Fast drei Jahrzehnte lang war er Bayer Leverkusen, Macher und Gesicht des Vereins: Reiner Calmund. 2004 endete "Callis" Bundesliga-Karriere. Zu seinem 70. Geburtstag wünscht sich der so genannte XXL-Manager Nachspielzeit vom lieben Gott.
Was bedeutet Ihnen Ihr 70. Geburtstag?
Wie feiern Sie ihn?
Mit vielen Freunden, Weggefährten und der Familie im Brühler "Phantasialand". In dieser Stadt bin ich geboren, in diesem Freizeitpark habe ich früher mit meinen Kindern jede Achterbahn ausprobiert.
Wen vermissen Sie an diesem Tag besonders? Und warum?
Ich denke, meine Mutter wäre glücklich, wenn sie dabei sein könnte. Einfach um zu sehen, dass die Zeit und die Kraft, die sie in meine Ausbildung investiert hat, nicht umsonst waren. Dieser Rahmen hätte ihr gefallen, ganz sicher.
Mit Ihrer Autobiographie haben Sie vor einem Jahrzehnt Zwischenbilanz gezogen. Wie fällt Ihre Bilanz der letzten zehn Jahre aus?
Sehr gut. Weil ich das machen konnte, woran ich Spass habe. Unsere kleine Nicha hat unseren Alltag verschönt. Wir sind viel gereist. Ich habe ein zweites Buch geschrieben. Der Umzug nach Saarlouis war eine gute Entscheidung, weil ich hier mehr Ruhe und noch viele tolle Menschen kennengelernt habe. Dann die Zusammenarbeit mit VOX und Sky – ich kann nicht klagen. Und bin sicher, dass ich noch irgendwas Schönes vergessen habe.
Wann haben Sie zuletzt mit
Das ist lange her. Wenn wir uns heute treffen, dann gehen wir lieber lecker essen.
Sie haben in Ihrer Autobiographie den Kader Ihrer 20 Lieblingsspieler zusammengestellt. Würden Sie diesen heute erweitern? Wenn ja, um wen, und warum?
Nein, dieser Kader steht. Es sind ja nur Spieler dabei, mit denen ich direkt zu tun hatte, die ich nach Leverkusen gelockt habe. Und die liegen mir naturgemäss mehr am Herzen als alles, was anschliessend kam. Natürlich freue ich mich auch über das tolle Spiel von dem jungen Kai Havertz in der Nationalmannschaft.
Herr Calmund, Sie bezeichnen sich selbst als "Fussballbekloppten". Wer kann es in dieser Beziehung mit Ihnen aufnehmen?
Da gibt es jede Menge. Alle guten und erfolgreichen Manager, Sportdirektoren, Kaderplaner und wie sie sich heute alle nennen, müssen fussballbekloppt sein. Nur so wirst du Erfolg haben.
Anders gefragt: Mit wem haben Sie es am meisten genossen, gemeinsam an der Front der so genannten "Bekloppten" zu kämpfen?
Sie haben vor und nach Ihrer langen Zeit als Macher in Leverkusen vielen anderen Vereinen geholfen. Welcher davon hat sich an Ihre Ratschläge gehalten und sie nachhaltig erfolgreich umgesetzt?
Mit Ratschlägen ist das so eine Sache. Die kommen ja bei jedem unterschiedlich an. Man kann immer nur versuchen, die Dinge richtig einzuschätzen, Erfahrungen zu vermitteln. Das klappte in Düsseldorf und Dresden ganz gut. Aber ich stand da nie in der ersten Reihe und es gab andere Beteiligte, die sich deutlich mehr einbrachten als ich und deutlich mehr Anteil am Erfolg hatten.
Herr Calmund, stellen Sie sich vor, Sie bekämen anlässlich Ihres Geburtstags die Gelegenheit, sich in einem Fernsehstudio eine Fussballrunde zusammenzustellen, um die Zukunft des Fussballs zu bequatschen. Wer erhielte eine Einladung?
Keiner. Weil ich davon überzeugt bin, dass es das nicht braucht. Zumindest was den Fussball in Deutschland angeht. Den sehe ich auf einem guten Weg. Sportlich haben wir eine Talsohle durchschritten, aber angesichts des grossen Potentials, über das wir in Deutschland an Talenten, Manpower und Tradition verfügen, bin ich sicher, dass unsere Nationalelf bald wieder konkurrenzfähig sein wird. Und unsere Klubs zeigen gerade in den europäischen Wettbewerben, dass sie sich vor keinem verstecken müssen. Was die Auswüchse um den Fussball herum angeht, wird man sprechen müssen, national wie international. Aber da würde ein Fernsehstudio nicht reichen. Da muss an vielen Orten weltweit alles an Inhalten zusammengetragen und ausgewertet werden.
Was mögen Sie mehr: Fussballplatz oder Fernsehstudio?
Im Sommer das Stadion, im Winter das Studio.
Wären Sie heute noch als Manager Leverkusens "an der Front": Wie hätten Sie mit den Verantwortlichen der Bayern über die angeblich geplante Super League gesprochen?
Ich hätte dringend empfohlen, diese Pläne in der Schublade zu belassen. Im Übrigen können sie diese Frage in den Papierkorb schmeissen, weil fast alle grossen internationalen Vereine die nationalen Meisterschaften als unverzichtbar erklärt haben. Dazu zählen auch Bayern München und Borussia Dortmund.
Seit der WM wird pausenlos der so genannte "Umbruch" in der Nationalmannschaft propagiert: Wie sähe der für Sie aus, um einer zu sein? Wann wird er abgeschlossen sein? Müsste Jogi Löw abdanken?
Nein, Löw macht es seit einem Dutzend Jahren gut, unter ihm wurde die deutsche Mannschaft Weltmeister und erreichte sechs Halbfinals bei grossen Turnieren, abgesehen vom Sieg beim Confed-Cup. Damals wurde unbewusst der Umbruch begonnen, leider nicht konsequent mit Blick auf die WM fortgeführt. Aber das ist menschlich verständlich, dass Löw den Titel mit "seinen Weltmeistern" verteidigen wollte. Jetzt ist Zeit für den Umbruch, der aber nicht bedeutet, dass man wahllos Spieler aussortiert, nur weil sie die 25 überschritten haben. Die Mischung macht es. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Vereine auf die Defizite reagieren und es bald talentierten Nachwuchs auch für das Sturmzentrum geben wird. Die Wahrheit in dieser Sache liegt wie immer in der Mitte. Aufmerksamkeit ist gefragt, ebenso das Überdenken der Positionen. Aber auch Ruhe und Geduld.
Apropos Geduld: Wann wird Bayer Leverkusen endlich Deutscher Meister?
Gute Frage. Ich sage mal: vor meinem nächsten runden Geburtstag.
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