Gerät das Saisonziel eines Fussballvereins in Gefahr, fliegt in aller Regel der Trainer. Aber ist das wirklich sinnvoll? Studien und Experten lassen das bezweifeln.

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Vergangenes Wochenende traf es Trainer Nummer 4: Der FC Ingolstadt stellte Markus Kauczinski frei. Zuvor hatte sich in der laufenden Spielzeit bereits der VfL Wolfsburg von Dieter Hecking getrennt, der Hamburger SV von Bruno Labbadia und der SV Werder Bremen von Viktor Skripnik. Bei Misserfolg scheinen die Vereine keine andere Massnahme als Trainerentlassungen zu kennen.

Immerhin gibt es einige Erfolgsbeispiele: Andre Schubert übernahm vergangene Saison Borussia Mönchengladbach, als der Verein die ersten fünf Saisonspiele verloren hatte. Schubert legte mit der Borussia sechs Siege in Folge hin und führte die "Fohlen" in die Champions League.

Viele Trainerwechsel verpuffen

Auch die TSG Hoffenheim hatte mit ihrem letzten Trainerwechsel Erfolg. Julian Nagelsmann sicherte dem Verein letzte Saison den Klassenerhalt. Aktuell steht er mit der TSG auf dem dritten Tabellenplatz. Die Regel ist das allerdings nicht. Viele Trainerwechsel verpuffen.

Die Universität Münster veröffentlichte eine grosse Studie zu Trainerentlassungen. Untersucht wurden 150 Trainerwechsel in der Fussball Bundesliga aus den Jahren 1963 bis 2009. Prof. Dr. Bernd Strauss erklärte danach gegenüber center tv Münster: "Auf dem Hintergrund mangelnder Punkte oder mangelnder Ergebnisse machen Trainerentlassungen typischerweise keinen Sinn. Ob man einen Trainer entlässt oder mit ihm weiterarbeitet, ist für die folgenden Ergebnisse reichlich egal."

Prof. Dr. Daniel Memmert von der Deutschen Sporthochschule Köln bekräftigt diese These. "Für eine Untersuchung im Fussball wurden über viele Spielzeiten hinweg die letzten fünfzehn Spiele von alten Trainern mit den ersten fünfzehn Spielen von neuen Trainern verglichen und in der Punkteausbeute war durchschnittlich kein Unterschied auszumachen", verriet er im Gespräch mit handball-world.

Sind die Entlassungen nur Aktionismus?

Der Sportpsychologe Jens Kleinert hält viele Trainerentlassungen für puren Aktionismus. "Oft fühlen sich die Vereine und Vorstände von den Medien und Fans dazu gedrängt, ihren Coach zu entlassen", verriet er im Interview mit dw.com. "Es wird nicht immer im Sinne der Mannschaft oder der Leistung entschieden, sondern es ist ein sehr komplexes Gefüge. Denn gerade in einer Krisensituation muss sich ein Vorstand als handlungsfähig und aktiv beweisen."

Laut dem Psychologen bringt ein Trainerwechsel nur etwas, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Spielern und Trainer zerstört ist. Wenn die Spieler dem Trainer also nicht mehr zutrauen, die Mannschaft richtig einzustellen. Doch dies sei eine spezielle Situation, die gar nicht so häufig auftrete.

Kein Trainer kann seiner Mannschaft innerhalb weniger Tage ein Spielsystem vermitteln. Trainerwechsel können höchstens einen psychologischen Wert haben. Kleinert erklärt: "Es entsteht eine neue Situation. Das kann natürlich so einen Abstiegsstrudel, so eine Serie von Misserfolgen durchbrechen. Das spielt sich sehr stark im Kopf der Spieler ab."

Heiko Westermann: "Es geht nicht um ein System"

Werden Spieler auf den neuen Trainer angesprochen, äussern sie sich meist positiv. Es sei ein Ruck durch die Mannschaft gegangen, alle würden nun an einem Strang ziehen - so lauten die typischen Aussagen. Andere Statements würden die Vereine auch nicht akzeptieren.

Frei sprechen können die Spieler erst, wenn sie den Verein verlassen haben. Dann zeigt sich ihre wahre Meinung. Heiko Westermann hatte beim Hamburger SV elf verschiedene Trainer in fünf Jahren. Im Interview mit Spox sagte er: "Durchschnittlich erhielt ich jedes halbe Jahr neue Anweisungen und das mitten im Abstiegskampf. Es ging nicht mehr um ein System, sondern um reinen Ergebnis-Fussball." Der ehemalige Nationalspieler bezeichnet Trainerrotationen als ein grosses Problem für Spieler und Vereine.

Der U-Nationalspieler Timo Werner erlebte beim VfB Stuttgart sechs verschiedene Trainer innerhalb von drei Jahren und sagte im Gespräch mit dfb.de: "Es wäre sicherlich schöner gewesen, über mehrere Jahre einen Trainer zu haben. Viele Trainerwechsel machen es einem jedenfalls nicht leichter, denn meist möchte jeder auch wieder etwas Anderes von einem."

Die Vereinschefs dürften über solche Aussagen hinweglesen. Weitere Trainerentlassungen sind nur eine Frage der Zeit. Andre Schubert steht in Gladbach bereits in der Kritik. Auch der neue HSV-Trainer Markus Gisdol könnte seinen Kredit bald verspielt haben.

Laut Transfermarkt.de gibt es während einer Bundesligasaison durchschnittlich 8,3 Trainerwechsel. Der Rekord datiert aus der Spielzeit 2011/12 mit 15 Trainerwechseln. Nicht ausgeschlossen, dass bald eine neue "Bestmarke" aufgestellt wird.

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