Fan-Nähe scheint etwas für Bundesliga-Nostalgiker und die Marketing-Abteilungen der Klubs zu sein. Wer - wie Kölns Dominick Drexler - die eigenen Anhänger "Spacken" nennt, wirkt mindestens gedankenlos, wenn nicht gar abgehoben. Apropos abheben: Wehe, jemand hindert die Bayern-Stars daran. Hier folgt unsere nicht immer ganz ernst zu nehmende Rückschau auf den 20. Spieltag.
Die Ergebnisse des 20. Spieltags
- Hertha BSC - FC Bayern München 0:1
- FC Schalke 04 - RB Leipzig 0:3
- SC Freiburg - Borussia Dortmund 2:1
- Bayer Leverkusen - VfB Stuttgart 5:2
- 1. FSV Mainz 05 - 1. FC Union Berlin 1:0
- FC Augsburg - VfL Wolfsburg 0:2
- Borussia Mönchengladbach - 1. FC Köln 1:2
- TSG 1899 Hoffenheim - Eintracht Frankfurt 1:3
- Arminia Bielefeld - SV Werder Bremen ausgefallen
Davon sollten Sie gehört haben
- Am 20. Spieltag erwischte es Stuttgarts Cheftrainer Pellegrino Matarazzo. Auch er versteht die vor der Saison 2019/20 von den internationalen Regelhütern neu definierte Regel des Handspiels nicht. Anlass seiner Erregung war die 56. Minute der Partie in Leverkusen. Nach Sasa Kalaljdzics Anschlusstreffer zum 2:1 witterte der VfB nach einer vertanen ersten Halbzeit Morgenluft. Kalajdzic zielte sechs Minuten nach seinem Tor wieder auf den Leverkusener Kasten - und traf Timothy Fosu-Mensahs Hand. Der Abwehrmann hatte sie reflexartig nach oben gerissen, wie zum Selbstschutz. Die sogenannte "Schutzhand" aber ist im Regelwerk nicht vorgesehen. Dort steht aber etwas von Treffern an Hand oder Arm "über Schulterhöhe". Der lag vor. Viel schlimmer noch für den wütenden Gast: Leverkusen verwertete den direkten Konter zum vorentscheidenden 3:1. Endstand: 5:2. Matarazzo schlug anschliessend am ARD-Mikrofon in seiner Resignation vor, die kalibrierte Linie, die dem VAR eigentlich dazu dient, mögliche Abseitspositionen gegenzuchecken, vielleicht demnächst zur Kontrolle des Abspreizwinkels des Ellenbogens einzusetzen. Oder dazu, zwecks gerechterer Beurteilung des Geschehens die Entfernung zwischen dem Schützen und dem Handspieler abzumessen.
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- Apropos VAR: Wolfsburgs Nationalspieler
Ridle Baku kam in Augsburg um einen möglichen Dreierpack. Es wäre sein erster in der Bundesliga gewesen. Zwei Mal aber legte der Videoreferee aus dem Kölner Keller wegen Abseitsstellungen Bakus sein Veto ein. So blieb dem 22-Jährigen "nur" der Treffer zum 2:0. Der aber entschied letztlich die Partie. - In Berlin hätte ein Elfmeter von
Robert Lewandowski die Begegnung, die den 20. Spieltag der Bundesliga eröffnete, bereits in der elften Minute vorentscheiden können. Doch Rune Jarstein, der Leroy Sané zu Fall gebracht hatte, bügelte seinen Fehler aus. Er ahnte die Ecke, die Lewandowski wählte. Unten rechts, ganz entgegen der sonstigen Gewohnheit des Polen. Dem blieb so sein 25. Bundesligator der Saison vorerst verwehrt. Und Jarstein - seit Pal Dardais Rückkehr als Trainer wieder die Nummer eins im Tor der Hertha - schrieb Geschichte. Nur einem Keeper, Manuel Neuer, war es davor gelungen, einen Lewandoski-Strafstoss abzuwehren. Und zwar Lewandowskis ersten von inzwischen 36. Lewandowski spielte damals noch für Borussia Dortmund. Neuer spielte übrigens zum 16. Mal gegen die Hertha zu Null. Das bedeutet Bundesligarekord für einen Torwart gegen einen bestimmten Verein. - Noch nie in der Bundesliga zuvor aufgetreten war
Shkodran Mustafi . Dabei ist der Verteidiger bereits 28 Jahre alt, war Nationalspieler und 2014 in Brasilien einer der deutschen Weltmeister. Sein Einsatz beim 0:3 des Schlusslichts Schalke gegen den RB Leipzig aber bedeutete tatsächlich das Bundesligadebüt für Mustafi. Es hinterliess Fragezeichen, und dies nicht nur, weil Mustafi seiner Deckungspflicht beim 0:1 durch Nordi Mukiele nicht nachkam. Mustafi hatte nach seinem Winterwechsel von Arsenal London noch nie mit seinen Mitspielern trainiert, kannte deren Namen kaum und kam direkt aus seiner Corona-Quarantäne. Trainer Christian Gross ist aber überzeugt: "Er wird uns als Persönlichkeit stabilisieren und uns weiterhelfen."
