Vor seinen womöglich letzten Spielen im Dortmunder Trikot scheiden sich an Marco Reus mehr denn je die Geister. Der Kapitän steht vor der Erfüllung seines Lebenstraums, könnte aber auch als eine tragische Figur beim BVB enden.
Lothar Matthäus nimmt seine Funktion als Fussball-Experte der Nation in den letzten Wochen ausgesprochen ernst.
Neulich hat sich Matthäus auch um den BVB gekümmert, genauer: Um
"Reus wird auch nicht besser, die Verletzungen werden weiterhin bleiben, und er wird natürlich älter. Wenn man Marco Reus nicht mehr hundertprozentig vertraut, dann sollte man eine vernünftige Lösung finden, die für beide Seiten gut ist. Reus ist ja jetzt schon nicht mehr unantastbarer Stammspieler als Kapitän."
Wie geht es nach dem Sommer weiter?
Reus' Vertrag in Dortmund läuft zum 30. Juni aus, aktuell sind beide Seiten in Gesprächen über eine mögliche Vertragsverlängerung. Erst am Donnerstag fanden sich der Spieler und sein Berater Dirk Hebel erneut an der Geschäftsstelle ein, angeblich stand ein nächster Termin mit Sportchef Sebastian Kehl an. Das vermeldet jedenfalls die "Bild"-Zeitung.
Seit Monaten wird über die mögliche weitere Zusammenarbeit beider Parteien spekuliert. Im Raum steht ein Einjahresvertrag für den bald 34-Jährigen, der allerdings deutlich leistungsbezogener ausgehandelt werden soll und das Grundgehalt des Topverdieners um etwa die Hälfte reduziert.
Mit starken Leistungen nach der Winterpause hatte sich Reus für die Gespräche in eine sehr gute Verhandlungsposition gebracht. Die unscheinbaren Auftritte des Kapitäns in den grossen Spielen gegen Chelsea, Bayern und Leipzig sowie der leblose Vortrag am vergangenen Wochenende in Stuttgart lassen nun aber vermehrt wieder Zweifel aufkommen, ob und in welcher Konstellation eine Weiterbeschäftigung aus Sicht des BVB Sinn ergeben kann.
An Reus scheiden sich die Geister
Deshalb auch der harte Matthäus-Standpunkt, deshalb die Debatten unter den Dortmunder Anhängern. An Marco Reus scheiden sich die Geister: Die einen sehen eine Klub-Ikone, seit elf Jahren im Verein, eine zuverlässige Offensivkraft mit immer noch sehr guten Statistiken und einen Spieler, der jederzeit eine Partie auch im Alleingang entscheiden kann.
Die anderen erkennen eher einen Teil denn die Lösung des Dortmunder Dauer-Problems: Dass die Mannschaft - wenn es wirklich darauf ankommt - nicht ihre beste Leistung abruft. Und das seit etlichen Jahren. Reus kam im Sommer 2012 zurück nach Dortmund, nur wenige Wochen nach dem ersten und bis heute einzigen Double-Gewinn der Klubgeschichte.
Er wurde nur zu einem peripheren Teil jener erfolgreichen Generation, konnte der Mannschaft seitdem "nur" - oder immerhin - zu zwei Pokaltriumphen verhelfen. Vielleicht war Reus einfach eine Spur zu spät dran mit der Rückkehr nach Dortmund, vielleicht hat er einfach das Pech, in der stärksten Phase des FC Bayern seit Menschengedenken hinein ein Teil der nur noch zweiten und abgehängten Kraft im deutschen Fussball zu sein.
Unter besonderer Beobachtung
Allerdings bietet sich jetzt die womöglich einmalige und auch letzte Chance, daran noch etwas zu verändern. Das Titelrennen ist sechs Spieltage vor Schluss so offen und umkämpft wie seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr. Allerdings machten die Borussia und mit ihr der Kapitän zuletzt auch nicht immer den Anschein, als würden sie diese grosse Gelegenheit auch als solche wahrnehmen und entsprechend rigoros agieren.
Bei vier Heimspielen und nur noch zwei Auswärtsspielen bei Abstiegskandidaten sind sechs Siege aus diesen sechs Spielen nicht nur möglich, sie wären gemessen an den Dortmunder Ansprüchen auch eine regelrechte Pflicht für die Mannschaft. Die Bayern sind verwundbar wie seit Jahren nicht mehr, jetzt muss der BVB auch zuschlagen.
Mit einem Anführer, der sich auch als solcher auf dem Platz zeigt. In den letzten Wochen schlüpften Mats Hummels und mit Abstrichen Emre Can in diese Rolle, von Reus war da nicht mehr viel zu sehen. "Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir um Titel spielen wollen. Jetzt haben wir noch die Chance, um einen Titel zu spielen. Und das ist die Deutsche Meisterschaft", sagte Edin Terzic am Donnerstag auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Frankfurt.
Ziel: Meisterschaft
Sportchef Kehl gab vor ein paar Tagen auch endlich öffentlich das Ziel Meisterschaft aus. Und es bleibt der Verdacht, dass diese veränderte Kommunikationsstrategie die etwas lethargische Mannschaft noch ein letztes Mal wachrütteln und schärfen soll. Was im Umkehrschluss nicht für das Team und auch nicht für den Kapitän spräche.
Mehr Ansporn als die Aussicht auf eine Vertragsverlängerung beim Herzensklub und der erste Meistertitel im Herbst einer langen Karriere kann es kaum geben. Auch deshalb wird Marco Reus in den letzten Spielen der Saison unter ganz besonderer Beobachtung stehen.
Verwendete Quellen:
- bild.de: Reus bei Geheim-Termin erwischt
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