Nach einem Gipfeltreffen von 15 Klubs sieht Karl-Heinz Rummenigge weiterhin schwierige Aufgaben, die der Fussball in Deutschland meistern muss. Er fordert den DFB zu zügigen Reformen auf und sichert der Nationalmannschaft "ohne Wenn und Aber" Unterstützung zu.

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Karl-Heinz Rummenigge sieht die Fussball-Bundesliga in Corona-Zeiten weiterhin vor grossen Herausforderungen. Nach dem Gipfeltreffen von Spitzenklubs appellierte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern an die Solidarität, die zu Beginn der Krise noch in der Branche gerühmt worden war.

"Es ist wichtig, dass wir diesen Spirit, der uns im April ausgemacht und der den Re-Start der Bundesliga möglich gemacht hat, aufrecht halten. In diesen schweren Zeiten müssen wir gemeinsam und loyal zusammenarbeiten, um am Ende des Tages das wieder hinzubekommen, was wir uns sehr wünschen: Zuschauer in den Stadien", sagt Rummenigge im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Der 65-Jährige berichtet im Gespräch mit der dpa vom Treffen der 15 Klubs am Mittwoch in Frankfurt/Main. Rummenigge fordert den DFB auf, seine Strukturreform und den Professionalisierungsprozess "zügig" durchzuführen. Er weist zudem auf die schwere Suche für den Nachfolger des 2022 scheidenden DFL-Chefs Christian Seifert hin.

Wie blicken Sie auf das Treffen der 15 Profiklubs in Frankfurt zurück?

Karl-Heinz Rummenigge: Das Treffen hat mir sehr, sehr gut gefallen. Es ist sehr harmonisch, sehr loyal und sehr fruchtbar verlaufen. Es herrschte eine gute Atmosphäre von der ersten Sekunde bis zum Schluss. Man hat gespürt, dass sich alle Teilnehmer der Verantwortung und Tragweite bewusst gewesen sind. Wir haben ehrlich und detailliert diskutiert, das empfand ich durchweg positiv.

Welche inhaltlichen Ergebnisse und Rahmenpunkte gab es nach dem rund dreistündigen Treffen?

Zum einen haben wir über den DFB gesprochen. Wir fordern den Verband auf, seine Strukturreform und den von Präsident Fritz Keller eingeleiteten Professionalisierungsprozess zügig durchzuführen. Das Ziel muss sein, den DFB wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen – und den Fokus wieder mehr auf den gespielten Fussball, besonders auf die Nationalmannschaft legen zu können.

Die Liga hat ein grosses Interesse daran, dass die Nationalmannschaft erfolgreich ist und ein gutes Bild abgibt. Die Nationalmannschaft muss im Zentrum stehen. Wir sind bereit, wo auch immer gewünscht, dazu auch unseren Beitrag zu leisten.

Wie könnte dieser Beitrag aussehen?

Die Bundesliga ist bereit, den DFB ohne Wenn und Aber bei der Nationalmannschaft zu unterstützen. Coronabedingt beinhalten Länderspielpausen jetzt jeweils drei Spiele, das haben wir akzeptiert, denn diese Zeiten sind für alle schwierig. Im Übrigen auch für die Amateure, die man bei der ganzen Diskussion nicht vergessen darf. Wir müssen den deutschen Fussball gemeinsam durch diese schwere Zeit bringen.

Wie haben Sie über die Nachfolge von Christian Seifert gesprochen, der die DFL Mitte 2022 verlässt?

Wir werden den Aufsichtsrat der DFL bei der Suche unterstützen. Sowohl in der Frage, wie die personelle als auch wie die strukturelle Gestaltung aussehen wird. Wir sehen die Personalie beim zuständigen Aufsichtsrat richtig angesiedelt an.

Wir sind uns alle einig, dass es ohne Frage sehr schwierig sein wird, Christian Seifert nach der langen Zeit an der Spitze der DFL zu ersetzen. Er hat es in diesem Jahr noch einmal bewiesen, was er alles leisten kann. In dieser Corona-Krise hat er unter anderem mit seinem letzten zu verantwortenden TV-Vertrag einen grossartigen Job zum Wohle der 36 Clubs der ersten und zweiten Liga gemacht.

Auf die Nennung von möglichen Nachfolgekandidaten dürften Sie angesichts der noch knapp zweijährigen Amtszeit von Seifert noch verzichtet haben.

Wir haben ganz bewusst darauf verzichtet, über einen Namen X zu sprechen. Wir wollen da keine Personalpolitik betreiben oder über Namen diskutieren. Diese Angelegenheit ist Sache des DFL-Aufsichtsrats. Es ist ja noch über ein Jahr Zeit, bis der Vertrag ausläuft. Es besteht kein Druck, die beste Entscheidung zu treffen.

