Der DFB will die Frauen-Bundesliga reformieren. Noch sind die exakten Details nicht festgelegt, doch ein Gerüst steht. Wie ist der Plan des Verbandes zu bewerten?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Beim DFB schrillen derzeit die Alarmglocken. Nach Jahren, in denen mehrfach und überall davor gewarnt wurde, dass der deutsche Fussball der Frauen überholt werden könnte, war das Jahr 2023 offenbar eine Art Wecker für den Fussball-Verband.

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Nachdem die DFB-Frauen bei der Weltmeisterschaft früh ausgeschieden sind, waren der VfL Wolfsburg, der FC Bayern und auch Eintracht Frankfurt nicht in der Lage, die K.-o.-Phase der Champions League zu erreichen. Vor allem der Kontakt zu England – und weltweit gesehen zu den USA – scheint verloren zu gehen.

Felicitas Rauch, jahrelang Stammspielerin beim VfL Wolfsburg, wechselte im Winter zu North Carolina Courage in die Vereinigten Staaten. Wie der Klub bekanntgab, ist auch Führungsspielerin Dominique Janssen auf dem Absprung. Die Niederländerin bevorzuge nach Informationen der "WAZ" einen Wechsel nach England, wo die vier Top-Klubs Chelsea, Arsenal, Manchester United und Manchester City Interesse hätten.

Auch Lena Oberdorf wurde von englischen Klubs umworben, hätte dort noch deutlich besser verdienen können. Letztendlich entschied sie sich für den FC Bayern – dem im Moment einzigen Klub in Deutschland, der einen für Top-Spielerinnen rundum attraktiven Standort anbieten kann. Wolfsburg hingegen droht der Absturz. Für die Bundesliga hätte das im internationalen Vergleich weitreichende Folgen. Kein Wunder also, dass der DFB jetzt reagieren muss.

"Wachstums- und Professionalisierungsplan" des DFB

DFB-Geschäftsführer Holger Blask veröffentlichte im Februar, dass es einen "Wachstums- und Professionalisierungsplan" für die Bundesliga der Frauen gebe. Ein Beschluss aber sei noch nicht erfolgt. Wie die "Sportschau" berichtete, gibt es aber schon konkrete Eckpfeiler. So sollen bis 2031 Investitionen von 135,8 Millionen Euro notwendig werden.

Wie genau dieses Geld verteilt wird, bleibt im Bericht offen. Folgende Veränderungen sollen jedoch in den kommenden Jahren angestossen werden:

  • Mindestgehalt für alle Spielerinnen der Bundesliga
  • Höhere Stadionkapazitäten inklusive Rasenheizung und Flutlicht
  • Grössere Mitarbeiterstäbe in Vollzeit sollen verpflichtend sein
  • Aufstockung der Liga in den kommenden Jahren
  • Einführung des VAR
  • Einführung eines Supercups

Umfassende Reformen also, die an vielen Stellen auf den ersten Blick sinnvoll, gar wie ein Quantensprung aussehen. Doch wie durchdacht und wie gut ist dieser Plan tatsächlich?

Mindestgehalt und Stadionauflagen: Guter Wille

Schon seit Jahren fordern viele Spielerinnen, dass es einen Mindestlohn in der Bundesliga gibt. Auf der anderen Seite stehen die Argumente einiger Klubs, dass die Frauenabteilungen derzeit ein defizitäres Geschäft sind. Bundesliga-Klubs mit einer Lizenzmannschaft im Profibereich der Männer machten laut aktuellen Berichten des DFB im Durchschnitt 1,5 Millionen Euro Verlust in einer einzigen Saison.

Laut der "Sportschau" soll nun also ein Mindestgehalt beschlossen werden, das zwischen 2.190 und 3.650 Euro pro Monat liegt – bezahlt an 22 Kaderspielerinnen. 62 Prozent verdienen demnach im Moment unter 2.920 Euro, 35 Prozent der Bundesliga-Spielerinnen gar weniger als 2.000 Euro. Nur vier Prozent, hauptsächlich bei Bayern und Wolfsburg aktiv, bekämen ein fünfstelliges Monatsgehalt.

