaften Einsatz als Startspieler ist er aktuell aus unterschiedlichen Gründen ein gutes Stück entfernt.

Das muss bei der Wankelmütigkeit der Mannschaft und der andauernden Suche des Trainerteams nach den besten Lösungen und dem passenden Personal keine finale Erkenntnis sein. Als Ausgangspunkt für mögliche Vertragsgespräche in den kommenden Wochen aber auch nicht gerade optimal für Marco Reus.

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