Von 2013 bis 2017 trug Roberto Hilbert das Trikot von Bayer Leverkusen. In dieser Zeit konnte sich die Werkself regelmässig für die internationalen Wettbewerbe qualifizieren. Meister aber wurde Hilbert nicht mit Bayer 04, sondern bereits Jahre zuvor mit dem VfB Stuttgart.
Wir haben mit dem früheren Nationalspieler über den ersten Meistertitel der Leverkusener Vereinsgeschichte, die Väter des Erfolgs und die weiteren Titel-Chancen seines Ex-Klubs gesprochen. Zudem blickt der heutige U19-Trainer der SpVgg Greuther Fürth auf seine aktive Laufbahn zurück und verrät, dass er eines Tages "Cheftrainer in der Bundesliga" werden möchte.
Herr Hilbert, Sie haben einst vier Jahre als Fussballer bei Bayer Leverkusen verbracht. Was bedeutet Ihnen die erste Meisterschaft Ihres Ex-Klubs?
Roberto Hilbert: Grundsätzlich freue ich mich extrem für den Verein und die Verantwortlichen – vor allem auch für die Personen, die zu meiner Zeit in der Verantwortung standen. Ich denke zum Beispiel an
Wer waren für Sie die "Meistermacher" auf dem Platz und welchen Anteil hat Trainer
Zunächst einmal möchte ich ausdrücklich Simon Rolfes (Sport-Boss von Bayer Leverkusen; Anm. d. Red.) zu seinem guten Händchen beglückwünschen. Er hat mit Xabi Alonso einen hungrigen Trainer nach Leverkusen geholt, der aus seiner Zeit als Spieler genau weiss, wie man Titel gewinnt. Auch mit den Transfers lag er goldrichtig – von Granit Xhaka bis hin zu Spielern wie Victor Boniface oder Jeremie Frimpong, die man vorher vielleicht noch nicht so gut kannte. Einen grossen Anteil an der Stabilität in der Defensive hat
Fahren Sie gerne fort.
Alonso ist mittlerweile einer der gefragtesten Trainer Europas. Hat Sie sein Bekenntnis zu Bayer Leverkusen überrascht?
Teils, teils. Wenn man mit Real Madrid, dem FC Liverpool und dem FC Bayern in Verbindung gebracht wird, dann klingt das für Aussenstehende erst einmal nach Wechseloptionen, die man eigentlich nicht ausschlagen kann. Ich aber feiere Xabi Alonso für seine weise Entscheidung, nicht direkt zu einem der grössten Klubs der Welt zu gehen, sondern in Leverkusen noch mehr bewirken zu wollen. Er hat ja auch deutlich gemacht, dass es eigentlich gar nicht sein Plan war, gleich in seiner ersten Saison deutscher Meister zu werden. Aussagen wie diese zeigen, wie demütig Alonso mit dem Erfolg umgeht. Ich rechne ihm das sehr hoch an.
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Der Trainer geht mit gutem Beispiel voran und könnte damit den Grundstein gelegt haben, dass die Mannschaft weitestgehend zusammenbleibt. Ist Leverkusen in Deutschland ab sofort der Top-Favorit auf Titel – und der grosse FC Bayern nur noch der Herausforderer?
(lacht) Dass der FC Bayern mal der Herausforderer ist, ist grundsätzlich ein schöner Gedanke. Viele Fussballfans, deren Herz nicht für die Bayern schlägt, werden das vermutlich ähnlich sehen und sagen, dass es einfach mal an der Zeit für einen anderen Meister war. Um auf Alonso zurückzukommen: Ich glaube, dass seine Entscheidung das internationale Trainerkarussell schon ein Stück weit ins Rollen gebracht hat. Von seiner Personalie hing einiges ab. Für Leverkusen bringt sein Verbleib natürlich einen positiven Effekt mit sich. Viele Spieler werden dem Beispiel ihres Trainers folgen, weil sie erkennen, dass das Kapitel noch nicht zu Ende ist.
Leverkusen ist nicht zu besiegen
Auch in dieser Saison ist die Erfolgsgeschichte noch nicht auserzählt. Gehen Sie davon aus, dass Leverkusen diese Saison ohne Niederlage beenden wird?
Ich kann mir gut vorstellen, dass sie es durchziehen werden. Bayer Leverkusen kann in dieser Saison schliesslich noch zwei Titel gewinnen. Wenn man mit der Meisterschaft bereits einen Teil einer Geschichte geschrieben hat, dann möchte man auch unbedingt die Chance nutzen, diesen Erfolg mit einem Double oder sogar einem Triple noch weiter auszubauen. Der Ansporn ist nach wie vor gross. Ich persönlich wäre als Spieler hoch motiviert gewesen, alles dafür zu tun, damit die Serie nicht reisst. Am Ende wird man damit in den Geschichtsbüchern stehen.
Wie viele Titel werden es denn am Ende?
Da muss man ein bisschen vorsichtig sein. In der Vergangenheit haben wir schon einige wilde Ergebnisse gesehen, mit denen man so im Vorfeld nicht gerechnet hat. Kaiserslautern im Pokalfinale (am 25. Mai; Anm. d. Red.) hört sich erst einmal leicht an, aber es ist ein K.-o.-Spiel, in dem auch die Leverkusener an ihr Maximum gehen müssen. Denn die "Roten Teufel" werden mit Schaum vor dem Mund ins Spiel gehen. Klar ist aber auch: Wenn die Mannschaft von Xabi Alonso ihr Pensum abruft, ist der DFB-Pokalsieg der naheliegendste zweite Titel. Ich traue dem Team aber sogar noch mehr zu.
