In einer noch nie dagewesenen Studie will ein Mediziner Dauerkartenbesitzer von Bundesligavereinen auf Corona-Antikörper testen. Damit soll überprüft werden, wie hoch die Durchseuchung des Fussballpublikums ist und ob der Fussball wirklich als Verstärker des Virus fungiert, oder ob die Gefahr einer Ansteckung vielleicht doch nicht so hoch ist, wie gedacht.

Mehr Fussballthemen finden Sie hier

Fritz Sörgel ist Professor für Pharmakologie und Träger des Bundesverdienstkreuzes und dürfte in seiner Funktion kaum einem Fussballfan bekannt sein. Und doch könnte Sörgel der Retter der Fankurven in der Coronakrise sein. Denn Sörgel will eine Studie an Dauerkartenbesitzern aus dem Boden stampfen und so - im Idealfall - bald wieder Konzerte, Theatervorführungen, Lesungen und eben auch Fussballspiele vor Publikum ermöglichen.

Sörgels Idee: Von fünf grossen Bundesligaklubs müssten sich jeweils circa 1.000 Fans jeden Alters und Geschlechts zur Verfügung stellen, die am letzten Spieltag mit Publikum (6.-10. März) im Stadion waren.

Diese Fans würde man laut Sörgel auf Antikörper testen und mit einer Vergleichsgruppe, die nicht im Stadion war, gegenrechnen.

Laut "Zeit" ist Sörgel mit der Idee bereits an DFL und DFB herangetreten. Sie sollen die Vereine motivieren, die Studie zu initiieren und die Fans zum freiwilligen Mitmachen auffordern.

Lesen Sie auch: Alle Entwicklungen in der Sportwelt angesichts der Coronakrise in unserem Live-Blog

Blutproben erst einmal einfrieren

Allerdings müsste es jetzt schnell gehen: "Damit im Sommer oder Herbst entschieden werden kann, ob man wieder Publikum zulässt, und wenn ja, wie viel", sagt Sörgel bei "zeit.de", "muss jetzt gehandelt werden." Die aktuelle Saison, für die die DFL nun mit Geisterspielen plant, spielt in Sörgels Überlegungen keine Rolle.

Zwar sind aktuell noch keine validen Antikörpertests in grosser Menge zu haben, doch das sollte sich bald ändern. Bis dahin könnte man die Proben der Fans und der Vergleichsgruppe einfrieren.

Sobald die Antikörpertests vorhanden seien, seien sie einfach durchzuführen und nicht besonders teuer. Die Ergebnisse stünden häufig schon nach wenigen Stunden fest. Die Studie könnte also bereits nach einer Woche erste Ergebnisse liefern, "die in ein statistisches Modell der Epidemiologen eingespeist werden könnten", glaubt Sörgel im Interview mit "abendzeitung-muenchen.de".

Die Studie wäre natürlich ergebnisoffen. Das heisst, für DFL und DFB bestünde das Risiko, dass die Studie tatsächlich beweist, dass Fussballspiele absolute Hotspots der Coronavirus-Verbreitung sind.

Mögliche Szenarien mit Publikum

Es könnte sich aber eben auch herausstellen, dass das Risiko einer Infektion beim Fussball nicht grösser ist als sonstwo. Dann könnte man darüber nachdenken, schrittweise Publikum bei Veranstaltungen zuzulassen. "Man wird aber nicht gleich die Allianz Arena für 80.000 Zuschauer freigeben können", macht Sörgel in der "Abendzeitung" deutlich, aber vielleicht wären ja immerhin 5.000 Fans im Stadion möglich. "Die Zuschauer müssen dann natürlich mit zwei Meter Sicherheitsabstand eingelassen werden und sitzen dann auch mit zwei Meter Sicherheitsabstand auf der Tribüne. Auch die Anreise ab Zutritt zur S-Bahn und ab Parkplatz – im Auto höchstens zwei Zuschauer und so weiter – muss genau gesteuert werden", beschreibt der Wissenschaftler ein mögliches Szenario.

Abgesehen vom Ergebnis würde eine solche Studie DFL und DFB und auch anderen Veranstaltern ein Zahlenfundament liefern, anhand dessen sich Entscheidungen über weitere Massnahmen treffen liessen. "Wenn man den Leuten ein Jahr lang verbietet, auf Konzerte zu gehen, sollte man das mit Daten belegen können", ist Sörgel in der "Zeit" überzeugt. "Auch wir Mediziner sollten uns fragen: Wie kriegen wir es in den Griff, dass das Volk nicht durchdreht?"

Quellen:

  • "Zeit.de": Bluten für den Fussball
  • "abendzeitung-muenchen.de": Pharmakologe Sörgel: "Da will der Fussball wieder eine Sonderrolle"




JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.