Inwieweit ging es auch um das Impuls- oder Positionspapier der nicht geladenen Klubs?

Wir sind irritiert, dass vier Bundesligisten und zehn Zweitligisten ein solches Impulspapier aufgesetzt und versandt haben. Damit haben sie sich aus unserer Sicht in der Solidargemeinschaft DFL in diesem Punkt separiert, weil in dieser Frage das DFL-Präsidium exklusiv die Entscheidungshoheit hat.

Es liegt auf der Hand, dass man mit dem Impulspapier über die Öffentlichkeit Einfluss auf das DFL-Präsidium nehmen wollte, um Umverteilungen zulasten der grösseren und erfolgreicheren Klubs vorzunehmen.

Es hat uns nicht nur irritiert, sondern auch sehr verwundert, dass dies von kleineren Klubs wie Mainz, Bielefeld und auch vielen Zweitligisten unterschrieben wurde. Es war immer ein wichtiges Gut, dass alle 36 Klubs gut, loyal und harmonisch zusammen gearbeitet haben. Es ist das erste Mal, dass sich Klubs ausserhalb dieser Solidargemeinschaft positioniert haben.

Sie sehen in der Frage der TV-Gelder einzig das DFL-Präsidium gefordert?

Es ist unser gewähltes Präsidium, daran möchte ich ausdrücklich erinnern. Wir haben es vor zwölf Monaten neu gewählt und sollten diesem Gremium vertrauen. Es wird gute und seriöse Lösungen finden.

Wir haben ab der Saison 21/22 zwei Probleme auf dem Tisch: Wir werden national geschätzt wohl etwa 200 Millionen Euro weniger TV-Einnahmen und auch etwa knapp 100 Millionen weniger internationale TV-Einnahmen haben. Alleine durch diesen Ausfall haben alle 36 Klubs schon mal brutto weniger, egal, ob sie Bayern München oder Jahn Regensburg heissen.

Wie sehen Ihre Vorstellungen bezüglich der Verteilung der TV-Gelder aus?

Wir wollen weder eine Empfehlung abgeben, noch sonst etwas. Das ist exklusive Aufgabe des DFL-Präsidiums, das wir ganz bewusst als unser Präsidium bezeichnen. Es ist von den 36 Klubs einstimmig gewählt worden. Das Präsidium wird eine gute und seriöse Lösung finden, die hoffentlich am Ende des Tages alle 36 Klubs zufrieden macht.

Wie haben Sie über die Auswirkungen der Coronakrise auf den Fussball gesprochen?

Wir haben etwa bei Bayern München über acht Monate keine Zuschauer bei Heimspielen gehabt. Corona trifft alle 36 Klubs der ersten und zweiten Liga und beschädigt sie nachhaltig – finanziell und auch in der Fussballkultur. Denn Fussball ohne Zuschauer hat keine Atmosphäre, und das ist nicht das, was wir alle bis zum März gewohnt waren.

Wir respektieren natürlich alle Corona-Massnahmen, die die Politik uns vorgegeben hat und sind dankbar, dass wir weiter Fussball spielen können. Auch wenn das gerade nur ohne Zuschauer möglich ist. Wir werden versuchen, wo immer es geht, unsere bereits sehr guten Hygienekonzepte weiter zu verbessern und werden stets im Austausch untereinander, mit den Gesundheitsbehörden und der Politik sein.

Was wird ausser Konzepten wichtig sein?

Es ist wichtig, dass wir diesen Spirit, der uns im April ausgemacht und der den Re-Start der Bundesliga möglich gemacht hat, aufrecht halten. In diesen schweren Zeiten müssen wir gemeinsam und loyal zusammenarbeiten, um am Ende des Tages das wieder hinzubekommen, was wir uns sehr wünschen: Zuschauer in den Stadien.

Wir haben ein grosses Interesse daran, dass die Fussballkultur erhalten bleibt, denn sie hat einen hohen gesellschaftlichen Wert. Das ist nur möglich, wenn irgendwann Zuschauer zurückkehren können. (dpa/lh)

Zur Person: Karl-Heinz Rummenigge, geboren am 25. September 1955 in Lippstadt, ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München. Vorher war er Vizepräsident. In seine Amtszeit fallen auch die Triple-Gewinne 2013 und 2020. Der Rekordmeister ist sportlich und wirtschaftlich die Nummer eins der Bundesliga. Als Weltklassestürmer gewann er mehrere Titel mit dem FC Bayern, ausserdem spielte er für Inter Mailand und Servette Genf. Mit Deutschland wurde er zweimal Vize-Weltmeister und 1980 Europameister.
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