Noch ist allerdings unklar, wie der DFB das Thema angeht. "Ein Mindestgrundgehalt zur Förderung der Professionalisierung ist Bestandteil der Überlegungen", wird Blask von der "Sportschau" zitiert: "Die adäquate Höhe und Mechanik ist jedoch – wie viele andere Aspekte auch – Gegenstand unserer aktuellen Diskussionen mit den Klubs und keineswegs schon festgelegt."

Wer trägt die Kosten der Reformen?

Dort soll Uneinigkeit herrschen. 50 Prozent der Klubs wären einverstanden mit einem Mindestgehalt von 3.000 Euro, die andere Hälfte offenbar nicht. Grund dafür dürfte auch die Frage sein, woher das Geld kommen soll. Das gilt genauso für die Auflagen bei den Stadien, die dem Bericht zufolge zukünftig mindestens 5.000 Plätze, eine Rasenheizung und Flutlicht bieten sollen. Äussern wollen sich die Klubs der Bundesliga bisher nicht dazu, die Verhandlungen mit dem DFB gehen weiter.

Die Stadionauflagen würden unter anderem auch den FC Bayern betreffen, der am Campus meist nur Platz für 2.500 Fans hatte. Bei einem Testlauf in der aktuellen Saison gegen Wolfsburg konnte man die Kapazität auf knapp über 4.000 Plätze steigern. Es geht dabei vor allem um Sicherheitsbestimmungen. Doch ob auch 5.000 möglich sind, ist unklar – ebenso wie die Frage, ob man ein grösseres Stadion regelmässig vollbekommen würde.

Klubs wie die SGS Essen oder Turbine Potsdam (2. Bundesliga) würden finanziell weiter benachteiligt werden – auch wenn Essens Stadion die Anforderungen bereits erfüllt. Denn sie können als reine Frauenfussball-Klubs nicht mit grossen wirtschaftlichen Verlusten arbeiten und haben dementsprechend begrenzte Möglichkeiten. In der Saison 2021/22 machten diese Klubs laut DFB im Durchschnitt 151.000 Euro Verlust, in den Vorjahren sogar kleine Gewinne. Die weitreichenden Kosten sind für sie ohne Unterstützung kaum zu tragen.

Es ist fraglich wie ein etwaiges Modell aussehen könnte. Unterstützung des DFB gab es in der Vergangenheit dahingehend kaum bis gar nicht. Ein Schritt in Richtung dieser Reformen wäre also ein weiterer Schritt weg von jenen Klubs, die mit der SGS Essen ihren letzten Vertreter in der obersten Spielklasse haben.

Bundesliga: Professionalisierung zwingend notwendig

Auf der anderen Seite gibt es womöglich auch keinen Weg, der die angestrebte Professionalisierung mit den Interessen der reinen Frauenfussballvereine verknüpfen kann. Zumindest erscheint das bei steigenden Ausgaben und dem rasanten Wachstum der letzten Jahre unwahrscheinlich.

Klar ist, dass der DFB reagieren muss, um die Bundesliga wieder attraktiver zu machen. Dabei geht es nicht nur um den Verlust und Gewinn von Top-Stars, sondern auch um den Wettbewerb an sich. Die Schere zwischen den drei, vier besten Teams des Landes und den abstiegsbedrohten Klubs ist riesig.

Die Bereitschaft zur Investition ist selbst bei den Vereinen mit einer Männer-Bundesliga-Mannschaft nicht gleich gross. Es wird nach wie vor an zu vielen Stellen gespart. Striktere Vorgaben des DFB könnten hier Abhilfe schaffen und die Liga tatsächlich weiter nach vorn bringen. Gerade die Mitarbeiterstäbe sind bei vielen Teams noch erschreckend gering.

