Zehn Tore nach fünf Spielen. Robert Lewandowski ist auf dem Weg, zum sechsten Mal die Torjägerkanone der Bundesliga zu gewinnen. Spielt er so weiter, könnte er tatsächlich in Reichweite des Undenkbaren kommen: den 40-Tore-Rekord von Gerd Müller.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
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Als der FC Bayern Ende August in Lissabon die Champions League gewann, gab es viele glückliche Gesichter und überschwängliche Freude bei den Münchnern. Doch so gerührt und emotional bewegt wie er war wohl keiner: Robert Lewandowski erfüllte sich mit dem Titel einen Lebenstraum und zeigte es damit wohl auch den letzten Kritikern, die mit Blick auf seine angebliche Schwäche in wichtigen Spielen immer noch an seiner Ausnahmestellung herumkrittelten. Mit Tränen in den Augen lief er damals über den Platz und durch die Mixed Zone. Es wirkt, als sei von ihm eine Last abgefallen. Beweisen muss er auf dem Feld jetzt nichts mehr. Er kann einfach spielen.

FC Bayern: Lewandowskis Gala gegen Frankfurt

Wie das aussieht, musste am Samstag die Frankfurter Eintracht erfahren. Vor allem beim ersten Treffer zeigte der 32 Jahre alte Mittelstürmer, was ihn derzeit so stark macht. Mit einer kurzen Bewegung entfernte er sich am Strafraum von Makoto Hasebe. Den anschliessenden Steckpass von Kingsley Coman nahm Lewandowski nicht etwa mit dem starken rechten Fuss an, sondern liess den Ball zum linken Fuss durchlaufen und schloss dann direkt mit links ins rechte Seitennetz ein. Das alles in einer Seelenruhe inmitten von Frankfurter Verteidigern. Es ist die Ruhe und Gelassenheit, die ein Champions-League-Sieg und mittlerweile 246 Bundesliga-Tore mit sich bringen.

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Nicht, dass bei Lewandowski in den Vorjahren noch viel Luft nach oben war, doch es scheint derzeit, als bewege er sich 2020 noch einmal auf einem etwas höheren Niveau als zuvor. Seine Beweglichkeit, mit der er sich ohne grosses Trick-Arsenal um Gegner herumwindet und sich Räume für den Abschluss schafft, ist legendär. Dank seines gestählten Körpers nimmt er es zudem mit jedem Abwehrrecken auf. Zu sehen auch beim 2:0 gegen Frankfurt, als er den fünf Zentimeter grösseren Stefan Ilsanker nach einer Ecke einfach übersprang und aus zehn Metern per Kopf einnickte.

Thomas Müller ist der perfekte Partner

Lewandowski profitiert derzeit zudem von der kongenialen Zusammenarbeit mit Thomas Müller, der sich unter Hansi Flick wieder fest in die Mannschaft gespielt hat. Müller organisiert inzwischen die gesamte Offensive der Münchner mit lautstarken Kommandos und seinen immer noch genialen Laufwegen und Ideen. Die beiden Angreifer stacheln sich im Spiel gegenseitig an und ergänzen sich gut. Müller fordert seinen Mitspielern viel ab, weil er unkonventionell denkt und spielt. Lewandowski ist geradliniger, findet mit seinen geschmeidigen Aktionen fast immer einen Weg, um das umzusetzen, was Müller einfällt.

Gegen Arminia Bielefeld vor einer Woche legten sie sich gegenseitig je einen Treffer vor. Auch ein Muster in Lewandowskis aktuellem Spiel. Mit drei Vorlagen in fünf Spielen ist Lewandowski auch in dieser Kategorie auf einem guten Weg, einen persönlichen Rekord aufzustellen. Es ist ohnehin bemerkenswert, dass der frühere Dortmunder vor wenigen Wochen seine wichtigste individuelle Auszeichnung ausgerechnet in der Karrierephase erhielt, in der er so mannschaftsdienlich spielte wie wohl niemals zuvor. Die Prioritäten von Europas Fussballer des Jahres haben sich verschoben.

Frühe Auswechslung als Signal für mehr Pausen?

Dass Lewandowski dem ziemlich überraschten Flick in der zweiten Halbzeit gegen Frankfurt am Samstag signalisierte, deutlich vor Abpfiff runter zu wollen, passt da nur ins Bild. Der überehrgeizige Torjäger, der sich in der Vergangenheit schon mal auf dem Feld um die Ausführung von Freistössen und Elfmetern stritt, ist gelassen geworden und sieht inzwischen das ganze Bild ‒ mit vielen Spielen in einer langen Saison, bei der sich auch ein Ausnahmeathlet wie er die Kräfte einteilen muss.

Vielleicht könnte ihm genau das am Ende die Chance auf einen anderen historischen Rekord zunichtemachen. Eigentlich verbietet es sich, über die legendäre 40-Tore-Marke von Gerd Müller überhaupt zu reden. Zu viele hatten sich nach gutem Start auf diesem Weg gewähnt und waren kläglich gescheitert. Doch Lewandowski spielt inzwischen auf einem Niveau, dass man ihn durchaus ins Gespräch um diesen Rekord bringen darf. Er selbst kam mit 34 Treffern im Vorjahr nah an Müller heran. 30 Tore in 29 Spielen braucht er nun bis zur magischen Marke. Das bewegt sich im Rahmen seiner Torquote in der vergangenen Saison. Es bräuchte allerdings einen Kraftakt von Lewandowski, der dieser Aufgabe durchaus einiges unterordnen müsste.

Stoppen kann er sich also gewissermassen nur selbst. Seine erbetene Auswechselung am Wochenende spricht eher dafür, dass er in dieser Saison andere Ziele verfolgt, als auf Teufel komm raus den ewigen Rekord von Müller zu brechen. Beweisen muss der vielleicht beste Lewandowski aller Zeiten schliesslich ohnehin niemandem mehr etwas.

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