Seine überzeugenden Statistiken lassen Niclas Füllkrugs erste Saison beim BVB ziemlich gut aussehen. Trotzdem hält sich die Kritik hartnäckig – am Nationalspieler wie auch an seinem Team. Warum?
Rund 20 Minuten waren in Borussia Dortmunds Partie gegen Eintracht Frankfurt noch zu spielen, als es immer unruhiger wurde im Westfalenstadion. Die Dortmunder Fans wurden ungeduldig und teilweise auch ungehalten, weil ihrer Mannschaft partout nichts mehr einfallen wollte gegen sehr tief und kompakt verteidigende Gäste.
Gegen Frankfurt war Füllkrug nahezu abgemeldet
Ohne genügend Raum im Rücken der gegnerischen Abwehrkette sollte eigentlich automatisch
Oder als Abnehmer für Flanken, weil durch das Zentrum und am Boden alles wie verriegelt schien. Aber weder das eine noch das andere mochte so richtig funktionieren. Füllkrug war nahezu abgemeldet und leistete sich nach und nach immer noch mehr kleine und grosse Fehler, mal einen verrutschten Pass, mal einen schlechten ersten Kontakt.
Und die Fans auf den Tribünen raunten und murrten. Und ein paar Minuten später war der Arbeitstag für den Mittelstürmer dann auch beendet.
Füllkrug mit 22 Scorerpunkten in 33 Spielen für den BVB
Niclas Füllkrug machte eine eher unglückliche Figur im Spiel gegen die Eintracht, das kann man wohl so konstatieren. Der Nationalspieler fand wenig Bindung zum Dortmunder Spiel, seinen einzigen Torschuss kratzte Frankfurts Verteidiger Pacho von der Linie. Es wäre eine kleine Erlösung für Füllkrug gewesen, der seit jetzt sechs Pflichtspielen auf einen Treffer wartet.
Sein letzter Treffer gelang ihm Mitte Februar in Wolfsburg, als er einen Ball aus einem Meter Entfernung eher zufällig über die Linie stolperte. Und seine Quote damit auf ein durchaus beeindruckendes Niveau schraubte: In 33 Partien für den BVB hat Füllkrug zwölf Tore und zehn Vorlagen gesammelt, kein anderer Dortmunder Spieler kann solch imposante Zahlen aufweisen.
Und das in Füllkrugs Premieren-Saison in einem der besten Klubs des Landes, beim Champions-League-Viertelfinalisten. Wo also ist das Problem?
"Ich finde, dass ich in dieser Saison sogar noch einen Tick besser spiele als in der vergangenen", sagte der mittlerweile 31-Jährige dem Magazin "11 Freunde". Die eher überschaubare Statistik in der Königsklasse mit "erst" einem Tor und zwei Vorlagen nach acht Spielen und die daraus resultierende Kritik ficht ihn da wenig an.
Füllkrug: "Für die Fans zerreisse ich mich jede Woche"
"Was die Medien schreiben, ist mir egal", behauptet Füllkrug. Stattdessen verweist er noch auf eine ganz andere Währung als Tore und Vorlagen: Die Liebe der Fans. "Von den BVB-Fans, von denen will ich gemocht werden! Für die zerreisse ich mich jede Woche, für die spiele ich mit Schmerzen, für die spiele ich krank. Ich will von den BVB-Fans gemocht werden. Gebe ich offen zu."
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Füllkrugs Beitrag zum Dortmunder Aufwärtstrend
Nun korreliert die Zuneigung der Anhänger in den meisten Fällen mit Zählbarem, das der Spieler liefert. In Füllkrugs Fall sind das eben Tore und Assists und da ist der Nationalstürmer allemal voll im Soll, auch wenn die kleine Delle zuletzt vielleicht einen etwas anderen Eindruck vermittelt.
