Borussia Dortmund würde offenbar gerne Wolfsburgs Felix Nmecha verpflichten. Gegen den Nationalspieler und dessen zum Teil radikale Ansichten regt sich in der Fanszene aber heftiger Widerstand. Wie wichtig sind dem BVB seine selbst formulierten Leitlinien?
Sportlich scheint der Fall klar: Felix Nmecha passt ganz hervorragend in das Beuteschema von Borussia Dortmund. Nmecha bringt nicht nur in Ansätzen jene Qualitäten mit, die der BVB durch den Abgang von
Bellingham war das Kraftwerk im Dortmunder Mittelfeld, mit seinen Dribblings, seiner Torgefahr, seinen Tacklings und auch seiner Mentalität teilweise herausragend – wenngleich dem Teenager in der einen oder anderen Situation auch etwas mehr Nüchternheit und taktische Disziplin geholfen hätte.
Nmecha mag nicht ganz so dominant sein in seinem Spiel und auch kein Lautsprecher auf dem Platz wie der ständig kommunizierende Bellingham. Aber die Spielweise erinnert dann doch an den abgewanderten Engländer.
Und weil neben Bellingham ja auch Mo Dahoud und Raphael Guerreiro den Verein verlassen haben und im Mittelfeld aktuell eine grosse Lücke klafft, wäre der offenbar geplante Transfer von Felix Nmecha absolut nachvollziehbar - zumal der Spieler in der Liga weder mit Anpassungs- noch mit Sprachproblemen zu kämpfen hätte und bei kolportierten 20 Millionen Euro noch einigermassen günstig zu bekommen wäre.
Heftiger Widerstand gegen Nmecha
Es gibt da nur ein Problem: Bei Teilen der Dortmunder Fans regt sich mittlerweile heftiger Widerstand gegen eine Verpflichtung des 22-Jährigen. Zuerst "nur" in den sozialen Medien, wo in Foren, auf Instagram oder bei Twitter teilweise ebenso kontrovers wie hitzig debattiert wird. Ende vergangener Woche nun gelangten einzelne Protestaktionen auch ins "echte" Leben.
Der queere BVB-Fanclub "Rainbow Borussen" hat "den Verein wissen lassen, was wir von Nmecha halten: nämlich nichts", zitierte Mitglied Sebastian Kropp bei Twitter aus einer Fanclub-Mail an den Verein. Am Freitag dann postierten sich Mitglieder der Fan-Initiative "Ballspiel Vereint" mit einem Spruchband vor dem Westfalenstadion.
"@BVB: STEH ZU DEINEN WERTEN!" war darauf zu lesen. Ein Foto der Aktion teilten die Fans auf Twitter, zusammen mit dem Aufruf: "Gegen Homo- und Transfeindlichkeit! Keine Verpflichtung von Nmecha!"
Alles nur Ausrutscher?
Der mittlerweile ebenso öffentliche wie laute Widerstand aus der Dortmunder Fanszene rührt von Nmechas - vorsichtig formuliert - diskutablen Äusserungen in den sozialen Medien. Im Februar hatte Nmecha auf Instagram einen Beitrag von Matt Walsh geteilt, der trans Menschen pauschal als "psychisch krank" bezeichnet. Walsh gilt als Rechtsaktivist und verbreitet Verschwörungstheorien über die queere Community. Einige Wochen später entschuldigte sich Nmecha.
"Ich bereue es, das gepostet zu haben", sagte er dem "RND". "Vor allem, weil ich nicht weiss, ob er Christ ist", fügt Nmecha hinzu, der wiederum seinen Glauben deutlich sichtbar lebt. Er sei nicht damit einverstanden, "wie er seine Überzeugungen vermittelt, und ich stimme auch nicht mit allem überein, was er sagt".
Vor ein paar Tagen dann sorgte ein anderer Post Nmechas wieder für Aufsehen, in dem er den "Pride"-Monat mit Luzifer, also dem Teufel, verglich. Wieder versuchte sich der Spieler an einer Entschuldigung, die in den Augen vieler Betrachter aber erneut nur halbherzig und wenig glaubwürdig schien.
"Auf meinem bisherigen Weg als Fussballer habe ich Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen, Ethnien und Überzeugungen kennengelernt. Es ist wichtig, dass ich deutlich mache, dass ich alle Menschen wirklich liebe und keinen diskriminiere", war bei Instagram zu lesen.
BVB-Kodex ist klar formuliert
Nmecha versucht seine Fehltritte wie Ausrutscher wirken zu lassen; nur so langsam wollen immer mehr dahinter eine feste Meinung erkennen. Und das wiederum wäre nicht vereinbar mit den Leitlinien, die Borussia Dortmund - der Klub der "Echten Liebe" - verbindlich in seinem Kodex formuliert hat.
"Wir werden uns stets für das gesellschaftliche Gelingen einsetzen. Darunter verstehen wir ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung. Mit Überzeugung stehen wir zu dieser Haltung, fordern und fördern Zivilcourage und setzen entschlossene Zeichen mit unserer Antidiskriminierungsarbeit", ist da beim Punkt "Borussia verbindet" zu lesen.
BVB steht vor einer Grundsatzentscheidung
Wie also umgehen mit der schwierigen Gemengelage? Auf der einen Seite ist da ein Spieler, der ganz vorzüglich passen könnte in das sportliche Konzept. Auf der anderen Seite stehen aber auch die klar formulierten Dortmunder Werte. Die Verantwortlichen halten sich schon seit Wochen auffällig zurück.
Nun schreibt der "Spiegel", dass ein "wichtiger Sponsor Bedenken" habe wegen einer möglichen Nmecha-Verpflichtung und dies auch den Verantwortlichen um Sebastian Kehl und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mitgeteilt habe.
Der Fall Nmecha ist längst ein Politikum, ein "normaler" Transfer wäre das jedenfalls nicht. Jetzt ist der BVB am Zug – es steht eine grundsätzliche Entscheidung an.
Verwendete Quellen:
- Instagram-Profil von Felix Nmecha, Stand 26. Juni 2023
- rnd.de: Als Felix Nmechas Glaube zum Problem im deutschen Fussball wurde
- spiegel.de: Ein deutscher Nationalspieler spaltet den BVB
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