Erik Meijer analysiert seit Jahren die Bundesliga für Sky. Der Niederländer studiert den Fussball von Borussia Dortmund und des FC Bayern genau. Und er erklärt im Interview vor dem Bundesliga-Topspiel (Samstag, 18:30 Uhr), warum der BVB nicht chancenlos ist.
Herr Meijer,
Erik Meijer: Wenn du auf Platz eins stehst, ist dieses Selbstbewusstsein normal. Ich bin aber nicht zu 100 Prozent derselben Meinung wie Hoeness. Ich denke schon, dass Dortmund eine sehr gute Mannschaft hat. Selbst wenn sie ihre ganze Qualität, die sie im Kader haben, abrufen, ist ein Unterschied zu Bayern München da. Ja. Jedoch befinden sich die Dortmunder auf derselben Ebene wie Bayer Leverkusen und RB Leipzig.
Anders gefragt: Unterschätzt Uli Hoeness Borussia Dortmund?
Er unterschätzt sie nicht. Hoeness hat ein sehr grosses Selbstvertrauen. Bayern München als Klub natürlich auch. Das können sie auch haben, weil sie unglaublich gut spielen. Ich verstehe Hoeness. Er musste letzte Saison schlucken, weil es da jemanden gab (Meister Leverkusen, d. Red.), der besser war. Das ist schwierig für ihn. Aber das hat Bayern so sehr irritiert, dass sie in dieser Saison in der Bundesliga durchmarschieren werden.
Erik Meijer lobt Bayern-Trainer Vincent Kompany
Der FC Bayern wird Ihrer Meinung nach also sicher Deutscher Meister?
Ja.
Weil der neue Trainer
Ja. Er hat es irgendwie geschafft, das Zwischenmenschliche auf eine höhere Ebene zu bekommen. Er definiert in seinen Ansagen ganz klar, wie er spielen möchte, was seine Taktik ist, und wie er über Fussball denkt.
Kompany wirkt in Interviews sehr bodenständig, beinahe zurückhaltend.
Ich denke, dass er das rüberbringt, was er schon als Topspieler an Eigenschaften hatte. Er war besonnen, ein natürlicher Leader. Er kommt so rüber, dass er genau weiss, was er will. Und das bringt er auf eine sehr sachliche Art rüber.
Kompany lässt ein sehr hohes Pressing spielen. Es gab Kritik, dass der 38-jährige Belgier dafür die Restverteidigung opfere. Hat er das in den Griff bekommen?
Die Jungs müssen das in den Griff bekommen. Sie müssen auf dem Platz die Meter machen. Bayern München ist am letzten Spieltag 124,9 Kilometer gelaufen, obwohl sie fast 80 Prozent Ballbesitz hatten. Das zeigt, dass alle Spieler so spielen wollen, wie es der Coach vorgibt. Wenn das in den Köpfen der Spieler ankommt, hast du weniger Probleme mit der Restverteidigung. Der Gegner hat dann gar nicht die Chance, in Konterchancen zu kommen.
BVB gegen den FC Bayern: Meijer benennt Chance für Dortmund
Liegt im Umschaltspiel trotzdem die grosse Chance des BVB? Bayerns Innenverteidiger Min-jae Kim und Dayot Upamecano hatten mit solchen Kontersituationen immer wieder zu kämpfen. Und Dortmund hat mit Maximilian Beier, Donyell Malen und Jamie Gittens sehr schnelle Angreifer.
Sicherlich. Für Dortmund ist die Schnelligkeit der eigenen Offensive sehr wichtig. Sie müssen das Pressing des FC Bayern überspielen. Ob mit einem langen Ball, einem Dribbling oder einem Doppelpass. Die Dortmunder müssen es schaffen, über diese Pressinglinie zu kommen.
Ist es dagegen taktisch nicht zu riskant, den Bayern den Ball zu überlassen?
Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn Bayern sehr viel den Ball hat. Wenn du sehr gute Umschaltspieler hast, ist es vielleicht sogar gewollt, dass Bayern München viel den Ball hat, sodass Dortmund schnell umschalten kann. Wenn Bayern hochsteht, heisst das, dass es viel Platz im Rücken der Verteidiger gibt. Und worin ist Dortmund gut? In diesen Räumen hinter der Abwehrkette. Dortmund erhofft sich, so gegen Bayern München spielen zu können. Wenn es Platz gibt, kann der BVB profitieren.
Sollte Dortmund München im eigenen Stadion also den Ballbesitz überlassen?
Wenn Bayern sein sehr dominantes Spiel aufzieht, bist du gezwungen, sehr tief zu verteidigen. Das ist nun mal so, wenn der Gegner so ballsicher ist, wie es die Bayern sind. Das passiert. Aber es ist nicht so schlimm, wenn du weisst, wie du dich aus diesem Schlamassel lösen kannst. Diese Waffen hat Dortmund, sie müssen sie nur ziehen.
Bundesliga-Klassiker: Sky-Experte glaubt an BVB-Chance gegen Bayern
Bayern war zuletzt extrem dominant und hat in sieben Pflichtspielen in Folge kein Gegentor kassiert. Warum kann es Ihrer Ansicht nach trotzdem ein ausgeglichenes Topspiel werden?
Jedes Spiel zwischen Dortmund und Bayern hat eigene Regeln. Bayern München ist in den vergangenen Jahren öfter als Sieger vom Platz gegangen. Aber ich sehe immer noch 22 Spieler von allerhöchstem Niveau auf dem Platz. Ich freue mich enorm auf das Spiel, weil ich gespannt bin, ob der BVB den Bayern echte Probleme bereiten kann. Ich hoffe, dass das so kommt. Denn dann habe ich als neutraler Zuschauer ein super Spiel und bin ein zufriedener Mann.
Über den Gesprächspartner
- Erik Meijer ist ein ehemaliger niederländischer Fussballspieler. Der heute 55-Jährige spielte in der Bundesliga für den KFC Uerdingen (1995 – 1996), Bayer Leverkusen (1996 – 1999), den Hamburger SV (2000 – 2003) und Alemannia Aachen (2003 – 2006). Mit Leverkusen wurde der einstige Stürmer 1997 und 1999 deutscher Vize-Meister, mit Aachen stand er 2004 im DFB-Pokal-Finale gegen Werder Bremen (2:3). Seit Jahren analysiert Meijer für den TV-Rechte-Inhaber Sky Spiele der Fussball-Bundesliga.
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