Der FC Bayern gewinnt das Spitzenspiel bei Borussia Dortmund nicht im Hurra-Stil, sondern dank einer vorzüglichen Defensivleistung. Die Meisterschaft ist so gut wie entschieden - und beim Gegner auch die Zukunft des Trainers?

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Der Kreis hat sich geschlossen in Dortmund, und das in womöglich jeglicher Hinsicht. Der FC Bayern München hat den deutschen Klassiker oder was man eben dafür hält, gegen Borussia Dortmund mit 1:0 gewonnen. Ein überaus graziles Tor von Joshua Kimmich sorgte dafür, es sorgte für den neunten Pflichtspielsieg in Folge für die Münchener und nun schon für einen Sieben-Punkte-Vorsprung des Rekordmeisters auf den BVB.

Es ist ein gutes halbes Jahr her, dass Hans-Dieter Flick die Mannschaft der Bayern als Cheftrainer übernahm. Flick startete mit einem dereinst verunsicherten Team mit einem Heimspiel gegen Dortmund auf seine durchaus heikle Mission.

Nun von einer Trendwende der Bayern unter Flick zu sprechen, wäre wohl masslos untertrieben. 15 ihrer 18 Bundesligaspiele hat Flick als Chef der Bayern-Profis nun gewonnen und damit eine Startbilanz hingelegt, wie sie vorher nur einem anderen Coach der Münchener gelungen ist: Pep Guardiola. Als Flick übernahm, hatten die Bayern noch einen Punkt Rückstand auf Dortmund und schon deren vier auf Borussia Mönchengladbach. Jetzt enteilt die Mannschaft wie immer in den letzten Jahren der Konkurrenz.

Mats Hummels hakt Titel fast sicher ab

"Ich denke, damit sind alle anderen Mannschaften ausser Bayern raus. Jetzt entscheiden nur noch die Bayern, ob sie es machen oder nicht", sagte Mats Hummels nach dem Spiel bei "Sky" und sprach damit offen aus, was wohl jeder Fussball-Fan in Deutschland denkt: Die Meisterschaft ist so gut wie entschieden.

"Wir sollten zusehen, dass wir einfach unsere Spiele gewinnen und Platz zwei mindestens holen. Sollte sich irgendwie noch einen Chance ergeben, wollen wir da sein. Aber da wir jetzt nichts mehr selbst bewerkstelligen können in der Hinsicht, müssen wir einfach nur noch auf unsere Spiele gucken", schob Mats Hummels noch nach und gab damit auch eine universelle Anleitung für die anderen bayerischen Konkurrenten aus Leipzig und Gladbach heraus.

Der Rest der Liga, ein Klub aus Gelsenkrichen vielleicht mal ausgenommen, hegte ja auch deshalb so grosse Hoffnungen auf einen Sieg des BVB im direkten Vergleich: Damit die Liga spannend bleiben möge bis zum letzten Spieltag. Jetzt, da ja angeblich die ganze Welt zuschaut. Aber beim Aufeinandertreffen der beiden besten Mannschaften des Landes zeigten wieder einmal die Bayern die reifere Leistung.

BVB gegen FC Bayern: Cleverness und ein bisschen Glück

Vielleicht waren es nur Kleinigkeiten, die den Unterschied machten. Aber in diesen vielen Details waren die Bayern eine Spur besser. Am Wochenende hatte Flicks Mannschaft in der Gewissheit des sicheren Sieges gegen Frankfurt noch ordentlich geschludert, weshalb der Trainer unter der Woche ein wenig mehr Zug reinbringen musste.

Das Ergebnis zeigte sich nach der Schrecksekunde gleich zum Auftakt, als Jerome Boateng einen Schuss von Erling Haaland von der Linie kratzen musste, im Verlauf der Partie. Der BVB war fast auf Augenhöhe, er erspielte sich fast einige gute Möglichkeiten, hätte fast getroffen und auch fast einen Handelfmeter zugesprochen bekommen. Aber die Bayern liessen die Gastgeber dann doch nicht. Und Schiedsrichter Tobias Stieler und der Kölner Keller ahndeten Boatengs sehr diskutablen Armeinsatz bei einem weiteren Schuss von Haaland in der zweiten Halbzeit als nicht strafwürdig.

