Eigentlich wäre am Samstag die aktuelle Bundesliga-Saison zu Ende gegangen. Stattdessen muss sich Fussballdeutschland mit einem Wiederanpfiff unter strengen Auflagen anfreunden. Aber wie sieht so ein Spieltag mit durchgesetztem Hygienekonzept eigentlich aus? Wir haben das Revierderby Borussia Dortmund gegen den FC Schalke 04 mal durchgespielt, ohne Torjubel und mit ganz viel Desinfektionsmittel.
Am Wochenende startet die Bundesliga wieder, obwohl die Coronakrise Deutschland weiterhin im Griff hat. Und während andere Veranstaltungen weiterhin auf Eis liegen, hat sich der Fussball durch eine hartnäckige Diskussion einen fast schon systemrelevanten Status erarbeitet.
Egal, wie man das findet, es wird in jedem Fall wieder gespielt - und immerhin hält der erste Spieltag anno coroni (im Jahre des Corona) gleich einen absoluten Klassiker bereit: das Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 (LIVE bei uns im Ticker und auf Sky). Aber wie läuft so ein Spiel unter Hygieneauflagen eigentlich ab? Wir haben das Derby mal gedanklich durchgespielt. Völlig fiktiv und ohne auch nur den geringsten Anspruch auf sportliche Richtigkeit natürlich. Die neuen Regeln zu Hygiene und Abstand wird es aber tatsächlich so geben.
Samstag, 16. Mai, 13:45 Uhr
Im L’Arrivee-Hotel Dortmund öffnen sich die Türen, und nacheinander, in einem akkuraten 1,5-Meter-Abstand, bewegen sich 30 vermummte, schwarz-gelb gekleidete Gestalten auf ihre Autos zu. Alle tragen Mundschutz, viele auch Ohrenschutz von einer Firma namens Bose und Kapuze. Entsprechend der Empfehlung der DFL fährt jeder Spieler und auch das Trainerteam mit dem eigenen Auto zum Stadion. Kleinere Parkplatzstreitigkeiten im Signal-Iduna-Park werden per Lichthupe geregelt, das Fenster kurbelt niemand herunter.
Ähnliche Szenen spielen sich am Courtyard by Marriott in Gelsenkirchen ab. Doch kurz vor dem Stadion angekommen, wird der Schalke-Tross von der Polizei aufgehalten. Man muss warten, denn gerade sind schon die Dortmunder auf dem Weg in die Katakomben. Die Anreise muss entzerrt werden. Kein Kontakt zwischen den Mannschaften vor dem Spiel, das macht es doch gleich viel spannender.
15:05 Uhr
Im Innenraum des Stadions hängen überall Fotos von Salomon Kalou und daneben die Aufforderung der DFL: "Im Stadion wird der Blick der Öffentlichkeit auf den Profifussball, die Teams und Akteure in der aktuellen Situation nochmals grösser sein als bisher. Wir bitten dringend um vorbildliches Verhalten bezüglich der Hygiene- und Isolierungsmassnahmen ausserhalb des Spielfeldes."
15:15 Uhr
David Wagner hält eine Kabinenansprache mit dem Megafon, denn die Spieler sind auf mehrere Räume verteilt, um die Einhaltung der Abstandsregeln zu garantieren. Aus einem Hinterzimmer ohne Fenster brüllt Alexander Nübel: "Trainer, warte mal! Ich glaub, der Guido hat sich verlaufen." Aus der anderen Ecke des Gebäudes hallt es zurück: "Ne, ich bin schon da, hier neben dem Desinfektionsmittelspender!"
15:25 Uhr
In einer fast 25 Meter langen Schlange marschieren zuerst die Dortmunder (Heimvorteil!) und danach die Schalker auf den Rasen. Eineinhalb Meter Abstand wirken so gleich mal viel länger. Auch die Schiedsrichter kommen einzeln. Fast schon reflexartig wollen sich die Kapitäne Mascarell und Pisczek abklatschen, erinnern sich aber gerade noch einmal an die Vorschriften und nicken sich nur vielsagend zu. Auch die Trainer und Auswechselspieler nehmen im Gänsemarsch mit Sicherheitsabstand ihre Plätze ein. Zwischen allen Personen bleiben Plätze frei. Für Plexiglasscheiben hat das Budget nicht mehr gereicht. Alle tragen Nasen-Mund-Schutz. Praktischerweise gibt es die ja inzwischen auch in Vereinsfarben.