In Zukunft sollen Chef-, Assistenz- Torwart- und Athletiktrainer, Physiotherapeut und Videoanalyst verpflichtend sein. Auch über eine feste psychologische Betreuung sollte der DFB nachdenken. Die Belastung der Spielerinnen ist um ein Vielfaches gestiegen – physisch durch die Anzahl an Spielen, aber eben auch psychisch durch die gewachsene Aufmerksamkeit und den dadurch entstehenden Druck.

Lena Oberdorf verriet kürzlich in einem Interview mit den Vereinsmedien des VfL Wolfsburg, dass psychologische Unterstützung ihr in den letzten Monaten sehr geholfen hat. Zumindest bei den Klubs, die tagtäglich im Fokus stehen, sollte eine solche Betreuung zum Standard dazugehören.

Aufstockung der Bundesliga: Sinn und Unsinn

Standard sind in der Bundesliga derzeit zudem zwölf Teams, die sich an 22 Spieltagen duellieren. Der Reformplan des DFB sehe eine sukzessive Aufstockung der Liga vor: 14 Klubs ab 2027, 16 Klubs ab 2031. Viel zu spät sagen jene, die schon seit Jahren eine breiter aufgestellte Bundesliga fordern.

Allerdings hat Blask ein berechtigtes Argument dafür, warum selbst der jetzige Plan noch nicht in Stein gemeisselt ist: "Sonst führt die Aufstockung zu einer noch weiter auseinanderdriftenden Mehrklassengesellschaft. Aktuell stehen unseres Erachtens keine vier weiteren Klubs vor der Tür, die entsprechende Strukturen und sportliche Qualität mitbringen."

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Schon jetzt ist der Abstand zwischen dem ersten und dem zwölften Rang zu eklatant. Bevor man ernsthaft über eine Aufstockung diskutieren kann, sollte sich vor allem auch der DFB Gedanken darüber machen, wie er diese Lücke schliesst. Auch der Qualitätsunterschied zwischen der Bundesliga und der 2. Bundesliga ist riesig. Teams, die aufsteigen, haben es schwer, sich oben zu etablieren.

Mittel- bis langfristig ist eine grosse Bundesliga zwar erstrebenswert, doch diese sollte nicht mit einem einfachen Beschluss einhergehen. Es braucht strukturelle Ideen seitens des DFB, wie man den deutschen Fussball breitflächig stärkt und nicht nur an der Spitze. Das wird die grosse Herausforderung dieser Reform sein.

Frauen-Bundesliga: Immer mehr in Richtung Männer-Bundesliga

Und genau deshalb sind die ersten Details, die zur angestrebten Reform durchgesickert sind, auch ambivalent zu bewerten. Natürlich überwiegt zunächst der positive Aspekt, dass der DFB sich der Sache offenbar ernsthafter annehmen möchte, als in den vergangenen Jahren. Diese Reform könnte sich als Meilenstein für den deutschen Fussball der Frauen erweisen.

Obwohl das ausser Frage steht, werden viele jedoch auch zu Recht Bauchschmerzen damit haben. Jahrelang wurde über den Weg der Zukunft diskutiert und darüber, dass es nicht zielführend sein kann, den Männerfussball strukturell zu kopieren. In Fragen der finanziellen Verteilung geht es seit Jahren aber genau in diese Richtung.

Dennoch bleibt abzuwarten, wie die Reformpläne letztendlich aussehen werden. Ursprünglich wollte der DFB die Änderungen bereits Ende 2023 auf den Weg bringen, um sie im Mai dieses Jahres beschliessen zu lassen. Man will nun schnellstmöglich eine Einigung mit den Klubs erzielen, um die Reformen zum Ende des Jahres auf den Weg zu bringen.

Der DFB warnt vor weiteren Verzögerungen und vor "Perspektivverlust". Man könne von anderen Initiativen überholt werden. Das wiederum hat sich der Verband mit zu spätem Handeln vor allem selbst zuzuschreiben. Die Alarmglocken schrillen, die Interessen der Klubs sind sehr unterschiedlich. Es wird ein richtungsweisendes Jahr für den deutschen Fussball der Frauen.

Verwendete Quellen

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