Weil ein Berliner seinem Torhüter den Ball aus den Händen tritt, kassiert Hertha BSC ein kurioses, aber regelkonformes Gegentor. In Freiburg und Hannover wundert man sich derweil über das Ergebnis des Videobeweises.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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Viel kurioser hätte das erste Tor am fünften Spieltag wohl kaum fallen können: In der Partie zwischen Werder Bremen und Hertha BSC (3:1) waren elf Minuten gespielt, da brachte der Bremer Verteidiger Theodor Gebre Selassie den Ball aus kurzer Entfernung aufs Tor der Gäste.

Der Berliner Fabian Lustenberger konnte einen Gegentreffer zunächst verhindern, indem er die Kugel mit dem Oberschenkel an die Latte lenkte. Herthas Torwart Rune Jarstein griff sich den herunterspringenden Ball. Doch Lustenberger, der schon zum Schuss ausgeholt hatte, trat ihn seinem Keeper versehentlich aus den Händen.

Der Bremer Martin Harnik bedankte sich für dieses Missgeschick und erzielte den Führungstreffer für die Hausherren.

Kurios – und regelkonform

Aber darf man seinem Schlussmann überhaupt den Ball aus der Hand schiessen? Wäre es der gegnerische Torhüter gewesen, hätte es schliesslich einen Freistoss für dessen Mannschaft gegeben.

Ausserdem heisst es in den Regeln unter der Überschrift "Spielfortsetzung nach Fouls und Vergehen" seit Sommer 2016: "Bei laufendem Spiel und einem Vergehen eines Spielers innerhalb des Spielfelds gegen einen Mitspieler: direkter Freistoss oder Strafstoss."

Mit "Vergehen" ist in diesem Fall allerdings nicht das klassische Foul gemeint, wie es im Zweikampf mit einem Gegner passiert, sondern beispielsweise eine Tätlichkeit. Lustenberger hatte also nichts Verbotenes getan.

Doch einmal angenommen, sein Fauxpas wäre ein Vergehen gewesen: Auch dann hätte das Bremer Tor gezählt. Denn dem Schiedsrichter wäre ja nichts anderes übrig geblieben, als einen Strafstoss zu geben. Da Harnik aber traf, wäre in diesem Fall die Vorteilsbestimmung angewendet worden, schliesslich kann aus einem Elfmeter auch nicht mehr resultieren als ein Tor. Im Weserstadion ist also alles mit rechten Dingen zugegangen.

Ungereimtheiten in Freiburg

Im Spiel zwischen dem SC Freiburg und dem FC Schalke 04 (1:0) kam es in der 76. Minute zu einem Zweikampf, der schmerzhaft für die Beteiligten ausging: Zunächst brachte der Schalker Mark Uth seinen Gegenspieler Roland Sallai im Mittelfeld zu Fall, dann landete der Fuss des Freiburgers in Uths Gesicht.

Der Unparteiische Frank Willenborg unterbrach die Partie wegen des Fouls des Schalkers, schien sich jedoch unsicher zu sein, welche persönlichen Strafen erforderlich sind, insbesondere für Sallai.

Er nahm Kontakt mit dem Video-Assistenten in Köln auf, danach verwarnte er beide Spieler. Das verwunderte: Hiess es nicht, dass es keinen Videobeweis bei gelbwürdigen Vergehen gibt? Hätte der Freiburger ausserdem nicht vom Platz gestellt werden müssen?

Freiburgs Sallai: Vorsatz oder Unfall?

In der Tat sollen die Schiedsrichter erst eine Entscheidung treffen, bevor der Video-Assistent die Szene überprüft und bei einem klaren, offensichtlichen Fehler eingreift. In Freiburg gab es die beiden Verwarnungen aber erst nach Abschluss des Checks.

Es waren allerdings keine Verwarnungen, die auf den Rat des Video-Assistenten zurückgingen. Dieser hatte vielmehr nur zu prüfen, ob ein rotwürdiges Vergehen vorlag und beantwortete diese Frage mit Nein.

Anscheinend hatte er Sallais Tritt in das Gesicht von Uth nicht als vorsätzlich bewertet, sondern lediglich als Unfall beim Versuch des Freiburgers, sich von Uth zu befreien, der mit den Armen auf Sallais Beine gefallen war.

Willenborg zog aus dieser Information den Schluss, dass beide Spieler mit der Gelben Karte bestraft werden müssen. Wenn man die Richtlinien des International Football Association Board (Ifab) zugrunde legt, hätten die Verwarnungen aber eigentlich vor der Überprüfung ausgesprochen werden sollen.

Füllkrug an klarer Torchance gehindert?

Ähnliches trug sich im Spiel von Hannover 96 gegen die TSG 1899 Hoffenheim (1:3) zu. Nach einer Hereingabe in den Strafraum der Gäste in der 53. Minute hielt Kevin Vogt den Hannoveraner Niclas Füllkrug kurz fest. Dieser konnte dadurch kurz vor dem Tor seinen Kopfball nicht mehr auf den Kasten der Hoffenheimer bringen.

Schiedsrichter Christian Dingert erkannte zu Recht auf Strafstoss, verhängte jedoch zunächst keine persönliche Strafe. Erst nach einer Kommunikation mit dem Video-Assistenten verwarnte er Vogt, was wie in Freiburg eigentlich vor der Kontaktaufnahme mit der Video-Zentrale in Köln hätte passieren sollen.

Nach jedem Elfmeterpfiff prüft der Video-Assistent automatisch, ob die Strafstossentscheidung eindeutig falsch ist. Diesmal musste er jedoch auch klären, ob eine Notbremse vorlag und es klar falsch war, Vogt für sein nicht ballorientiertes Vergehen keine Rote Karte zu zeigen.

Viel Glück für Kevin Vogt

Das verneinte der Video-Assistent, weil er nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob sich für Füllkrug ohne das Foul eine hundertprozentige Torchance ergeben hätte.

Seine Mitteilung an Dingert durfte laut IFAB-Protokoll allerdings nicht lauten, dass es eine Verwarnung geben muss, sondern nur, dass eine Rote Karte nicht infrage kommt.

Der Schiedsrichter zog daraus die Konsequenz, Vogt lediglich wegen der Verhinderung eines aussichtsreichen Angriffs die Gelbe Karte zu zeigen.

Dass er das nicht auf die Empfehlung des Video-Assistenten hin tat, war auch daran zu erkennen, dass er nicht die Umrisse eines Monitors als Signal für eine Entscheidungsänderung durch den Videobeweis in die Luft zeichnete.

Noch mehr Glück für Kevin Wimmer

Um einen Platzverweis kam in derselben Partie auch der Hannoveraner Kevin Wimmer herum: Nach 34 Minuten verlor er etwa 40 Meter vor dem eigenen Tor als letzter Feldspieler der Niedersachen in zentraler Position den Ball beim Spielaufbau an Adam Szalai und riss den Hoffenheimer Angreifer danach durch einen Griff an dessen Hose zu Boden.

Szalai hätte freie Bahn zum Tor gehabt, denn man muss bezweifeln, dass ein Feldspieler der Hannoveraner ihn noch hätte stoppen können. Damit wäre eigentlich ein Feldverweis fällig gewesen.

Doch Dingert hatte kein Vergehen wahrgenommen und deshalb weiterspielen lassen. Auch der Video-Assistent intervenierte nicht, was man angesichts der Videobilder mindestens fragwürdig finden kann.

Denn hier spricht viel dafür, dass der Schiedsrichter einen klaren und offensichtlichen Fehler begangen hatte.

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