Hatten Sie im Verlauf der Rückrunde eigentlich noch Zweifel an der ersten Leverkusener Meisterschaft?
Ein Ausrufezeichen war sicherlich der überzeugende 3:0-Sieg im Februar gegen Kontrahent Bayern. Noch mehr hat mich beeindruckt, dass sie ihre Top-Leistung während der gesamten Saison konstant auf den Platz gekriegt haben. Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen war das der einzige Zweifel, den ich hatte. Diese Konstanz hatten wir während meiner vier Jahre in Leverkusen damals leider nicht. Aber auch diese Zweifel hat mir die aktuelle Mannschaft genommen.
Woran hat es Ihrer Meinung nach damals gelegen? Leverkusen war damals immer für einen Champions-League-Platz gut, aber eben nicht für den Meistertitel.
Natürlich zählte Bayer Leverkusen bereits zu meiner Zeit zu den Top-Klubs der Liga. Daher sind wir auch immer mit dem Ziel in eine Saison gegangen, die direkte Qualifikation für die Champions League zu schaffen. Am Ende des Tages willst du als Fussballer aber auch Titel gewinnen. Es ist schwer zu sagen, warum uns das nicht gelungen ist – zumal wir einige Spieler auf höchstem Niveau hatten. Häufig scheitert es an Kleinigkeiten. In meiner ersten Saison 2013/14 waren wir nach der Hinrunde Zweiter, wurden am Ende aber "nur" Vierter.
Leverkusen und "das Glück des Tüchtigen"
Sie sind damals im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Leverkusens diesjährigen Finalgegner Kaiserslautern ausgeschieden …
Ja, und danach haben wir keines der darauffolgenden acht Pflichtspiele mehr gewinnen können. Wir sind also in einen Negativstrudel geraten, aus dem wir uns nicht mehr richtig befreien konnten. In dieser Saison ist Leverkusen gar nicht erst in solche Probleme gekommen, weil sie die wenigen schwierigen Situationen auch mit Last-Minute-Toren überwinden konnten. Sie haben es schlichtweg durchgezogen – und hatten manchmal eben auch das Glück des Tüchtigen.
2023/24 ist definitiv die Saison Ihrer Ex-Klubs. Sie haben nicht nur vier Jahre in Leverkusen, sondern auch vier Jahre in Stuttgart (2006 bis 2010) gespielt. Warum ist der VfB aktuell so gut?
In Stuttgart habe ich meinen grössten Erfolg gefeiert, die Meisterschaft 2007. Dieser Verein liegt mir – übrigens wie all meine anderen Ex-Klubs auch – sehr am Herzen. Das junge Trainerteam um Sebastian Hoeness hat einen neuen Schwung reingebracht und den Spielern diese intrinsische Motivation, wirklich etwas reissen zu können, mitgegeben. Aus meiner Sicht gibt es da gewisse Parallelen zu der Entwicklung in Leverkusen. Jedem VfB-Fan tut es gut, eine Saison ohne Stress zu erleben.
Während Ihrer Zeit beim VfB wurden Sie auch zum Nationalspieler. Bundestrainer Julian Nagelsmann möchte bei der Heim-EM von dem VfB-Momentum profitieren und wird voraussichtlich einige Stuttgarter, darunter wohl Maximilian Mittelstädt, Chris Führich und Deniz Undav, nominieren. Was gibt man den Jungs mit auf den Weg?
Mehr Stolz geht nicht! Zumindest ging es mir so, als ich in die Nationalmannschaft berufen wurde. Ich kann allen Spielern nur mitgeben, dass sie nie ihre Dankbarkeit und Demut verlieren dürfen. Hochmut kommt vor dem Fall, heisst es – und da ist was dran! Mir ist diese Demut damals ein bisschen abhandengekommen – vielleicht auch, weil mich niemand so richtig an die Hand genommen und mir den Spiegel vorgehalten hat. Zum einen vertrittst du dein Land, zum anderen wirst du als Nationalspieler von Kritikern aber nochmal anders beobachtet und bewertet. Die Angriffsfläche wird grösser. Hoeness in Stuttgart und Alonso in Leverkusen werden sicher darauf achten und die Jungs auf den Boden bringen, wenn sie mal abheben sollten.
Roberto Hilbert möchte Cheftrainer in der Bundesliga werden
Legen Sie heute als U19-Trainer von Greuther Fürth aufgrund Ihrer persönlichen Erfahrungen gesonderten Wert darauf, Ihre Spieler an die Hand zu nehmen?
Zu 100 Prozent. Ob in meinem Privatleben oder in meiner Zeit als aktiver Profi: Ich habe sehr viel erlebt, positive und negative Erfahrungen gesammelt. Dafür bin ich rückblickend sehr dankbar – auch wenn einiges bei mir sicherlich selbstverschuldet war. Ich möchte die Jungs heute auf der einen Seite fussballtechnisch weiterentwickeln und auf der anderen Seite in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Ich spreche von Dingen, die ich nicht nur gehört, sondern selbst erlebt habe. Das ist aus meiner Sicht entscheidend. Meine Jungs wollen da hin, wo ich schon war. Deswegen glauben sie mir auch das, was ich ihnen mitgebe.
Wohin soll Ihre Reise als Trainer noch gehen?
Momentan bin ich sehr glücklich – sowohl mit meiner U19 als auch mit meiner Entscheidung, Trainer zu werden. Der weitere Weg ist für mich klar: Ich möchte in den Profifussball. Wo die Reise am Ende hingeht, muss man abwarten. Aber mein Ziel ist es, Cheftrainer in der Bundesliga zu werden.
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