Den Wutausbruch von Marco Reus auf die Frage nach der Dortmunder Mentalität haben wir alle noch gut in Erinnerung. In der aktuellen Rückrunde reden bei Borussia Dortmund allerdings die Wenigsten noch darüber. Was hat sich seitdem getan?

Christopher Giogios
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Christopher Giogios dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der Frust sass erkennbar tief, als BVB-Kapitän Marco Reus im September nach dem ärgerlichen 2:2-Unentschieden bei Eintracht Frankfurt der Kragen platzte.

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Vorausgegangen war die Frage von Sky-Reporter Ecki Heuser, ob es den Schwarz-Gelben auch an Mentalität mangele. Reus herrschte den Journalisten daraufhin an und wollte nichts von der "Mentalitätsscheisse" hören.

Fehlende Mentalität als Erklärungsansatz für unerklärliche Leistungen

Nun kann man dem Dortmunder Kapitän zugestehen, dass das Thema Mentalität häufig dann adressiert wird, wenn man sportlich nicht wirklich erklären kann, woran es bei einer Mannschaft eigentlich genau hapert.

Solche Momente hatte der BVB in der Hinrunde häufig: vor allem der Umstand, dass die Mannschaft in der Ferne oft wie ausgewechselt wirkte und sich extrem schwertat, aber zu Hause regelmässig Torfestivals veranstaltete, liess viele Beobachter ratlos zurück.

Wenn man Mentalität jedoch als einen Prozess begreift, die enorme Qualität eines Kaders auch in widrigen Situationen, gegen hartnäckige, oft spielerisch unterlegene Gegner auf den Platz zu bringen, dann hatten die Borussen in der Tat Mentalitätsdefizite vorzuweisen. Eine Auswärtsniederlage beim Liga-Neuling Union Berlin oder ein blamables 0:3 zur Halbzeit gegen den Abstiegskandidaten SC Paderborn sprechen eine deutliche Sprache.

Zwei Neuzugänge und der neue Teamgeist von Borussia Dortmund

Nichtsdestotrotz scheint in der laufenden Rückrunde einiges anders zu laufen. Sinnbildlich für diese Entwicklung war das 2:1-Spektakel im Champions League-Achtelfinale gegen Paris St. Germain.

Beim Stande von 1:0 für den BVB kochte Neuzugang Emre Can den brasilianischen Superstar Neymar routiniert ab, um im Anschluss die Südtribüne frenetisch anzufeuern. Wenig später, nach dem unglücklichen 1:1 Ausgleichstreffer der Pariser, sah man bei den Dortmundern keine hängenden Köpfe. Stattdessen drosch Erling Haaland den Ball quasi im nächsten Angriff in die Maschen und liess das Stadion explodieren.

Beide Situationen zeigen anschaulich, welch enormen Anteil die beiden Neuzugänge an der wiederentdeckten Dortmunder Mentalität haben. Bereits nach seinem zweiten Spiel für den BVB, der ärgerlichen 3:4 Niederlage bei Bayer Leverkusen, übernahm Can Verantwortung.

Der deutsche Nationalspieler forderte, dass die Mannschaft zur Not auch "dreckiger" spielen müsse, um eine Führung im Auswärtsspiel nach Hause zu bringen. Diese Qualitäten bringt der Allrounder auch auf den Platz, nicht durch unnötige Fouls, sondern vielmehr als Lautsprecher mit der notwendigen Körpersprache.

Die richtige Einstellung auf und neben dem Platz

Gleichzeitig darf man nicht unterschätzen, welche mentalitätsbildenden Faktoren abseits der 90 Minuten auf dem Platz entscheidend sind. So verriet etwa Torhüter Roman Bürki, dass der junge Haaland stets einer der ersten Spieler im Trainingszentrum sei. Eine solche Einstellung steckt natürlich den restlichen Kader an.

Freilich hat der BVB neben seinen Winterzugängen auch andere Spieler im Kader, die eine entsprechende Einstellung vorleben. Bürki selbst ist da ein gutes Beispiel, der verlauten liess, dass er erst zufrieden vom Platz gehe, wenn seine Mannschaft kein Gegentor bekommen habe. Zwar haben Can und Haaland der Mannschaft wichtige Impulse gegeben, der Teamgeist hingegen kann nur als Kollektiv entwickelt werden.

Kollektiv verteidigen und an die eigenen Stärken glauben

Allerdings darf bei alldem die sportliche Sicht nicht zu kurz kommen. Auffällig war nämlich, dass die Borussia in den letzten Spielen als Kollektiv verteidigte und sich auch Spieler wie Jadon Sancho in der Defensive bemühten.

Im Angriff hingegen spielte man endlich mit der von Lucien Favre häufig geforderten Geduld und wartete auf die entscheidenden Chancen. Es ist letztlich auch das Vertrauen in die eigenen Stärken – solange hinten die Null steht, fällt mit der offensiven Qualität des BVB das Tor schon irgendwann.

Es bleibt für die Dortmunder zu hoffen, dass sie sich diese Einstellung bewahren können. In den nächsten Wochen steht nicht nur das Rückspiel in Paris und das Spitzenspiel gegen den Konkurrenten aus Mönchengladbach an. Auch das Revierderby gegen den FC Schalke 04 rückt näher; hier dürfte ein wenig Mentalität sicher nicht schaden.

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