Und am Einsatz und Engagement liegt es auch nicht, dass sich die kritischen Stimmen zuletzt wieder verstärkt Gehör verschafft haben. Es ist vielmehr Füllkrugs Beitrag zum Dortmunder Spiel, das zuletzt immer wieder Anlass zu unmittelbarer Kritik – durch die sofortige Reaktion der Fans im Stadion oder später in der Berichterstattung – geführt hat.
Lebt Füllkrug aktuell nur von seinen (guten) Zahlen?
In einigen Halbzeiten zuletzt war Füllkrug nahezu unsichtbar, leistete sich deutlich zu viele leichte Abspiel- und auch technische Fehler. In Eindhoven etwa konnte Füllkrug in der zweiten Halbzeit kaum noch einen Ball festmachen und dafür für ein wenig Entlastung für seine Mannschaft sorgen.
Gegen Frankfurt endete so manch erfolgversprechender Angriff bei ihm. Weshalb sich dir Meinung zu verfestigen droht, dass Füllkrug aktuell noch von seinen Zahlen lebt – ansonsten aber nicht besonders viel beizutragen hat zum Dortmunder Aufwärtstrend. Anders als in der Schlussphase der Hinserie, als Füllkrug durchaus als Wandspieler und schlauer Einfädler einiger Tore in Erscheinung trat.
"Die Art und Weise, wie hier von aussen über Spieler gesprochen wird, kannte ich bisher nicht. Bei Werder ging es im Vergleich dazu positiver zu", gibt Füllkrug offen zu und liefert auch ein Beispiel. "Bei Werder warst du Vorletzter, aber die Leute haben dir morgens beim Bäcker auf die Schulter geklopft, nach dem Motto: 'Ihr schafft das, wir glauben an euch.' Hier schiesst du ein Tor und gewinnst, aber beim Bäcker wird gefragt: 'Was war das denn? Wie konntest du den einen Ball danebenschiessen?' Damit muss man als Spieler erst mal warm werden…"
An das Dortmunder Anspruchsdenken sollte sich Füllkrug mittlerweile eigentlich gewöhnt haben. Nur hapert es immer noch ein wenig mit der Umsetzung dessen, was beim BVB auch gefragt ist.
"Wir müssen zusehen, dass wir die Leistung besser auf den Platz bringen. Dass wir auch begeistern mit der Art und Weise, wie wir Fussball spielen. Wir haben das Material dazu. Und ich würde mir auch von mir selbst wünschen, dass ich noch häufiger vorneweg gehe", sagt Füllkrug und spielt damit auf die weiterhin nicht eben überzeugenden Leistungen der Mannschaft an.
Zwischen den Zahlen bleiben die Zweifel
Wie beim gesamten Team bleibt auch bei Niclas Füllkrug immer der Gedanke: Da muss doch noch mehr gehen! Bisweilen läuft das ja richtig passabel: Die Mannschaft liegt noch auf Kurs Platz vier und damit im Rahmen der Mindestanforderung und gehört in der Königsklasse zu den besten acht Mannschaften Europas. Tatkräftig unterstützt von Füllkrugs Toren und Vorlagen.
Aber zwischen den Zeilen bleiben auch die Zweifel: Reicht das für die Dortmunder Ziele? In den nun folgenden Spielen gegen die hochklassigen Gegner in der Liga und in der Champions League? Und in Füllkrugs Fall: Auch in der Nationalmannschaft? Im DFB-Dress ist Füllkrugs Bilanz sogar noch besser als beim BVB, mit zehn Toren in 13 Länderspielen ist seine Quote enorm.
Ein gutes Jahr lang war Füllkrug allein auf weiter Flur, die einzig logische Besetzung des Angriffszentrums und schien für die EM in wenigen Wochen auch gesetzt. Nun aber drängelt der Stuttgarter Deniz Undav ganz vehement nach vorne, hat längst die besseren Quoten als Füllkrug und auch seine Tauglichkeit als verkappter Zehner unter Beweis gestellt. Bei Julian Nagelsmann gibt es jedenfalls jenen echten Kontrahenten, den es im Klub offenbar nicht gibt.
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