Neuer Trainer, neues Glück? Bayern Münchens Nachwuchshoffnung Julian Green schickt sich an, endlich den Durchbruch bei den Profis zu schaffen. Der Start unter Carlo Ancelotti war recht spektakulär - aber eben auch nur ein erster zaghafter Schritt.

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Jetzt ist die perfekte Zeit. Das war Julian Green schon vor einigen Wochen, vielleicht sogar Monaten bewusst. Der FC Bayern München hatte seine USA-Reise längst geplant, mitten hinein in die Saisonvorbereitung. Da fehlen unter Umständen noch etliche Nationalspieler, wie jene, die bei der Europameisterschaft oder der Copa America im Einsatz waren.

Da werden die Karten völlig neu gemischt, es können sich Talente aus der zweiten oder sogar dritten Reihe anbieten. Dorthin hatte es Green in der abgelaufenen Saison verschlagen: Er war kein Kaderspieler mehr bei den Profis, wurde deutscher Meister und Pokalsieger, ohne auch nur eine Minute gespielt zu haben.

In der Champions League durfte er mal ran, im unwichtigen letzten Gruppenspiel gegen Dinamo Zagreb. Ansonsten war er beim ehemaligen Trainer Pep Guardiola irgendwo in den Kadernummern 26 bis 35 zu verorten, so genau lässt sich das nicht einkreisen.

Sein sportliches Leben spielte sich in der Regionalliga Bayern ab, gegen den SV Schalding-Heining oder den FV Illertissen. 28 Spiele, zehn Tore, vier Assists. Ganz ordentlich, für einen amerikanischen Nationalspieler und die ehemals grosse Hoffnung der Bayern in der vierten Liga aber zu wenig.

Verschenktes Jahr beim HSV

Guardiola ist jetzt weg, spätestens mit dessen angekündigtem Abschied im Winter durfte Green wieder hoffen. Dass nun mit Carlo Ancelotti ein ausgesprochener Spielerversteher sein neuer Chef ist, trifft sich wohl ganz gut. Green wird gerne nachgesagt, er konzentriere sich nicht immer voll auf den Beruf.

Beim Hamburger SV hat er sich versucht, mehr als fünf Bundesligaspiele kamen in einer Saison aber nicht rum. In Hamburg sollte er ins Regionalliga-Team abgeschoben werden und weigerte sich. Der Fall wurde sogar fast zum Politikum zwischen den Bayern und dem HSV. "So wie das abläuft, ist das natürlich nicht in unserem Sinne", zürnte Karl-Heinz Rummenigge. "Wir leihen unsere Spieler aus, damit sie in der höchsten Klasse zum Einsatz kommen und sich weiterentwickeln. Das ist nun nicht der Fall."

Green bestand auf seine Position und war für ein halbes Jahr quasi komplett raus aus dem Spielbetrieb. "Die Erwartungen die ich am Anfang meiner Ausleihe an diesen traditionsreichen und namhaften Klub hatte, wurden leider ziemlich enttäuscht", sagte er nach seinem Intermezzo in Hamburg. Aber auch in der Folge-Saison in München sollte es kaum besser werden.

Green will es bei den Bayern schaffen

Deshalb die Vorfreude auf die USA-Reise, die die Bayern mit einer dezimierten Mannschaft angehen. Einige der Top-Stars weilen schliesslich noch im Urlaub. Und deshalb vielleicht auch die Leistungsexplosion gegen Inter Mailand in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Green war der Matchwinner, in seiner zweiten Heimat USA, mit einem Dreierpack gegen einen der renommiertesten Klubs der Welt. Drei Tore in einem Spiel waren ihm zuletzt gegen die zweite Mannschaft des FC Augsburg gelungen. Nun gegen Internazionale.

Jetzt fragen sich natürlich alle, ob dieser lange verschollene Green auch eine Alternative darstellen könnte, wenn sich die Bayern nicht auf Testspiel-Tour befinden, sondern wenn es in der Bundesliga, im Pokal und in der Champions League um Punkte, Meriten und jede Menge Geld geht. Für den Spieler steht fest, dass er es entweder bei den Bayern-Profis oder gar nicht in München packen will.

"Ich spiele in München, seit ich 14 Jahre alt bin. Bayern war schon immer mein Verein. Ich bin in der Nähe von München aufgewachsen, also war ich schon als Kind ein grosser Fan. Bayern war immer mein Klub und darum ist es mir wichtig, dass ich es hier schaffe. Ich weiss, dass das hart ist, aber ich weiss auch, dass es nicht unmöglich ist", sagte er in einem Interview mit "goal.com". Eine Rückversetzung in die Regionalliga komme zumindest nicht noch einmal in Frage.

Der Spieler selbst ist gefragt

Deshalb gibt er jetzt bei den Profis ordentlich Gas und nutzt die Gunst der Stunde, wenn Konkurrenten wie Robert Lewandowski, Thomas Müller oder Kingsley Coman noch nicht wieder dabei sind. Und er spürt ein neues Vertrauen vom Trainer. "Carlo Ancelotti hat eine Menge Erfahrung und hat mit absoluten Top-Spielern und Top-Teams gearbeitet. Da kann ich jeden Tag etwas von ihm lernen. Er ist ein sehr guter Coach, ein sehr netter Typ. Für mich ist er der perfekte Trainer."

Die Worte überraschen nicht, sie werden von jedem Spieler auf der Welt formuliert, der sich auf einen neuen Chef einlässt und sich davon eine entsprechende Trendwende verspricht. Die Bayern spielten gegen Inter in einem 4-3-3, mit Green in vorderster Front. Im ersten Match der USA-Tournee gegen Milan hatte Green noch Franck Ribery als zweite Spitze an seiner Seite. Damals spielte er unauffällig, der eingeengte Aktionsradius machte sich stark bemerkbar. Der 21-Jährige braucht ein bisschen Platz für sein weiträumig angelegtes Spiel.

Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für einen Angreifer, der beim FC Bayern spielen möchte. Die Bayern haben nie viel Platz, der Gegner steht fast immer dicht gedrängt um den eigenen Strafraum. Auf dem Flügel könnte Green zu einer Alternative werden. Im Angriffszentrum ist an Lewandowski nicht vorbeizukommen. Und auch nicht an der möglichen 1B-Variante Müller.

Diese eine Saison noch läuft Greens Vertrag bei den Bayern. Es wird ein bisschen eine Alles-oder-Nichts-Saison. Die Vorzeichen für eine positive Veränderung seiner Karriere stehen so gut wie noch nie. Jetzt ist aber der Spieler selbst gefordert. Carlo Ancelotti mag ein netter, verständnisvoller Mensch sein. Er ist in seiner Funktion als Bayern-Trainer aber in erster Linie für den sportlichen Erfolg verantwortlich. Dem wird auch Ancelotti alles unterordnen. Am Ende zählt die Leistung - und sonst nichts.

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