Sehr viel Münchener Abgezocktheit und ein bisschen Glück bei einer wichtigen Schiedsrichterentscheidung waren das Fundament für einen Arbeitssieg, den sich die Bayern - das vergisst man angesichts der fulminanten Tormaschinerie - mit einer eindrucksvollen Defensivleistung sicherten. In den ersten zehn, 15 Minuten konnte Dortmund den Gegner noch gut anlocken und dann mit zwei, drei kurzen Pässen ausspielen, das Pressing der Bayern griff da noch ein wenig ins Leere. Weil aber die Restverteidigung passte und der BVB "ein wenig umständlich" vor dem gegnerischen Tor spielte, wie Hummels betonte, kam Dortmund kaum noch zu klaren Torchancen.

BVB zerschellt an Bayerns Abwehrbollwerk

In den 16 Spielen seit dem 0:4 von München im Herbst hatte Dortmund in jedem Bundesligaspiel nicht nur getroffen, sondern war teilweise sogar explodiert. Drei Mal gab es vier Dortmunder Tore, vier Mal sogar deren fünf. Und nun die erste Nullnummer, wieder gegen die Bayern. Die Münchener erwiesen sich als Kryptonit für Dortmunds Offensivwirbel, an Spieler wie Boateng, am zum Innenverteidiger umfunktionierten David Alaba und am neuen Wunderkind Alphonso Davies zerschellte der BVB förmlich.

Alaba und Davies beschreiben die Entwicklung der Bayern wohl am besten: Der eine schien als Aussenverteidiger fast schon ein Auslaufmodell und beginnt nun in der Zentrale der Abwehr eine neue Karriere bei den Bayern. Und Davies? Ist ein Phänomen. Es stimmt nicht immer alles beim Kanadier, manchmal will er zu viel auf einmal, ist mal zu spät im Zweikampf dran oder beim Herausrücken. Dann scheint er raus aus der Situation, überspielt, der Ball unerreichbar. Die Gnade der Jugend und seine unbeschreibliche Flinkheit lassen Davies dann aber doch noch irgendwie noch einen Fuss an den Ball bringen oder einen Gegenspieler einholen.

"Meep, meep, meep, the FC Bayern roadrunner comes ahead and steals the ball", sagte Thomas Müller in einem Interview mit der englischen Redaktion von "bundesliga.de" über seinen Mitspieler. Und besser kann man Davies' überragendes Tempo wohl nicht auf den Punkt bringen. Jedenfalls schaffte es der immer noch erst 19-Jährige, den schnellsten Spieler der Bundesliga, Gegenspieler Achraf Hakimi, nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Die vielen Verlagerungen, die es der BVB gewohnt ist zu spielen, um Hakimi dann einfach am Gegenspieler vorbeisprinten zu lassen, fielen als Stilmittel also fast komplett aus.

BVB-Trainer Lucien Favre irritiert

Und auch durch die Mitte fand der BVB kein Durchkommen, der zuletzt bärenstarke Julian Brandt war abgemeldet und musste schon zur Halbzeit raus. Dortmunds Trainer Lucien Favre versuchte alles, warf auch Mario Götze noch in die Schlacht. Einem zweiten Tor in diesem Spiel näher waren aber bis zum Ende die Bayern.

Für den BVB geht es jetzt, wie Hummels bestätigte, nur noch darum, irgendwie die Vizemeisterschaft zu sichern. Nach dem Ausscheiden in der Champions League und im DFB-Pokal bleibt die Borussia in dieser Saison ziemlich sicher ohne Silberware. Auf diesen Umstand und seine Verantwortung daran angesprochen, sprach Favre ein paar undurchsichtige Sätze aus.

"Das (Er könne keine Titel gewinnen, Anm. d. Red.) sagt man hier seit Monaten. Ich lese nicht die Zeitung, aber ich weiss, wie es geht. Ich werde darüber sprechen in ein paar Wochen. Ich bleibe ruhig, vertraue mir." Nachdem es im letzten Herbst einige Turbulenzen gab, es nach starken Leistungen zuletzt aber eher wieder ruhiger um den Schweizer Favre und dessen Zukunft in Dortmund wurde, dürften die Spekulationen um ein vorzeitiges Ende beim BVB nun wieder Fahrt aufnehmen.

Den Bayern wird das herzlich egal sein. Ihr Zyklus geht aller Voraussicht nach weiter. In ein paar Wochen sollte der achte Meistertitel in Folge unter Dach und Fach sein.


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