15:30 Uhr
Anpfiff. Mit Schrecken erinnern sich einige Ischgl-Urlauber an die Spuckebläschen verteilenden Trillerpfeifen der Kellner im Kitzloch. Doch Deniz Aytekin hält ausreichend Abstand zu den Spielern. Tröpfcheninfektion ausgeschlossen.
15. Minute
Schalke ist besser aus der Quarantäne gekommen und setzt den BVB gehörig unter Druck. Immer wieder reisst sich Trainer
33. Minute
TOOOOOOOOR für den 1. FC Schalke 04. Burgstaller lässt Hummels aussteigen und schlenzt den Ball an Bürki vorbei in den Kasten. Burgstaller läuft jubelnd zur Eckfahne, ein sehr ordentlicher Balljunge (Mindestalter 16 Jahre) weicht zurück, um den Mindestabstand weiter einzuhalten. Man hört den Torschrei des Sky-Kommentators. Unschlüssig bleiben die restlichen Spieler stehen. Schliesslich fasst sich Mascarell ein Herz und geht auf Burgstaller zu. Die beiden klatschen kurz ihre Ellbogen ab. Dann noch den Fuss. Ein Tor im Revierderby will doch ordentlich bejubelt werden.
40. Minute
Aytekin ermahnt die Spieler, bitte nicht ständig auszuspucken oder sich per Schnauber die Nase zu leeren.
16:20 Uhr
Nach 5 Minuten Nachspielzeit – die Ermahnerei dauert eben – haben sich die Spieler in der Halbzeit auf die frisch desinfizierten acht Kabinen verteilt. Lucien Favre hat jedem Spieler auf seinem Platz einen Zettel mit Anmerkungen hinterlegt. Man will dem Gegner ja nicht die neue Taktik verraten, jetzt, wo immer alle Türen offen stehen müssen.
16:35 Uhr
Wiederanpfiff im Signal-Iduna-Park.
In Gelsenkirchen-Ückendorf kommt es derweil in einer Kleingartenanlage zu tumultartigen Szenen. Ein gewisser Hans Pollak hat zum Fussballschauen geladen. Dabei kommen eindeutig mehr als die erlaubten zwei Haushalte zusammen. Abstandsregeln werden eher lax befolgt. Auch weiss bald niemand mehr, welches eigentlich das eigene Bier ist. Als sich dann noch bei Burgstallers Tor alle um den Hals fallen, wird es den Grabowskis aus der Nachbardatsche zu bunt. Die Polizei kommt und löst die Party auf. "Nicht vor Abpfiff!", hält Pollak dagegen, muss sich jedoch irgendwann geschlagen geben. Egal, er fühlt sich eh irgendwie schlapp. Schaut er den Rest vom Spiel halt daheim.
58. Minute
TOOOOOR! Ausgleich für den BVB durch den eingewechselten
72. Minute
Nach einem Zusammenstoss liegen Sané und Haaland am Boden. Während sich Sané selbstständig wiederaufrichten kann, scheint Haaland bewusstlos. Etwas ratlos stehen alle in eineinhalb Metern Entfernung daneben und fragen sich, was gleich nochmal zu Mund-zu-Mund-Beatmung im Hygienekonzept der DFL steht. Während die Mediziner auf das Feld sprinten, erholt sich Haaland jedoch schon wieder. Es geht weiter.
93. Minute
Abpfiff. Dortmund und Schalke trennen sich mit 1:1. Patrick Wasserzier darf als einziger Journalist auf den Rasen und Interviews führen. Alle Spieler tragen Masken, ihre Antworten sind schwer verständlich, Emotionen nicht vorhanden. Man wünscht sich die Zeiten zurück, als Spieler Reporter nach doofen Fragen im Spuckeregen stehen liessen, Freunde der Sonne.
18:00 Uhr
Viele Spieler verlassen ungeduscht das Stadion. Den meisten dauert es sonst einfach zu lange. Schliesslich darf immer nur ein Spieler in die Dusche, "um Wasserdampf als möglichen Leiter von Viren zu anderen Personen auszuschliessen" (DFL). Im Stadion desinfiziert derweil noch ein Zeugwart alle Spielbälle.
19:00 Uhr
Der Letzte sperrt die Tür zu. Ein Mann hustet.
Quelle:
- DFL: Taskforce Sportmedizin/Sonderspielbetrieb im Profifussball/Version 2
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