Bayer Leverkusen ist erstmals Deutscher Meister. Die Fans standen der in dieser Saison so dominanten und äusserst erfolgreichen Mannschaft in nichts nach. Als der Titel unter Dach und Fach war, war niemand mehr zu halten. Wir waren dabei, als alle Dämme brachen.

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Als die Party ihren Höhepunkt erreichte, liess sich Xabi Alonso dann doch noch hochleben. Der Spanier hatte sich zunächst lange diskret im Hintergrund gehalten, als der frisch gebackene Meister Bayer Leverkusen um 20.39 Uhr auf dem Balkon in der Südkurve auftauchte, um mit den rund 15.000 Fans, die noch auf dem Platz der BayArena ausgeharrt hatten, den historischen Titelgewinn zu zelebrieren. Zwar "nur" mit Papp-Meisterschale, aber dafür in bester Stimmung.

Als Alonso von den Fans mehrmals gefordert wurde, bedankte er sich höflich für die Unterstützung und haute dann noch einen raus. "Wir wollen mehr", rief der Spanier unter dem Jubel der Anhänger. Alonso erinnerte alle daran, dass es ja trotz der Meisterschaft noch weitergeht. "Wir wollen den DFB-Pokal, und wir wollen die Europa League", rief der 42-Jährige. Wieder Jubel. Ekstase. Euphorie. Wie schon den ganzen Tag über.

Eine knappe Stunde lang liessen Fans und Mannschaft diesen besonderen, diesen denkwürdigen Tag in der Geschichte des Vereins am späten Abend gemeinsam ausklingen. Eine Art Schulterschluss als i-Tüpfelchen einer völlig verdienten Meisterschaft und als Motivationsschub für die Möglichkeiten, die diese aussergewöhnliche Mannschaft in dieser Saison noch hat.

Nationalspieler Robert Andrich, sonst um keinen Spruch verlegen, wollte zunächst das Mikrofon gar nicht, nahm es dann aber doch, um zum Ausdruck zu bringen, wie sprachlos ihn das Ganze macht. "Einfach nur krass, was hier heute passiert ist", sagte er, und brachte damit die Gefühlslage vieler auf den Punkt: "Ihr merkt, dass ich keine Ahnung habe, was ich sagen soll, weil ich so krass überwältigt bin."

Feierbiest Frimpong

Andere sprangen ihm in Sachen Party zur Seite: Topstar Florian Wirtz gab den Anpeitscher, stimmte "Deutschlands beste Mannschaft – SVB" an. Torhüter Lukas Hradecky fand Spass daran, mit den Fans das "Uffta, Uffta Täterä" gleich mehrmals zu singen, und Jeremie Frimpong wurde auf dem Balkon endgültig zum Feierbiest, schnappte sich immer wieder das Mikrofon und schrie seine Begeisterung förmlich in das Stadion hinaus. Die Fans sangen "Major Tom" oder "We are the Champions”, machten die Welle und waren nicht zu halten. Denn endlich konnten sie mit ihrer Mannschaft zusammen feiern – das Chaos beim Platzsturm hatte einer gemeinsamen Party zuvor einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Um 19.21 Uhr hatte Wirtz mit seinem Treffer zum 5:0 alle Dämme brechen lassen. Denn zunächst war vor dem Anpfiff "nur" eine freudige Anspannung zu spüren gewesen. Es war alles bereitet für den historischen Tag, und es war klar, dass alle Leverkusener ihn an diesem frühlingshaften Sonntag begehen wollten. Zehntausende hatten der Mannschaft auf dem Weg zum Stadion deshalb einen überwältigenden Empfang bereitet.

