- Sieben Gegentore kassierte der FC Bayern in den letzten fünf Pflichtspielen.
- Ziemlich genau einen Monat wartet Manuel Neuer damit auf ein Spiel ohne Gegentreffer.
- Die grosse Frage: Wann kriegt Flick die Abwehrprobleme in den Griff?
Inzwischen 12 Gegentore nach 8 Bundesliga-Spielen zeigen, dass es mehr sein könnte als ein kurzfristiger Trend. Behält der Rekordmeister diese Quote bei, steht er am Ende bei über 50 Gegentoren. So viele gab es zuletzt vor 25 Jahren. Neuers Rekord steht bei 17 Gegentreffern in einer Saison. Diese Marke könnte noch vor Weihnachten fallen.
Dass selbst offensiv sonst eher harmlose Bremer am Samstag gegen den FC Bayern zu drei bis vier glänzenden Chancen kamen, sollte Trainer
Spielweise des FC Bayern lädt zu Kontern ein
Die Gründe für die gehäuft auftretenden Defensivprobleme sind vielschichtig. Im Prinzip sind gute Gelegenheiten für den Gegner ein Stück weit in die Spielweise der Münchner eingepreist. Hansi Flick geht mit seinem hohen, aggressiven Pressing bewusst ein grosses Risiko ein.
Das starke Pressing mit vielen hohen Ballgewinnen war in der mit dem Triple gekrönten Vorsaison die entscheidende Waffe der Bayern. Der ein oder andere gefährliche Konter gehört da fast automatisch dazu.
Bayern-Vorstand Oliver Kahn bestätigte das rund um das Champions-League-Finale gegen Paris. Angesprochen auf einige gute Chancen, die Olympique Lyon im Halbfinale gegen die Flick-Elf liegen liess, sagte Kahn: "Glauben Sie mir, da gibt es auf der Tribüne schon so einige, die ab und zu die Nerven verlieren, wenn die Jungs selbst beim Stand von 2:0 (...) weiter nach vorne spielen, um das 3:0 zu machen und dann eben trotzdem mal in den ein oder anderen Konter laufen. Das ist der Stil dieser Mannschaft und das hat diese Mannschaft unglaublich stark gemacht und deswegen wird diese Mannschaft von diesem Stil keinesfalls abrücken."
Es war die grösstmögliche Rückendeckung für Flick und seine Spielidee. Klar war jedoch schon zu Beginn der Saison: Das kraftraubende, intensive Spiel, das die Bayern nach der Corona-Pause zum maximalen Erfolg brachte, wird im Alltagsgeschäft der neuen Saison mit einem brutalen Rhythmus im Oktober und November nur schwer durchzuhalten sein.
Probleme in der Defensive nehmen zu
Zumal die Probleme in der Defensive in den vergangenen Wochen eher zunahmen.
So boten die Münchner am Wochenende phasenweise das schlechteste aus zwei Welten. Bayerns Viererkette schob häufig sehr hoch wie in der Vorsaison. Doch das Mittelfeldzentrum - insbesondere Goretzka und Müller - stand tiefer als es Flicks Stil eigentlich vorsieht.
So war es weder Fisch noch Fleisch. Wenn der Druck auf den ballführenden Spieler vorne fehlt und die letzte Verteidigungslinie durch eine sehr vorgerückte Positionierung trotzdem viel Platz im Rücken bietet, macht man es dem Gegner leicht.
Zahlreiche Durchbrüche, insbesondere von Milot Rashica im Rücken von Benjamin Pavard, waren am Samstag die Folge. Auch der BVB nutzte das vor zwei Wochen beim 3:2-Sieg der Münchner immer wieder aus. Manches funktioniert dann wie eine Kettenreaktion. Macht vorn einer einen Schritt weniger ist das noch zu verschmerzen.
Doch wenn auch die zweite Pressingreihe zu spät kommt, sind es meist nur noch Sekunden bis zu einer potenziellen Grosschance des Gegners. Die Viererkette um Boateng und Alaba kann dann gegen drei oder vier nach vorn sprintende Angreifer meist nur noch reagieren, um das schlimmste zu verhindern. Die Probleme entstehen fast immer weiter vorn.
Kimmichs Ausfall verschärft die Situation
Erschwerend hinzu kommt derzeit, dass die Personallage sich zuspitzt. Nach Alphonso Davies,
Joshua Kimmich war in den vergangenen Monaten der Schlüsselspieler in Bayerns Spiel, weil er das Spiel ordnete und gleichzeitig Anker und Zuläufer im Pressing war. Eine extrem schwierige Aufgabe, die eins zu eins im Kader nicht zu ersetzen ist.
Javi Martínez, der gegen Bremen beginnen durfte, kann hier auf Dauer eher nicht die Lösung sein, wenn Flick sein Spiel beibehalten möchte. Ihm fehlt die Spritzigkeit und Schnelligkeit, um Konter früh abzulaufen und zu klären. Goretzka machte es nach seiner Einwechslung ordentlich. Warum Neuzugang Marc Roca bisher kaum eine Chance von Flick bekam, ist fraglich. Wenn Alaba weiter hinten gebunden ist, wäre er die logische Variante in der aktuellen Konstellation.
Vielen Spielern - vor allem den Neuzugängen - fehlt wertvolle Trainingszeit, um Flicks aufwändiges Spiel einzustudieren. Jede Rotation in der Defensive tut da derzeit weh. Ratsam ist, dass Flick in den kommenden beiden Spielen gegen Salzburg und Stuttgart weitere Varianten testet, um sich dann bis Ende des Jahres stärker festzulegen. Automatismen sind gerade in dieser Saisonphase, in der es schwerfällt kleine Fehler mit höherem Aufwand wettzumachen, ein extrem wichtiger Faktor.
Hansi Flick muss die richtige Balance finden
Durch die Ausfälle ist Flick in den kommenden Wochen noch einmal mehr gefordert, die Mannschaft optimal auszutarieren. Hat die Mannschaft die Kraft und die Form ein aufwändiges hohes Pressing durchzuziehen oder braucht es in dieser Phase insgesamt tiefere Positionierungen, um den Gegner mit mehr eigenem Ballbesitz ein wenig kontrollierter zu bespielen und durch längere Ballzirkulationen tiefer hinten reinzudrücken?
Möglicherweise würde das der Mannschaft in dieser Phase helfen - auch wenn man sich dadurch selbst seiner potenziell grössten Stärken berauben würde. Eine ziemlich knifflige Entscheidung vor der Flick hier steht.
Entscheidend ist, dass die Mannschaft einen Stil durchzieht und sich nicht in halbherzigen Ansätzen verliert. Denn klar ist: Wenn der FC Bayern seine grossen Ziele auch in dieser Saison erreichen will, muss der FC Bayern seine offensichtlichen Defensivprobleme zeitnah abstellen.
Verwendete Quellen:
- Youtube-Account des FC Bayern: FC Bayern Pressetalk mit Vorstand Oliver Kahn
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.