Mal wieder führen an diesem Bundesliga-Spieltag einige Eingriffe der Video-Assistenten für Aufregung, etwa beim Spiel der Bayern in Mainz. Das liegt auch daran, dass die Schwelle für das Eingreifen unterschiedlich interpretiert werden kann - hier täte mehr Transparenz gut.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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Etwas verwundert waren sie schon beim FC Bayern München, als Schiedsrichter Harm Osmers im Spiel gegen den 1. FSV Mainz 05 nach 33 Minuten aus der Review-Area zurückkehrte und entschied: Thiagos Tor zum 1:0 für die Münchner wird annulliert, weil Robert Lewandowski zuvor Pierre Kunde gefoult hat.

Hatte der Unparteiische dieses Duell denn nicht im Blick und als fair bewertet? War dieses Urteil wirklich völlig falsch? Überschritt der Video-Assistent nicht seine Befugnisse, als er Osmers dazu riet, die Entstehung des Tores selbst noch einmal zu überprüfen?

In den Richtlinien des International Football Association Board (Ifab) heisst es, dass der Video-Assistent nur eingreifen darf, wenn er einen klaren und offensichtlichen Fehler des Schiedsrichters feststellt – und ausserdem, wenn "ein schwerwiegender Vorfall 'übersehen', d.h. von den Spieloffiziellen nicht wahrgenommen wurde".

Bei diesem Zusatz dürften die Regelhüter zwar vor allem grobe Regelwidrigkeiten wie Tätlichkeiten hinter dem Rücken des Schiedsrichters im Kopf gehabt haben. Aber die Formulierung schliesst auch Situationen ein, in denen der Unparteiische ein Vergehen nicht bemerkt, obwohl er auf die Szenerie geschaut hat.

Gerade wenn Schiedsrichter sich sehr dicht an einem Duell befinden, das buchstäblich mit Händen und Füssen geführt wird, können sie sich naturgemäss häufig nur auf eine Körperregion konzentrieren. Also beispielsweise auf mögliche Vergehen im Bereich des Oberkörpers achten oder auf potenzielle Verstösse mit den Füssen - aber nicht auf beides.

Warum Thiagos Tor zurückgenommen wurde

Denkbar ist daher, dass Harm Osmers beim Zweikampf zwischen Lewandowski und Kunde darauf fokussiert war zu beobachten, was sich in der oberen Etage tat – nichts Verbotenes nämlich – und ihm deshalb der heftige Fusseinsatz des Münchners entging.

Anders ist der Eingriff des Video-Assistenten jedenfalls kaum zu erklären. Denn sollte Osmers den Kontakt zwischen Lewandowskis und Kundes Fuss wahrgenommen und für regulär befunden haben, wäre das eine zumindest nachvollziehbare Entscheidung gewesen.

In solchen Situationen gleicht der Video-Assistent seine Wahrnehmung mit der des Schiedsrichters ab. Ergibt sich dabei, dass Letzterer ein mögliches Vergehen gar nicht bemerkt hat, rät ihm Ersterer zu einem Review an der Seitenlinie.

Der in dieser Hinsicht bekannteste Fall dürfte sich im Endspiel der Weltmeisterschaft im Sommer zwischen Frankreich und Kroatien zugetragen haben, als der Ball im kroatischen Strafraum von Ivan Perišićs Arm ins Toraus sprang. Hätte Schiedsrichter Néstor Pitana dieses grenzwertige Handspiel gesehen und als nicht strafwürdig beurteilt, wäre der Video-Assistent wohl nicht eingeschritten.

Da der Unparteiische es aber gar nicht wahrgenommen hatte, wurde ihm – weil ein Elfmeter im Bereich des Möglichen lag – ein Review empfohlen. Tatsächlich gab es dann auch den Strafstoss für Frankreich.

War Haraguchis Handspiel wirklich strafbar?

Auf den ersten Blick ähnlich erschien der Fall im Spiel zwischen Hannover 96 und dem FC Augsburg (1:2), als die Gäste nach rund einer Stunde und einer Intervention des Video-Assistenten einen Handelfmeter zugesprochen bekamen.

Schiedsrichter Robert Kampka hatte aus günstigem Blickwinkel beobachtet, wie Genki Haraguchi den Ball im eigenen Strafraum mit der Hand gespielt hatte, und zuerst abgewinkt.

Dafür gab es gute Gründe: Haraguchi wollte den Ball aus der Gefahrenzone schlagen und kam gegen Daniel Baier einen Moment zu spät. Er hatte jedoch schon zum Schuss angesetzt und seine Arme dabei so gehalten, wie man sie eben hält, wenn man schiessen will.

Gegen einen dieser Arme flog der von Baier aus kurzer Distanz geschossene Ball. Dem ZDF zufolge sagte Kampka später, er habe bei der Betrachtung der Wiederholungen in der Review Area eine deutlich andere Wahrnehmung gehabt als noch auf dem Feld.

Gesehen habe er das Handspiel zwar, es aber zunächst nicht als strafbar eingestuft. War das tatsächlich so unzweifelhaft falsch, dass der Video-Assistent sich einmischen musste? Das kann man durchaus verneinen.

Insua fliegt erst nach dem Videobeweis

Zweifellos richtig war hingegen die Intervention, die in der Partie zwischen der TSG Hoffenheim und dem VfB Stuttgart (4:0) nach gerade mal acht Minuten zu einer Roten Karte für Emiliano Insua führte.

Der Stuttgarter hatte seinen Gegenspieler Pavel Kaderabek beim reichlich ungestümen Versuch, den Ball zu erreichen, mit dem Fuss am Kopf getroffen. Schiedsrichter Frank Willenborg pfiff auch, zeigte jedoch überraschend keine Karte. Das änderte sich nach dem On-Field-Review, und das war auch richtig so.

Warum es eine halbe Stunde später einen weiteren Eingriff des Video-Assistenten gab, war dagegen weniger klar. Denn das Foulspiel des Stuttgarters Santiago Ascacibar gegen Florian Grillitsch war mit der Gelben Karte nicht eindeutig falsch geahndet. Der Unparteiische blieb deshalb nach der Sichtung der Bilder bei seiner Entscheidung.

Von diesem Spieltag bleibt die Erkenntnis: Mit dem Wissen, dass der Video-Assistent in überprüfbaren Situationen nicht nur bei klaren, offensichtlichen Fehlentscheidungen eingreift, sondern auch bei übersehenen möglichen Vergehen, versteht man manchen zunächst unverständlich scheinenden Eingriff zumindest eher.

Die Trennschärfe zwischen dem einen und dem anderen ist allerdings nicht besonders ausgeprägt und manchmal ist eine Intervention auch einfach unnötig. Transparenz wäre hier eine gute Sache, zumal sie bessere Akzeptanz schaffen würde.

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