Das hatte nicht passieren dürfen: Die Bühne war bereitet, der Kuchen, wie es Sky-Kommentator Frank Buschmann formulierte, lag verzehrfertig vor den Dortmunder Spielern. Die aber überlassen ihn dem FC Bayern. Wieder mal. Eine ganze Stadt sucht einen Weg aus ihrer Trauer.

Mehr News zu Borussia Dortmund

Über Dortmund lachte auch am Tag danach die Sonne. Die grosse Meisterparty aber, geplant hoch auf dem gelben Wagen, fiel nach dem dramatischen 2:2 gegen Mainz 05 ins Wasser.

Am Borsigplatz, der in den vergangenen Jahrzehnten einige legendäre Triumphfahrten des BVB miterlebt hat, tummelten sich zum Zeitpunkt des ausgefallenen Meisterkorsos zwar einige Dortmunder Fans. Die Mannschaft, aber, die sie hatten bejubeln wollen, traf sich auf dem Trainingsgelände im Stadtteil Brackel.

Es war ein letztes Wiedersehen vor der Sommerpause, und das Treffen galt der "Verabschiedung der Jungs, die gehen", wie Julian Brandt gegenüber unserer Redaktion sagte. Wie etliche andere Stars brachte der Nationalspieler im Abfahren viel Geduld beim Posieren für Selfies und beim Schreiben von Autogrammen auf.

Im Interview: Julian Brandt zur angeblichen Ignoranz gegenüber dem FC Bayern

Marius Wolf: "Sportlich mein schlimmstes Erlebnis"

Die zahlreich erschienenen Fans sprachen ihren sichtlich enttäuschten Helden viel Mut zu und dankten ihnen für eine - trotz des finalen Dramas - starke Spielzeit. "Im Sportlichen", liess Marius Wolf wissen, sei dieser Samstag für ihn "das bisher schlimmste Erlebnis" gewesen. Der Nationalspieler gehörte zu jenen Akteuren, die angaben, danach "gar nicht" geschlafen zu haben.

Im Interview: Marius Wolf zum Thema Mentalität

"Sehr schlecht" war die Nacht von Alexander Meyer. Der Ersatztorwart litt gegen Mainz auf der Bank mit. Er sei das Spiel im Kopf nochmal durchgegangen. "Das dauert auch noch ein paar Tage. Das muss auch so sein."

Mats Hummels: "Die Enttäuschung ist riesig, riesig, riesig"

Ein ganzes Jahr Arbeit sollte in schliesslich 96 Minuten gekrönt werden. Am Ende aber stand schwarz-gelbe Enttäuschung. Diese sei "riesig, riesig, riesig", wie es Mats Hummels formulierte. "Einordnen kann ich es noch nicht. Die Enttäuschung ist einfach riesengross." Der Publikumsliebling gehörte am Tag danach zu den umlagertsten Profis und nahm sich ausgiebig Zeit für jeden Autogramm- und Fotowunsch.

Anderen - wie Marco Reus, Torschütze Niklas Süle, Elfmeter-Fehlschütze Sebastian Haller oder Emre Can - war nicht danach zumute, mit den Fans in Kontakt zu treten. Sie gaben Gas und entschwanden in die Sommerpause.

Sie werden sich Gedanken machen und irgendwann vorbereiten auf den nächsten Angriff auf den FC Bayern München. Ob der mit dem von Real Madrid umworbenen Jude Bellingham stattfinden wird, vermochte der in der Fanarbeit ebenfalls geduldige Sportdirektor Sebastian Kehl nicht zu sagen. Er hatte aber registriert, wie eindringlich ihn der Anhang bat, Bellingham zu halten - und sei es, wenn sie dafür das sprichwörtlich letzte Hemd geben müssten. "Er ist ein grossartiger Spieler. Mal sehen, was passiert", lautete Kehls Statement. Und er gab zu, "viel Alkohol" habe in den Stunden davor "geholfen", der sportlichen Niederlage im Titelrennen zu begegnen.

Lesen Sie auch: Dortmunds Schmerz wird lange bleiben

Edin Terzic war nicht nach Reden zumute

So hatten es offensichtlich auch zahlreiche Fans in der Nacht nach dem brutalen Saisonende gehalten. Dies verriet der Blick auf das Treiben in und um die Kneipen in der Innenstadt. Zwei Stunden nach Spielende war dem tief gefrusteten Anhang ebensowenig zum Reden zumute gewesen wie dem Cheftrainer, den die Fans von der Südtribüne aus feierten und somit kollektiv in ihre Arme schlossen. Tags darauf auf seine Gefühle dabei angesprochen, wehrte Terzic ab: "Lass' uns Fotos machen, okay?" und widmete sich am Trainingsgelände wieder den Mutmachern.

Es gilt, wieder aufzustehen. "Dafür sind wir schon lange genug dabei", merkte Brandt an, und Meyer versprach: "Wenn die Sommerpause rum ist, haben wir wieder das Ziel, oben mitzuspielen." Die Sehnsucht nach der ersten Meisterschaft seit 2012 bleibt riesig, ist aber zum elften Mal in Folge nicht gestillt worden.

Heftige Reaktion auf die Reaktion des FC Bayern

Und manchem Fan ist der Glaube daran vorläufig abhanden gekommen. Wie jenem, der dem Verfasser dieses Artikels zwei Stunden nach Spielende in einem griechischen Imbiss in aller Deutlichkeit sagte: "Die Bayern, die Drecksäcke, entlassen ihren Vorstand und freuen sich nicht mal richtig über den Titel."

Er nahm sich sein bestelltes Essen und verabschiedete sich von der Bedienung hinter dem Tresen mit den Worten: "Bis zur nächsten Saison - wenn wir wieder Vizemeister werden."

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.