Ein bayerisches Monster frisst sich durch die Liga, Montage sind uns persönlich völlig egal - und der Fussballgott hat auch den letzten Funken Anstand verloren. Unsere - wie immer nicht ganz ernst gemeinten - Lehren des 23. Spieltags der Bundesliga.
1. Lehre: Dem Fussballgott sind die Fans egal
In Köln hängen sämtliche Fahnen auf Halbmast. Eigentlich ist das zu dieser Jahreszeit auch überhaupt nicht verwunderlich.
Schliesslich ist der Karneval seit einigen Tagen zu Ende. Die Jecken motten ihre Kostüme wieder ein - und der Kölsch-Konsum in den Kneipen sackt urplötzlich in lange nicht mehr gesehene Tiefen ab.
In dieser ohnehin schon harten Phase macht dann auch noch zu allem Überfluss der ortsansässige 1. Fussballklub den Kölnern das Leben zur Hölle.
Dabei zeigte der "Effzeh" beim 1:1 gegen Hannover 96 am Samstag eine durchaus ansprechende Leistung.
Der Tabellenletzte drängte am Ende auf drei Punkte und belohnte sich in Person von
Allerdings hatte sich der Fussballgott zuvor entschlossen, Einfluss auf diese entscheidende Szene zu nehmen. Er sorgte dafür, dass Vorbereiter Marcel Risse ein kleines Stück ins Abseits lief, ehe er auf Pizarro flankte.
Und wen hatte der DFB zu Beginn der Saison etabliert, um solche Winks des Allmächtigen zuverlässig zu erkennen? Natürlich den lieben Videobeweis.
Der machte sich umgehend ans Werk und die grenzenlose Freude im Rheinenergiestadion wurde mit der Entscheidung, das Tor nicht anzuerkennen, im Keime erstickt.
Für den 1. FC Köln war es aus rein sportlicher Sicht eine Katastrophe. Der Abstand zum Relegationsplatz beträgt inzwischen wieder satte neun Punkte - und am nächsten Spieltag steht die schwierige Auswärtsfahrt nach Leipzig an.
Noch bedenklicher stimmt allerdings der emotionale Aspekt der ganzen Geschichte. Zumindest sollte jeder auch nur annähernd fussballinteressierte Mensch nachvollziehen können, welche Gefühle bei einem Siegtreffer in letzter Sekunde frei werden.
Ob es der richtige Ansatz ist, den Fans derart intensive Momente zugunsten einer richtigen Schiedsrichter-Entscheidung zu entreissen? Wahnsinnig schwer zu beantworten ...
2. Lehre: Eiskunstläufer Reus ist der Untergrund egal
Aus deutscher Sicht war die sagenhafte Goldmedaille der Eiskunstläufer
Mit einer emotionalen Weltrekord-Kür holten die beiden einen riesigen Rückstand nach dem Kurzprogramm auf und sicherten sich am Ende sensationell doch noch den Titel.
Dass diese Sportart mit Bundesliga-Fussball mehr zu tun hat als man denken könnte, bewiesen am Sonntagabend die beiden Borussias aus Mönchengladbach und Dortmund.
So mancher Eiskunstläufer wurde angesichts der dargebotenen Pirouetten von Mario Götze, Christoph Kramer und Co. mit Sicherheit neidisch.
Grund war der Untergrund im Gladbacher Borussia-Park. Die katastrophalen Platzverhältnisse machten beiden Teams extrem zu schaffen.
Man wurde den Eindruck nicht los, dass einige Akteure mit Kufen unter den Fussballschuhen besser zurechtgekommen wären.
Den Dortmunder Siegtorschützen
Nach dem Spiel gab er sich im Sky-Interview gelassen: "Der Platz war nicht so gut", erklärte der 28-Jährige und lieferte so die Untertreibung des Jahres.
Rein sportlich war es für Marco Reus der nächste Schritt zurück nach langer verletzungsbedingter Leidenszeit.
Sein Trainer Peter Stöger lobte den Matchwinner nach der Partie. Für ihn stehe ausser Frage, dass er, sofern er gesund bleibt, auch bei der Weltmeisterschaft im Sommer dabei sein werde.
Ob nach der Fussball-WM in Russland als nächstes Winter-Olympia 2022 in Peking für Reus infrage kommt, bleibt abzuwarten. Noch ist über eine mögliche endgültige Umschulung zum Eiskunstläufer leider nichts bekannt.
3. Lehre: Der Bundesliga-Montag ist uns völlig egal
Als aufmerksamer Leser der Lehren des Spieltags wird Ihnen längst aufgefallen sein, dass dieses Format - irgendwie logischerweise - immer nach der vollständigen Beendigung der jeweiligen Bundesliga-Runde veröffentlicht wird - meistens im Laufe des Montagmorgens.
Als aufmerksamer Fussballfan wird Ihnen aber genauso aufgefallen sein, dass der 23. Spieltag eigentlich noch gar nicht beendet ist.
