Clemens Tönnies' Abgang auf Schalke war nach dem massiven Druck der letzten Tage wohl alternativlos. Nun steuert der Klub aber mehr denn je einer ungewissen Zukunft entgegen.

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Eine letzte Pointe blieb der Kommunikationsabteilung von Schalke 04 überlassen. Gleich im ersten Satz der Verlautbarung zum Abschied von Clemens Tönnies aus allen Ämtern kamen die Vorstände Alexander Jobst und Jochen Schneider zu Wort und setzten die Agenda, nach der Schalke den Abgang seines Patriarchen betrauert.

"Als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats hat Clemens Tönnies ganz entscheidenden Anteil daran, dass sich der FC Schalke 04 in den vergangenen 26 Jahren als eines der sportlichen und wirtschaftlichen Schwergewichte in der Bundesliga etabliert hat", war da zu lesen.

Die zwei Seiten von Schalke

Das ist einerseits natürlich völlig richtig, Schalke war Mitte der 90er-Jahre eine graue Maus, der Klub pendelte zwischen handfesten Krisen und zarten Aufschwüngen. Dann rückte unter anderem Tönnies nach dem plötzlichen Tod seines Bruders Bernd ins Gremium, der bis dato als Präsident der mächtige Mann auf Schalke war.

Der Klub erholte sich von dem ewigen Auf und Ab, wurde Europapokalsieger, Beinahe-Meister, spielte mehrfach in der Champions League, baute die Veltins-Arena und rückte in der Hierarchie der Bundesliga unter die Top Fünf auf. Das ist das eine Schalke.

Das andere ist ein Verein, der unter der Last von rund 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten nahezu erstickt. Eine Zahl, die bereits vor der Coronakrise ausgewiesen wurde und in einigen Monaten noch einmal sprunghaft nach oben korrigiert werden muss.

Ein Verein, der in dieser Saison zum dritten Mal in vier Jahren den Einzug in den Europapokal verpasst hat. Der keinerlei sportliche Entwicklung mehr nachweisen kann, abgehängt wurde von den Bayern und dem Erzrivalen Borussia Dortmund, aber auch Leipzig ist vorbeigezogen, Gladbach arbeitet besser und seriöser, Leverkusen nicht zu vergessen.

Wirtschaftlich wie sportlich befindet sich Schalke seit vier Jahren mit Ausnahme der überraschenden Vizemeisterschaft unter Domenico Tedesco im Sinkflug, hat allein in diesem Jahrzehnt zehn Trainer verschlissen. Auch das ist Schalke 04 und auch das ist unter der Verantwortung von Clemens Tönnies passiert.

Das Volk treibt Tönnies aus dem Amt

Nun war der öffentliche Druck auf Clemens Tönnies in den vergangenen Tagen brutal, aus allen Richtungen kamen die Attacken, am heftigsten jedoch aus seiner Schalker Familie. Die Demonstration am vergangenen Wochenende mit über 1.000 Fans war ein letztes unmissverständliches Signal.

Davor säumten schon zahlreiche Banner mit teilweise unter der Gürtellinie verfassten Botschaften den Bereich rund um das Stadion und die Trainingsanlage. "Schalke ist kein Schlachthof! Gegen die Zerlegung unseres Vereins", war da noch eine eher harmlose Variante.

Für Tönnies ist im vergangenen dreiviertel Jahr so ziemlich alles schiefgelaufen. Nach seinen rassistischen Äusserungen am Tag des Handwerks in Paderborn Anfang August 2019 war er für den Klub eigentlich nicht mehr tragbar, ein fauler Kompromiss des Ehrenrats liess ihn aber dennoch im Amt.

Schalke hatte da die Chance auf einen echten Neuanfang, mit den noch frischen Mitarbeitern Schneider und auch Michael Reschke, die erst ein paar Monate im Klub waren und Schalke ganz neu ausrichten sollten. Vermutlich wäre ein Abgang von Tönnies damals eine gute Wendung gewesen, um wirklich einen zwar harten, aber dann eben auch sauberen Schnitt hinzubekommen.

