Knapp eine Woche ist vergangen seitdem die Meldung durchsickerte, dass Jupp Heynckes die Nachfolge von Carlo Ancelotti als Coach des FC Bayern übernehmen wird. Seit Montag arbeitet die Trainer-Legende mit seinem Team um den enorm wichtigen Co-Trainer Peter Hermann wieder an der Säbener Strasse.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Überall im und um den Verein herum ist ein deutliches Aufatmen zu spüren. Der Verein gewinnt Zeit eine wasserdichte, langfristige Lösung auf der Trainerposition zu finden und wohl kaum jemand zweifelt daran, dass der erfahrene Haudegen Heynckes die Reibereien und Missstimmungen rund um die Mannschaft befriedet.

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Doch es geht für Heynckes auch um eine Reihe von fussballerischen Baustellen, die es zu schliessen gilt. Und das möglichst schnell.

1. Positionsspiel verbessern

Das stilbildende Element der erfolgreichen Münchner Jahre zwischen 2010 und 2015 war das Positionsspiel. Angefangen beim starren Korsett mit eindeutigen Positionierungen unter Louis van Gaal, über einen etwas flexibleren Stil unter Heynckes und einem noch ausdifferenzierten Stil unter Taktikgenie Guardiola.

Die Münchner bewegten sich in ihren besten Phasen wie selbstverständlich in richtigen Räumen und Abständen, um den Gegner offensiv wie defensiv optimal zu bespielen. Die Grundlage dafür war intensives Training.

Unter Ancelotti litt diese Detailarbeit. Auf dem Feld war das zu merken. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen waren häufig viel zu gross. Ein Grund für die Konteranfälligkeit der Bayern in den letzten Wochen und einer von mehreren Gründen für die vorzeitige Trennung von Ancelotti.

Heynckes und sein Team müssen die klaren Strukturen im Positionsspiel wiederbeleben. Dass die erste Übung im Training mit Ball in dieser Woche an der Säbener Strasse eine Passübung mit besonderem Augenmerk auf Passwinkel und die Besetzung von so genannten Halbräumen war, zeigt wie wichtig dieses Element sein wird.

Heynckes steht hier vor einer grossen Aufgabe, denn viel Zeit Automatismen einzustudieren bleibt im Herbst mit vielen Spielen unter der Woche nicht.

2. Kombination im Zentrum finden

In der Triple-Saison gab es im Mittelfeldzentrum eine klare Aufteilung. Ein tiefer Spielmacher (Bastian Schweinsteiger), ein Abfangjäger (Javi Martinez) und davor ein Offensivallrounder wie Toni Kroos oder Thomas Müller. Eine perfekte Kombination, die sich in Stärken und Schwächen gut ergänzte.

In diesem Jahr ist die Auswahl im zentralen Mittelfeld, das das Herzstück einer jeden Ballbesitz-Mannschaft bildet, sehr gross. Mit Thiago, Rudy, Vidal, Martinez, Tolisso, James und Müller gibt es sieben Kandidaten für drei Positionen. Carlo Ancelotti probierte zuletzt alle denkbaren Varianten. Mit durchschnittlichem Erfolg.

Heynckes hat sich noch nicht festgelegt, ob er das 4-2-3-1 aus der Triple-Saison wiederbelebt oder wie Ancelotti stärker auf eine 4-3-3-Staffelung setzt.

Beispielsweise mit James als offensivstarkem Mittelfeldspieler neben zwei klassischen Zentrumsspielern. Heynckes muss hier schnell die richtige Spielerkombination finden.

3. David Alaba in die Spur bringen

Die Leistungskurve des Österreichers ging jahrelang nur in eine Richtung: nach oben. Als Linksverteidiger: Weltklasse. Als Halbverteidiger in der Dreierkette unter Guardiola: Spektakulär. Seit eineinhalb Jahren häufen sich jedoch die Probleme.

Alaba hat immer mal wieder Aussetzer, hat offensiv wenig Einfluss und wirkt defensiv wie zuletzt gegen Paris Saint Germain sogar phasenweise überfordert. Hätte sich Konkurrent Juan Bernat nicht verletzt, wäre Alabas Stammplatz in Gefahr.

Der FC Bayern braucht einen starken David Alaba, der die stärksten Flügelstürmer der Welt verteidigt und gleichzeitig immer wieder eigene Akzente in der Offensive setzt.

Heynckes muss intensiv mit ihm arbeiten, damit er seine alte Form wieder findet.

4. Sinnlose Flanken abstellen

Zwei Spiele hat der FC Bayern in dieser Saison verloren. Gegen Hoffenheim (0:2) und gegen Paris (0:3).

Beide Male fand der FC Bayern keine Antwort auf einen Rückstand. 44 Flanken gegen Hoffenheim und 53 Flanken gegen Paris waren Ausdruck der fehlenden Ideen im Offensivspiel.

Auch beim 2:2 gegen die Hertha waren es beinahe 30 Flanken. Die Hälfte davon in der letzten halben Stunde als Bayern verzweifelt, aber wenig konstruktiv anrannte.

Heynckes muss diese unnötigen Flanken abstellen, andere Wege in den Strafraum etablieren - oder zumindest an der Strafraumbesetzung arbeiten.

5. Flexibler werden

Die Flexibilität im Bayern-Spiel war der Erfolgsgarant der Triple-Saison. Heynckes löste die starren Strukturen der Offensive sukzessive auf.

Robben tauchte links auf, Ribéry in der Mitte. Mal ging die Mannschaft nach Ballverlust engagiert ins Gegenpressing, mal wartete sie etwas defensiver auf ihre Chance. So wie gegen Barcelona im Champions League-Halbfinale.

"Auch Real Madrid hat zuletzt mal aus der Defensive agiert und auf Konter gespielt. Keine Mannschaft der Welt kann über 90 Minuten Pressing spielen. Wir müssen wieder eine Balance finden. Das muss ich der Mannschaft jetzt vermitteln." Das sagte Heynckes bei der Pressekonferenz am Anfang der Woche.

Es zeigt, dass Heynckes die Schwächen der Bayern-Mannschaft auch im Ruhestand kühl und präzise analysiert hat. Jetzt geht es darum diese Probleme schnellstmöglich anzupacken.

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