Arturo Vidal und Douglas Costa veredeln das Spiel des FC Bayern München auf verschiedenen Ebenen. Die beiden füllen genau die Lücken aus, die zuletzt für Probleme gesorgt haben. Eine neue Situation für Xabi Alonso und Franck Ribéry - sie spüren die starke Konkurrenz schon jetzt.

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Noch ist die neue Saison sehr jung, da erscheint eine Bewertung oder Zwischenbilanz kaum relevant. Und doch ist es so, dass beim FC Bayern München jetzt schon bestimmte Muster zu erkennen sind. Zum Beispiel die Tatsache, dass sich die Mannschaft von Pep Guardiola noch ein Stück mehr verabschiedet vom Dogma des Ballbesitzfussballs.

Dass die Bayern ihre Stärken zwar beibehalten, sie aber dosierter und variabler einsetzen, sie verfeinern, flexibler agieren und auch vermeintlich einfache Dinge in ihr Spiel einfliessen lassen. Schnöde Offensivstandards zum Beispiel, die nun auch direkt zum Tor getreten werden, anstatt jeden Freistoss, jede Ecke auszuspielen, um dann wieder in eine ewige Ballzirkulation zu verfallen.

Die Bayern haben den Hamburger SV zum Auftakt in die Bundesliga-Saison leicht mit 5:0 abgefertigt, sie haben aber beileibe nicht annähernd ihre Bestleistung auf den Platz gebracht, oder besser: bringen können. Gegen einen ausschliesslich auf die Defensive beschränkten Gegner ist das Spiel durchs Zentrum ein Problem, erstaunlich viele Angriffe bleiben in der ersten Halbzeit im Ansatz stecken. Erst, als zwei Spieler die Initiative übernehmen, rollt der Bayern-Express an: Es sind Arturo Vidal und Douglas Costa, die an einem zwar torreichen, aber fussballerisch nicht besonders exzellenten Abend die Schlagzeilen bestimmen.

Arturo Vidal will die Liebe der Fans

Trainer Guardiola waren die Nachfragen nach der Partie nicht recht, der Kollektiv-Fanatiker hält wenig davon, einzelne Spieler herauszustellen oder gar im Überschwang zu loben. Aber auch Guardiola musste zugeben, dass Vidal und Costa es waren, die den gravierenden Unterschied zu den Bayern der vergangenen beiden Spielzeiten ausgemacht hatten - und das nicht nur gegen den HSV, sondern auch schon im anderen Pflichtspiel gegen einen vorzeigbaren Gegner, beim Supercupfinale gegen Wolfsburg.

Die Auftritte der beiden Südamerikaner zeigen den Weg auf, den die Bayern in dieser Saison (auch) beschreiten wollen, der ihnen eine neue Qualität in ihrem Spiel beschert und sie für den Gegner schwieriger ausrechenbar macht. Es ist die Präsenz von Vidal im Zentrum. Der Chilene ist wegen seiner robusten Spielweise als laufendes Fallbeil verschrien, als aggressiver Anführer ein Paradebeispiel dafür, einem Gegner auch einmal wehtun zu können, wenn es denn sein muss. Praktischerweise ist Vidal dazu auch ein richtig starker Fussballer. Gegen den HSV hatte er am Ende 139 Ballaktionen, die meisten aller Spieler auf dem Platz.

"Ich werde Schritt für Schritt die Liebe der Fans und des Vereins gewinnen und jede Chance nutzen, um in die Startelf zu kommen", sagt Vidal. In seinem Vorhaben ist er schon recht weit, die Fans skandieren bereits so vehement wie stakkatoartig seinen Namen wie den von "Ribéry, Ribéry, Ribéry". Gegen den HSV hatte Vidal kaum Gelegenheit, seine Spezialdisziplin des aggressiven Pressings tief in der gegnerischen Hälfte anzubringen - die Hamburger wollten den Ball schliesslich kaum selbst haben und waren immer froh, wenn sie ihn nur weit genug weg vom eigenen Strafraum spielen konnten.

Trotzdem ist ersichtlich, wie wertvoll Vidal mit seiner Art des Fussballs und mit seiner unerschütterlichen Mentalität für die Bayern werden wird. Und ist zumindest zu erahnen, dass ihnen im Zentrum einer wie er in den letzten beiden Jahren auf internationalem Parkett gefehlt hat. Trotz eines Bastian Schweinsteigers oder Xabi Alonsos im Kader. Vidal wirkt eine Spur spritziger, wacher und als Alternative auf der Sechs auf lange Sicht wichtiger als Alonso. In den wenigen ganz entscheidenden Spielen einer langen Bayern-Saison könnte so etwas den Ausschlag geben.

Geschwindigkeit ist Douglas Costas grösste Waffe

Wie gross der Einfluss von Douglas Costa schon jetzt ist, hat sich in den wenigen, aber sehr überzeugenden Auftritten des Brasilianers gezeigt. Das Spiel über die Aussen wird bei den Bayern noch mehr akzentuiert, die Geschwindigkeit gewinnt eine neue Qualität und bisher scheint es so, dass Costa die ungewöhnliche Gabe hat, auf rechts ebenso gut zu agieren wie auf seiner Lieblingsposition auf dem linken Flügel. Etwas, das weder Arjen Robben noch Franck Ribéry in diesem Masse von sich behaupten könnten: Die beiden Granden sind spiegelverkehrt aufgestellt am wertvollsten, Linksfuss Robben auf rechts, Rechtsfuss Ribéry auf links.

Das Flügelspiel der Bayern ist wieder eine Waffe, hier krankte es in der entscheidenden Phase der vergangenen Saison mit am meisten - besonders in Abwesenheit der damals verletzten Robben und Ribéry. Während die Konkurrenz mit ihren Weltstars auf den offensiven Halbpositionen, Ronaldo bei Real oder Messi bei Barca, die Champions League gewannen, flogen die Bayern jeweils klar in den Halbfinals raus.

Douglas Costa ist ein Versprechen zumindest dafür, dass die Bayern in den finalen Sequenzen dieser Spielzeit besser gewappnet sein werden. Und derzeit ist er als Ribéry-Vertreter fast besser als das Original. Die unendliche (Verletzungs-)Geschichte des Franzosen ist ausführlich beschrieben und exerziert, mit jeder weiteren glanzvollen Darbietung Costas stellt sich zwar das gute Gefühl ein, dass die Bayern bestens aufgestellt und gerüstet sind - auf der anderen Seite mehren sich aber auch die Zweifel, ob es für Ribéry angesichts der neuen, hochwertigen Konkurrenz nochmals zu einem echten Comeback reichen wird.

Arturo Vidal und Douglas Costa kommen wie die zuletzt fehlenden Puzzlestücke im Bayern-Kosmos daher. So viel kann man bereits jetzt schon sagen. Auch wenn die Saison ja noch sehr jung ist.

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