Erst heute Abend ab 20:30 Uhr machen Eintracht Frankfurt und RB Leipzig den Deckel drauf auf das erste XXL-Fussball-Wochenende der laufenden Saison.
Bundesliga am Montagabend - klingt komisch, wird aber tatsächlich so stattfinden. Doch wofür soll das eigentlich gut sein?
Von Seiten der DFL ist die Idee ganz klar: "Die Montagsspiele wurden mit Zustimmung der Klub-Vertreter zur Vermeidung von Donnerstag-Samstag-Ansetzungen der Europa-League-Starter und zum Schutz des Amateur-Fussballs am Sonntag eingeführt", erklärte DFL-Chef Christian Seifert in der "Bild am Sonntag".
Naja, klingt vernünftig. Doch es bleibt die Frage, ob sich irgendjemand auch mal Gedanken darüber gemacht hat, was diese Massnahme für die Fans der betroffenen Mannschaften bedeutet.
Intensive Proteste sind für heute Abend in jedem Fall angekündigt. Eintracht-Anhänger wollen auf Anfeuerungen des eigenen Teams verzichten, dafür bei Leipziger Aktionen umso lauter schreien und pfeifen.
Man wolle keine "farbenfrohe und lautstarke Kulisse liefern" und somit auch keine "wirksame Vermarktung des Produkts Bundesliga ermöglichen", hiess es im Vorfeld aus dem Frankfurter Fan-Lager.
Und warum die ganze Aufregung? Es scheint als hätte den Grund tatsächlich nur ein einziger direkt Beteiligter wirklich kapiert, nämlich Eintracht-Trainer Niko Kovac.
"Man muss die Kritik der Fans verstehen. Die Leute müssen arbeiten und haben deshalb schwierige An- und Abfahrtsprozeduren", sagte dieser am Sonntag. Na halleluja, Herr Kovac. Danke fürs Mitdenken!
Uns Autoren der Lehren des Spieltags bleibt natürlich nichts anderes übrig als die neuen Anstosszeiten zu akzeptieren. Als kleiner Protest gegen den Unfug gibt es diesen Artikel trotzdem schon wie gewohnt VOR Montagabend.
Nur ein kleines Zeichen freilich, aber irgendwie fühlt es sich richtig an.
4. Lehre: Dem FC Bayern ist sowieso alles egal
Dass es auch ohne irgendwelche Wut auf Videoassistenten, Fussballgötter, Platzverhältnisse oder Anstosszeiten geht, bewies mal wieder der deutsche Rekordmeister aus München.
Wie ein gefrässiges, nimmersattes Monster fällt der FC Bayern nach wie vor über alles her, was nicht bei drei auf den Bäumen ist - jüngstes Opfer war beim 2:1-Auswärtserfolg am Samstag der VfL Wolfsburg.
Dass der Tabellenführer beim Tabellen-14. drei Punkte einfährt, erscheint dabei auf den ersten Blick alles andere als überraschend. Was dem Rest der Liga allerdings zu denken geben sollte, ist die Art und Weise, wie es dazu gekommen ist.
Denn eigentlich sollte man meinen, dass es der designierte Meister ruhig angehen lassen könnte. Ein Remis oder sogar eine Niederlage in Wolfsburg hätten auf den Ausgang der Saison aller Voraussicht nach überhaupt keinen Einfluss gehabt.
Unglaubliche 19 Punkte beträgt momentan der Vorsprung auf "Verfolger" Borussia Dortmund. Heute Abend kann Leipzig nochmal für mehr "Spannung" sorgen und auf 18 Punkte herankommen.
Doch was macht das Team von Jupp Heynckes? Es stemmt sich nach einer bemerkenswert schwachen ersten Halbzeit gegen den VfL mit aller Macht gegen die Pleite - als wäre die Bundesliga tatsächlich spannend.
Sandro Wagner jubelt nach seinem Ausgleichstreffer ausgelassen, danach kämpft die Mannschaft verbissen und mit hoher Aggressivität um die drei Punkte.
Am Ende belohnen sich die Bayern mit dem Siegtreffer durch Robert Lewandowski. Das Spannendste an seinem Tor sind jedoch die Sekunden danach.
Das Team rennt geschlossen Richtung Fankurve und feiert den Erfolg völlig frenetisch - ein bisschen als hätte man gerade den Einzug ins Finale der Champions League perfekt gemacht.
Thomas Müller brachte es nach der Partie am Sky-Mikrofon auf den Punkt: "Dieser Wille, Spiele gewinnen zu wollen, obwohl es vermeintlich vorne nicht mehr spannend wird, das macht einfach Spass. Die Mannschaft ist einfach geil."
Es ist bitter für alle anderen Bundesligisten, doch solange sich an dieser von Müller beschriebenen, aussergewöhnlichen Einstellung nichts ändert, scheint eine Veränderung der Machtverhältnisse im deutschen Fussball nur schwer vorstellbar.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.