Der FC Bayern München zeigt sich in der Transferpolitik ungewohnt zögerlich, dilettantenhaft und vor allem eines: uneinig. Dabei scheinen allen voran Klub-Präsident Uli Hoeness und Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge unterschiedlicher Auffassung zu sein. Auf Kosten des eigenen Vereins.
Allerbeste Freunde werden sie wohl nicht mehr, die Herren
Was auf dem Platz so gut harmonierte, hat in der Chefetage in den vergangenen Jahren nur noch mittelprächtig funktioniert und im Jahr 2019: fast gar nicht mehr.
Die Konsequenzen trägt der FC Bayern selbst. Der gross angekündigte Umbruch, wofür der Klub immerhin ein gutes Jahr Zeit hatte, steckt im Stau. Die grossen Transfers für die Offensive blieben bisher aus und Trainer
Was bleibt, ist ein grosses Fragezeichen hinter einem Klub, der jede Saison nach dem Maximum strebt, in der Realität aber derzeit den kleinsten Kader in der Bundesliga vorzuweisen hat. Das liegt auch an einer uneinigen Direktion. Und es ist nicht das erste Mal.
1-C-Lösungen statt Einigkeit beim FC Bayern?
So richtig angefangen hatte alles irgendwie mit der Rückkehr von Hoeness in das Präsidentenamt nach seiner Haftentlassung 2016. Zu einer Zeit, als Rummenigge als alleiniges Alphatier das Sagen beim deutschen Branchenprimus für sich beanspruchte.
Er war es, der
Hoeness verlangt Eberl und Rummenigge will Lahm, herauskommt Salihamidzic
Als neuen Sportdirektor im vergangenen Sommer verlangte Hoeness
Als Ancelotti seine Koffer packen musste, kokettierte Rummenigge mit
Wie auch
Niko Kovac als Spielball für die Bayern-Bosse
Für Kovac sollte es jedoch noch dicker kommen. Nach einer Saison, die achterbahnmässiger nicht hätte sein können, gilt Hoeness als Freund, Rummenigge eher als Kritiker des Trainers. Nach der 5:0-Gala gegen Borussia Dortmund im Bundesliga-Endspurt irritierte Rummenigge mit der Aussage, es gebe keine Jobgarantie beim FCB. Mit diesem Druck müsse man klarkommen. Gemeint war Kovac.
Hoeness entgegnete wenige Tage später: "Wie soll ich mit jemandem zusammenarbeiten, den ich bei jeder Gelegenheit infrage stelle? In so einem Spannungsfeld, wie unser Trainer in den letzten Wochen gelebt hat, kann man auf Dauer nicht arbeiten." Gemeint war Rummenigge.
Doch nicht nur der Trainer, auch die Transferpolitik des Vereins leidet zunehmend unter der Uneinigkeit der Bosse. Die mittlerweile berühmte hoenesssche Ankündigung vom Februar ("Wenn Sie wüssten, was wir alles schon sicher haben…") bezeichnete Rummenigge später als keine so gute Idee, nur um fortlaufend genau das selbst zu tun: über mögliche Neuzugänge in der Öffentlichkeit zu sprechen.
FC Bayern und der Fall Leroy Sané - ein Sinnbild der katastrophalen Aussendarstellung
Immerhin: Hier fanden die Bosse zusammen. Leroy Sané sollte die Lösung heissen. Die 1-A-Lösung wohlgemerkt. Das Problem: Es war offenbar die einzige Lösung. Und so kam es, wie es kommen musste:
Alternativen wie Nicolas Pépé oder Hakim Ziyech sind nicht mehr zu haben. Letzterer bestätigte gegenüber der niederländischen Tageszeitung "Algemeen Dagblad" sogar, dass die Münchner zu lange gezögert hätten. Eine Eigenschaft, die man von den grossen Bayern bisher eigentlich nicht kannte.
Hinzu kommt die katastrophale Aussendarstellung des deutschen Rekordmeisters. Haben die Münchner früher mucksmäuschenstill Transfers eingetütet - die Welt erfuhr erst davon, als der Spieler an der Säbener vorgestellt wurde -, posaunt der Verein mittlerweile in Form von Rummenigge, Hoeness und Salihamidzic ständig herum, wen sie denn als nächstes gerne verpflichten wollen.
Da passt es ins Bild, dass sich selbst diese öffentlichen Meinungsbekundungen unterscheiden. Was Rummenigge heute sagt, wird von Hoeness morgen dementiert. Wofür Rummenigge heute Kovac eine verbale Ohrfeige verpasst, macht der Vorstandsboss morgen selbst.
Berater rät Spieler von Wechsel nach München ab
Die Leidtragenden dabei sind Trainer und vor allem der Klub selbst. Laut einem Bericht des "Spiegel" hat ein internationaler Berater seinem Spieler, welcher "viele Millionen Euro wert ist", davon abgeraten, zu den Bayern zu wechseln.
Der Grund: In den Gesprächen mit den Bayern-Verantwortlichen habe er keine stringente Strategie des Vereins heraushören können, keine Perspektive für den Spieler oder kurz gesagt: Beim FC Bayern ist man sich einig, uneinig zu sein.
Es ist die gespielte Ironie, dass Kovac mit Ivan Perisic nun erstmalig einen Wunschspieler bekommen hat, weil die eigentliche Wunschlösung Sané monatelang keinem Fussball hinterherrennen können wird und die Alternativen rar gesät sind. Und fast schon urkomisch: Laut der "Süddeutsche Zeitung" hat der FCB Philippe Coutinho ins Visier genommen. Also einen Spielertypen, den die Münchner erst vor wenigen Wochen in Form von James Rodríguez gen Madrid haben ziehen lassen.
Übrigens: Rummenigge gilt als grosser Fan von James. Hoeness jedoch.. naja, Sie wissen schon.
Verwendete Quellen:
- Spiegel (Ausgabe 33/2019): Eine Baustelle.
- rp-online.de: Chronologie der Hoeness-Rückkehr
- sueddeutsche.de: Bayern hinterlegt Interesse an Philippe Coutinho
- transfermarkt.de: Ziyech: Bayern-Wechsel „hätte passieren können“ – Verlängerung bei Ajax begründet
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