Dass der Bayer-Motor gegen harmlose Bremer dann zunächst ein wenig stockte, sangen und feierten die Fans weg. Mit dem 2:0 durch Granit Xhaka (60.) machte sich die Erkenntnis mehr und mehr breit, dass der Coup tatsächlich an diesem Tag festgemacht werden würde. Es wurde immer lauter, es wurde intensiver, und man merkte, dass die Anhänger ihrer Freude endlich freien Lauf lassen wollten. Bei seinem Hattrick brachte Wirtz die BayArena schliesslich mit jedem Treffer zum Beben, er sorgte für verfrühte Platzstürme, ehe sein 5:0 in der 90. Minute der endgültige Startschuss für die Party war – und das komplette Chaos auf dem Platz losging.

In der BayArena brachen schon vor dem Schlusspfiff die meisten Dämme, danach verwandelte sich der Rasen in ein Menschenmeer. © IMAGO/Xinhua/Ulrich Hufnagel

Nachteil der Ekstase

Tausende Fans strömten auf den Platz, suchten ihre Helden, sangen, lachten und weinten, fielen sich gegenseitig in die Arme. Die Bilder unterstrichen, wie sehr der Verein und das Umfeld nach diesem Titel dürsteten. Danach, dass dieses für den Klub so unsägliche "Vizekusen" endlich in den Untiefen der Liga-Historie verschwindet. Der "Nachteil" der Ekstase: Die Mannschaft versuchte noch, mit den Fans zu feiern, wurde aber von der Liebe der Anhänger im wahrsten Sinne des Wortes erdrückt und flüchtete in die Katakomben. Ausnahme: Frimpong gab auch hier alles, suchte deutlich länger als alle anderen lachend und feixend das Bad in der Menge.

Wenig später in der Mixed Zone absolvierten die Bayer-Stars wie Andrich, Xhaka oder Jo-nathan Tah sowie Alonso geduldig und bierselig den Interview-Marathon. Die überdimensionierten Bierhumpen deuteten darauf hin, was in der Kabine los war. Die Party-Musik war deutlich zu hören, und Videos in den sozialen Medien zeigen unzählige Bierduschen, "Campione"-Gesänge und verrückte Freudentänze. Mittendrin? Klar, Partybiest Frimpong, der Xhaka noch dazu drängte, in seinem "Live" einen Gruss an dessen Ex-Klub FC Arsenal zu schicken – dass er nun Meister sei, was die "Gunners" seit 2004 nicht mehr geschafft haben.

Alonso wurde nach der x-ten Bierdusche auf der Pressekonferenz sogar ein wenig emotional, kündigte an, dass alle gemeinsam feiern werden, doch dass seine Frau und seine Kinder dabei sind, sei besonders emotional. Denn sie seien von Anfang an seiner Seite gewesen, auch als es zu Beginn seiner Amtszeit vor 18 Monaten noch nicht lief und es noch nicht so einfach für ihn war.

Kleine, aber feine Seitenhiebe

Und was in dem ganzen Party-Trubel nicht fehlen durfte, waren die kleinen, aber feinen Seitenhiebe. Pointierte Grüsse an die Bayern, als seien 16 Punkte Vorsprung und 43 Pflichtspiele ohne Niederlage (38 Siege, fünf Remis) noch nicht genug an Ausrufezeichen.

"Vielleicht ist es gesund für den deutschen Fussball und die Bundesliga, wenn eine andere Mannschaft die Bundesliga gewinnt", meinte Alonso bei DAZN. Und Andrich sagte auf den Fakt, dass es Kinder gibt, die nur Bayern als Meister kennen: "Falls ihr nur Bayern München gesehen habt, jetzt ist Bayer-Leverkusen-Zeit. Jetzt könnt ihr den deutschen Meister feiern und es gibt endlich mal einen guten deutschen Meister."

Der noch lange nicht satt ist. Die Party am Sonntag war emotional und intensiv, doch sie fällt vergleichsweise kurz aus. Denn Bayer hat noch etwas vor, am Donnerstag geht es in der Europa League weiter. "Wir wollen noch mehr" – für die Fans war es an diesem Abend ein Versprechen. Für die Konkurrenz eine Drohung.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz
  • Mixed Zone
  • Übertragung DAZN
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