So hielt sich Tönnies ein paar Monate in der Versenkung und trat dann plötzlich, als wäre nichts gewesen, wieder auf die Bühne. Damit blieben auch die Strukturen im Klub zementiert. Keine wichtige strategische Entscheidung wurde ohne Tönnies' Zustimmung getroffen, das blieb Gesetz.

Im Hintergrund begann der Betrieb Schalke aber nach und nach zu bröckeln. Finanzchef Peter Peters verkündete nach 27 Jahren seinen Rückzug, Medienchef Thomas Spiegel machte von einem Tag auf den anderen Schluss. Über die Beweggründe ist wenig bekannt, Spiegel wolle dem Klub alsbald in anderer Funktion wieder dienen.

Wie geht es nun weiter bei Schalke 04?

Mit der Corona-Pandemie und deren Folgen implodierte die Situation, erst in Tönnies' Zerlegebetrieb und letztlich dann auch auf Schalke. Die Fans, mit denen Tönnies nicht selten medienwirksam in der Kurve gestanden hatte, folgten ihm nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Tönnies war nur noch eine Reizfigur, der für alles stand, das die Werte des Klubs konterkariert. Als Unternehmer, als Klub-Chef und als Mensch.

In den Hintergrund rückten sein Engagement und die Leidenschaft für Schalke, die niemals gespielt oder aufgesetzt war. Das war echt. Mit Tönnies geht auch derjenige, der trotz aller Nebengeräusche und Vorbehalte für den Klub wirtschaftlich lebenswichtige Deals wie den mit Gazprom einfädelte und der mit einem Netzwerk arbeitete, das auf Schalke sonst keiner zu bieten hatte.

Aber Schalke ist eben ein zerrissener Klub und Mittelpunkt dieser Tragödie war zuletzt ausschliesslich Clemens Tönnies. Insofern ist sein Abgang vielleicht auch als letzter Dienst an seine grosse Liebe zu verstehen. Jetzt ist der Weg frei für andere und damit enden vielleicht auch die endlosen und hitzig geführten Debatten. Die Frage ist nur, wer auf einen omnipräsenten Macher wie Tönnies eigentlich folgen soll.

Das hohe Risiko der Ausgliederung

Jobst und Schneider sind die einzig verbliebenen Vorstände, aber beide weit davon entfernt, einen Klub führen zu können. Im Aufsichtsrat dürfte wohl Vize Jens Buchta nachrücken und zumindest offiziell den Tönnies-Posten übernehmen - nicht aber dessen Machtfülle.

Das alles passiert in einer Zeit, die so ungewiss und schwierig ist, wie selbst für den krisenerprobten FC Schalke 04 noch nie zuvor. Seit Monaten treibt Schalke die Ausgliederung seiner Lizenzspielerabteilung voran, der Klub will sich öffnen für Investoren. Und er hat das Land Nordrhein-Westfalen schon gebeten, einen Kredit über kolportierte 40 Millionen Euro durch eine Bürgschaft abzusichern.

Nur so sind offenbar die Lücken im Haushalt irgendwie zu stopfen, welche die Coronakrise nochmal deutlich vergrössern wird. Allein die Unterdeckung durch die zuletzt und auch in naher Zukunft fehlenden Einnahmen aus dem Ticketing und Sponsoring wird auf rund 40 Millionen Euro geschätzt.

Sich in einer solch prekären Lage auf das Drahtseil einer Ausgliederung zu schwingen und das ohne entsprechendes Führungspersonal, ist hochriskant. Aber wie der Abgang von Clemens Tönnies auf Schalke vielleicht auch alternativlos.

Verwendete Quelle:

  • Website von Schalke04: "Clemens Tönnies legt sein Amt beim FC Schalke 04 nieder"
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