Das normale Leben ist offenbar für "solche Spacken" da
Seit geraumer Zeit dürfen Fans nicht mehr ins Stadion. Das schmerzt. Ihnen bleibt nicht viel Gelegenheit, ihren kickenden Helden sichtbar Liebe und Sehnsucht, Begeisterung und Hingabe zu beweisen.
Doch dass diese Helden diese Zuneigung (und die damit zusammenhängenden Eintrittsgelder) überhaupt verdient haben, steht manches Mal in Frage. Der Umgang verschiedener Bundesligastars mit ihrem herausgehobenen Status zeugt nicht von einem Übermass an Selbstreflexion und Demut - erinnert sei nur an Franck Ribérys goldüberzogenes Steak, nicht genehmigte Spass-Flüge von Pierre-Emerick Aubameyang, Salomon Kalous Handy-Aufnahmen aus der Hertha-Kabine, Breel Embolos gedankenlose Teilnahme an einer Feier in Corona-Zeiten oder Corentin Tolissos Privattermin beim eingeflogenen Tätowierer.
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Kölns Dominick Drexler bezeichnete manche Fans des FC am 20. Spieltag als "Spacken". Drexler, dessen Prominenz mit der der genannten Kollegen nicht vergleichbar ist, tat dies, als Anhänger des Klubs die Mannschaft mit Leuchtfeuern Richtung Gladbach verabschiedeten. Zum Derby, dem Spiel des Jahres für jeden Kölner Fussball-Enthusiasten.
Zurück kamen Drexler und Kollegen vom Erzrivalen mit einem überraschenden 2:1-Sieg. Das war den Kölnern zuletzt 2016 und davor auch 2008 gelungen, jeweils mit dem gleichen Resultat.
Drexlers verbale Entgleisung war per Handy-Video aufgezeichnet worden und inzwischen längst grosser Aufreger in den sozialen Medien - und über Köln hinaus.
FC-Legende Lukas Podolski hielt in einem Tweet seine Meinung zu dem Vorfall nicht zurück. Der 130-malige Nationalspieler schrieb: "Unfassbar. Wer seine eigenen Fans Spacken nennt, der hat dieses Trikot nicht verdient."
Drexler bedauert seinen Ausspruch mittlerweile. Er habe dereinst "selbst in der Kurve gestanden. Ich bin mit dem FC aufgewachsen und Fan, seit ich denken kann."
Auch der FC Bayern, seines Zeichens Aushängeschild des deutschen Vereinsfussballs, lieferte aussersportlichen Diskussionsstoff und bewies ausgerechnet Abgehobenheit, als sein Flieger zur Klub-WM nicht abheben durfte.
Ehrenpräsident Uli Hoeness sprach von einem "Skandal ohne Ende" und von einer "Unverschämtheit". Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ging noch einen Schritt weiter und witterte gar eine ostdeutsche Verschwörung: "Man hatte immer den Eindruck, in Brandenburg ist einer, der den FC Bayern nicht mag", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Jens Kirschneck kam angesichts fehlender Bodenhaftung in der Branche für das Magazin "11 Freunde" zu dem Schluss, dass sich "viele Protagonisten" des Fussballs "immer noch für das Zentrum des Universums" hielten. Einer, der einst selbst dem bayerischen Fussball-Universum entsprang, wusste wohltuend einzuordnen: "Es gibt im Moment andere Schicksale, als ob die Bayern um Zwölf oder in der früh um Sechs nach Katar fliegen", sagte Ex-Nationalspieler und Sky-Experte Dietmar Hamann.
Zitat des Spieltags
"Es wäre auch Wahnsinn, wenn er es als Ersatzspieler wäre. Dass er sauer auf mich ist, damit kann ich gut umgehen. Ich enttäusche jedes Wochenende über die Hälfte das Kaders, weil sie nicht in der Startformation steht." (Union Berlins Cheftrainer Urs Fischer auf die Frage nach der Zufriedenheit von Ersatztorwart Loris Karius mit seiner Rolle. Der ehemalige Mainzer Karius, der 2018 im Endspiel der Champions League für den FC Liverpool gegen Real Madrid entscheidend patzte, kam im vergangenen Herbst nach Berlin und sitzt seitdem hinter Andreas Luthe auf der Bank.)
Zahl des Spieltags
3 - Um drei Minuten nach Mitternacht, und somit um drei Minuten zu spät, erbat der Pilot die Startfreigabe. Er sollte die müden Spieler des FC Bayern München, die gerade zum Auftakt des 20. Spieltags der Bundesliga mit 1:0 bei Hertha BSC gewonnen hatten und im Passagierraum sassen, zur Klub-WM nach Katar fliegen. Das fünfstündige Nachtflugverbot für den Flughafen BER aber durchkreuzte diesen Plan. Es war um Mitternacht in Kraft getreten. Die Bayern mussten nach Stunden des Ausharrens dann erst nach Hause nach München fliegen und hoben erst am Samstagmorgen um 9:15 Uhr Richtung des Flughafens in Doha ab, der auch ihr Ärmelsponsor ist. Sie landeten um 14:40 Uhr - stinksauer, aber fest entschlossen, als Klub-Weltmeister wieder in Deutschland zu landen.
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