Die Bayern haben alle Spieler an Bord. Mit einem vollen Kader geht Carlo Ancelotti ins letzte Drittel der Saison. Doch auf den Trainer warten nun einige harte Entscheidungen - wird die gute Besetzung zum Problem?
Wie das wohl ist, wenn das Gedrängel auf dem Hauptplatz an der Säbener Strasse so richtig heftig wird? Die Spieler des FC Bayern kennen dieses Gefühl nicht, weil ja immer irgendwas ist.
Länderspielpausen dünnen den Kader dann aus bis auf vier, fünf Akteure und es muss mit Amateur- und Jugendspielern aufgefüllt werden, um einen vernünftigen Trainingsbetrieb zu gewährleisten. Und natürlich fehlen immer Spieler, die verletzt sind.
Eine Einheit mit allen Akteuren im Kader, das volle Programm: Das gibt es im Prinzip nicht. Noch nicht einmal in der Vorbereitung. Umso erstaunlicher, dass die Bayern, die ohnehin jede Saison mit die meisten Spiele aller Bundesligisten bestreiten müssen, in dieser Woche ausnahmslos alle Spieler im Training haben.
Es ist das erste Mal seit über sieben Jahren, dass den Bayern kein einziger Spieler abgeht. Eine "perfekte Situation" nennt
Die besondere Situation entscheidet sich in dieser Phase der Saison ganz elementar von jenen der vergangenen Jahre. Als es im Frühling die entscheidenden Spiele ging, hatten die Bayern zum Teil eine halbe Mannschaft im Krankenstand. Jetzt stellt sich das ganz anders dar. Das ist aus Sicht der Münchener sehr erfreulich - birgt aber auch ein paar Gefahren.
"Für den Trainer nicht so einfach"
"Zunächst einmal ist es positiv, wenn alle Spieler gesund zurück sind, zumal ab April ja nur noch englische Wochen anstehen", sagt
Bisher hat
Im Gegenteil: Die Bayern haben ihn unter anderem deshalb geholt, weil Ancelotti als Spielerversteher gilt. Weil er es gewohnt ist, mit Luxuskadern umzugehen, egal ob in Mailand, Paris, London, Madrid. Oder jetzt in München.
"Es sind alle fit, das sind gute Nachrichten", sagt Ancelotti und man darf ihm das ruhig auch so abnehmen. Bisher ist von Problemen zwischenmenschlicher Art nichts bekannt. Die Härtefälle der jüngeren Vergangenheit sind zwar bekannt und sie murren und motzen auch ab und zu. Aber ein echtes Problem stellten die unzufriedenen Spieler bisher bei den Bayern nicht dar.
"Ich glaube, jeder kennt seine Rolle innerhalb der Mannschaft und jeder versteht seine Position auch. Dann ist es auch einfacher, Dinge wegzustecken und weiterhin alles für die Mannschaft zu geben", glaubt Lahm den Grund dafür zu kennen.
Prominente "Opfer"
Und es gehört zum "Schicksal" eines Bayern-Spielers dazu, dass er bisweilen auch länger auf der Bank sitzen und warten muss. Thomas "Müller spielt immer" Müller kennt die Situation mittlerweile recht gut. Müller ist genervt, von seiner Saison, seinen Leistungen, seinen Statistiken, seiner Situation. Aber er bleibt erstaunlich ruhig.
Joshua Kimmich, in der Hinrunde noch als verkappter Torjäger unterwegs und unter Pep Guardiola so etwas wie der Lieblingsschüler des Trainers, kommt kaum noch zum Zug. Das hat der Youngster am Wochenende auch mal angesprochen. Er sei nicht zufrieden, hoffe auf mehr Einsatzzeiten.
Was man eben so sagt, wenn man nur noch selten in der Startelf steht. Aber Ancelotti setzt jetzt, wo die Saison in ihre entscheidende Phase geht, mehr denn je auf den Kern seiner Stammelf. Die Rotation hält sich dabei in Grenzen.
Kimmichs Ausführungen wurde sogleich ein staatstragender Charakter zugewiesen und wilde Abwanderungsgerüchte formuliert. Ein paar Tage davor gab es mal wieder ein wenig Wirbel um
Martinez oder Boateng?
Ancelottis grosse Kunst wird in den kommenden Wochen darin bestehen, die leisen oder lauten Zwischentöne im Team zu registrieren und darauf moderat zu reagieren. Weitere Härtefälle sind programmiert. Durch die Rückkehr von
Der Nationalspieler muss langsam wieder auf sein Leistungsniveau gebracht werden. Das geht aber nur über Einsatzminuten. Wohin dann mit
Gut möglich, dass Martinez im Team bleibt und sich Boateng für das letzte Drittel der Saison als Herausforderer sieht. Im Mittelfeld ist der Martinez jedenfalls erst ab kommenden Saison wieder eingeplant, wenn Xabi Alonso abgetreten ist und die Bayern nicht von extern zukaufen wollen.
Der Stamm steht
Neuer, Hummels, Martinez, Lahm, Alaba, Thiago, Robben, Ribery und Lewandowski sind gesetzt, sofern sie fit sind. Ancelotti wird keine grossen Experimente wagen, zumindest nicht in den wichtigen K.o.-Spielen der Pokalwettbewerbe und jenen gegen die Spitzenmannschaften der Liga. Offen ist eigentlich nur die Besetzung der beiden Achterrollen im Mittelfeld, hier haben Alonso und Arturo Vidal die besten Karten.
Costa, Müller, Kimmich, Boateng, Kingsley Coman, Rafinha, Juan Bernat oder Renato Sanches sind die Aushilfen, so hat sich das in der bisherigen Saison zumindest dargestellt. Ihnen bleiben Nebenrollen.
Trainer Ancelotti wird nicht zulassen, dass es zu innerbetrieblichen Störungen kommt. Genau für diese Phase der Saison haben ihn die Bayern geholt. Bisher ist lediglich die (selbstverständliche) Basis gelegt worden, die Bayern sind in der Liga weit enteilt und noch in beiden Pokalwettbewerben vertreten. Das ist die Pflicht.
Jetzt beginnt die Kür. Und da ist es mehr Vorteil als Nachteil, wenn der Kader zur vollen Verfügung steht und sich die Spieler gegenseitig antreiben. Die Energie muss "nur" in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Und Carlo Ancelotti soll ein Meister dieser Kunst sein.
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