Borussia Dortmund ist derzeit ein Schatten seiner selbst. Verantwortlich dafür ist in der öffentlichen Wahrnehmung Trainer Peter Bosz, der keinen Ausweg aus der Krise findet. Die Jahreshauptversammlung am Sonntag hat jedoch gezeigt: Auch Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc werden angezählt.
Zur Pause roch bei Borussia Dortmund gegen Schalke 04 noch alles nach Befreiungsschlag. Mit sage und schreibe 4:0 führten die Borussen nach nur 25. Minuten im zuvor zum Schicksalsspiel für Trainer Peter Bosz hochdramatisierten 91. Revierderby.
Das Ende ist bekannt. Den Schalkern gelang das sensationellste Comeback der Derby-Geschichte und
Pfiffe auf der Jahreshauptversammlung
Nur einen Tag nach der gefühlten Pleite trafen sich rund 1.000 BVB-Mitglieder zur Jahreshauptversammlung in der Westfalenhalle direkt neben dem Signal-Iduna-Park. Eine Veranstaltung, die den ganzen Schaden, den das prestigeträchtige Fussballspiel vom Vortag angerichtet hatte, offenbarte.
Als die Mannschaft die Halle betrat, gab es Pfiffe und Buhrufe. Nur ganz vereinzelt mischte sich aufmunternder Applaus in die Szenerie. Das zeigt, dass sich auch die Mitglieder nicht ganz klar darüber sind, welche Reaktion in der aktuellen Situation angebracht ist.
Fest steht: Ganz Dortmund diskutiert über das Für und Wider der Personalie Bosz. Doch in der Krise sind längst auch Andere in die Schusslinie geraten. In erster Linie Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc, die sich nun hinterfragen müssen.
Watzke dachte schon einmal an Rücktritt
Watzke tat das bereits am Ende der vergangenen Saison. Nach einer aufreibenden Spielzeit, die vom Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus und ständigen Streitereien mit Ex-Coach Thomas Tuchel geprägt war, hatte er gegenüber dem "kicker" zugegeben, dass er sich über einen Rücktritt "zumindest intensive Gedanken gemacht" habe.
Hätte der BVB nach 2014, 2015 und 2016 auch das DFB-Pokal-Finale 2017 verloren, wäre Watzke heute bei der Borussia womöglich nicht mehr im Amt.
Am Ende holte Dortmund den Pott und Watzke blieb: "Ich mache das so lange, wie ich das Gefühl habe, dass es mir Freude macht."
Freude verspürt der 58-Jährige aktuell nicht. Die Stimmung in Dortmund ist nach dem Supergau am Samstagnachmittag am absoluten Tiefpunkt angekommen.
Watzke nimmt Bosz in die Pflicht
"Ich habe mich am Samstag genauso beschissen gefühlt wie ihr alle“, sagte Watzke zu Beginn seiner mit Spannung erwarteten Rede. Watzke präsentierte sich der Mitgliederversammlung durchaus angeschlagen und nachdenklich.
Eine vorzeitige Trennung von Trainer Bosz, die viele nicht ausgeschlossen hatten, gab es nicht, dafür aber eine unmissverständliche Botschaft in dessen Richtung: "Ich habe die klare Erwartung an dich (Peter Bosz, d. Red.) und dein Team, dass ihr in dieser Woche gemeinsam mit Michael Zorc alles auf den Prüfstand stellt. Da darf es keine Denkverbote geben. Danach werde ich dazustossen, dann werden wir das kritisch, aber auch konstruktiv bewerten. Wir müssen wieder in die Erfolgsspur. Konstruktiv. Mit Ruhe und Besonnenheit. Die Champions-League-Qualifikation steht über allem."
Worte, die mit "Peter, das ist deine allerletzte Chance" übersetzt werden können, in denen aber auch selbstkritische Töne mitschwingen. "Keine Denkverbote" beispielsweise. Ein Nebensatz, der tief blicken lässt.
Auch Zorc und Watzke wackeln
Bisher verbot es sich, an Personalwechsel auf den Positionen der unantastbaren Watzke und Zorc zu denken. Doch wenn für Watzke der Erfolg über allem steht, dann muss er auch kritisch mit der eigenen Person umgehen.
Die Krise trägt spätestens jetzt auch seine Handschrift. Durch das Festhalten an Bosz werden dessen Kritiker - und davon gibt es eine ganze Menge - nun auch zu seinen.
Watzke ist sich dessen bewusst. Auf der Jahreshauptversammlung rettete er die Stimmung am Ende mit gezielten Sticheleien in Richtung des Erzrivalen.
Auf die Ankündigung von Schalke-Boss Clemens Tönnies, den BVB langfristig überholen zu wollen, antwortete er: "Ich biete dem Clemens jetzt etwas an: Wir warten zehn Jahre ab. Wenn Sie dann das erreicht haben, was wir erreicht haben, wenn sie über 100 Punkte mehr holen als wir, wenn Sie zweimal Deutscher Meister werden und keine Schulden haben, gehe ich nach Rheda-Wiedenbrück und sage: Glückwunsch", witzelte Watzke und fügte an: "Aber ich glaube, diesen Canossagang werde ich nicht antreten müssen, soviel Selbstbewusstsein sollten wir haben."
Noch reichen solch giftige Sprüche gegenüber der Konkurrenz aus, um das Umfeld hinter sich zu bringen. Noch reicht es aus, zu versprechen, dass man "gestärkt aus dieser Situation hervorgehen" werde. Und noch reicht es aus, seine Rede mit dem Schlachtruf "nur der BVB" zu beenden.
Eine Niederlage später könnte die Wirkung dieser Methoden bereits verflogen sein.
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