Der FC Bayern München kommt einfach nicht in Fahrt und so langsam drängen sich Fragen auf. Die wichtigste: Reicht diese Leistung für das erklärte Ziel Champions-League-Titel - oder droht schon bald die grosse Ernüchterung?

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Der VfL Wolfsburg kam am Dienstag eigentlich wie gerufen. Die Wölfe sind ein gern gesehener Gast in München, so etwas wie der ganz persönliche Prügelknabe der Bayern. In 23 Pflichtspielen in München setzte es 22 Niederlagen für den VW-Klub. Zuletzt Anfang Dezember ein krachendes 0:5.

Da konnte man aus Bayern-Sicht eigentlich einiges erwarten. Umso enttäuschter dürften die Fans gewesen sein, als sich ihre Mannschaft mit einem dürren 1:0 gerade so ins Viertelfinale des DFB-Pokals quälte. Für 17 von 18 Bundesligisten darf im Pokal das pure Weiterkommen zählen. Für die Bayern aber nicht. Und schon gar nicht in einer Situation wie der momentanen. Es wurde ein Befreiungsschlag erwartet, ein echter Knalleffekt nach Wochen biederer Darbietungen.

Den Kracher lieferte Philipp Lahm erst ein paar Minuten nach dem Spiel mit seinem angekündigten Karriereende und seiner Aussage, kein Sportdirektor beim FCB werden zu wollen.

Auf dem Platz spielten die Bayern einmal mehr ihren Schlafwagenfussball. Der Rekordmeister will einfach nicht in Tritt kommen. Und langsam stellt sich nicht mehr die Frage, wann die Bayern endlich wieder Gas geben - sondern ob sie überhaupt noch einmal in dieser Saison hochdrehen können?

Dienst nach Vorschrift

Die Ergebnisse der Rückrunde und die Art und Weise, wie die Mannschaft spielt, lassen daran einige Zweifel aufkommen. Die Bayern scheinen derzeit keinen Spass am Fussball zu haben, sie verrichten vielmehr ihren Job. Solide, vernünftig - aber längst nicht mehr losgelöst vom Rest der heimischen Liga.

Einige Führungsspieler wie Lahm, Mats Hummels oder Manuel Neuer haben den Trend erkannt und steuern verbal gegen. Aber auf dem Platz? Da ändert sich einfach nichts. Das reicht gerade noch so gegen Freiburg oder die gebeutelten Bremer und Wolfsburger. Aber in einer Woche steht das erste richtige Kaliber an, wenn die Bayern den FC Arsenal in der Champions League erwarten.

Die Münchner spielen immer noch feldüberlegen, aber nicht mehr wuchtig. Gegen Wolfsburg gab es nach der frühen Führung durch Douglas Costa in den verbliebenen 73 Minuten genau einen einzigen Schuss auf das Tor.
Ansonsten: viel Ballbesitz, viel Ballgeschiebe, kein Offensivdrang in Richtung Tor. Eigentlich genau jene Dinge, die Pep Guardiola immer vorgehalten wurden - die aber, wie man jetzt immer deutlicher erkennt, nicht stimmen.

Keine Kontrolle über das Zentrum

Zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison hatten die Bayern in der Bundesliga sechs Punkte mehr und ein Torverhältnis von 50:9. Derzeit sind es "nur" 43:12 Tore. Und wirklich überzeugende Siege gab es bisher gegen Rostow in der Champions League und gegen Wolfsburg, Leipzig und ein bemitleidenswertes Werder Bremen zum Saisonauftakt in der Liga.

Da liessen die Bayern ihre Ausnahmestellung aufblitzen. In allen anderen Spielen präsentiert sich der Dauer-Champion aber wieder irdisch. Auch Carlo Ancelotti sieht die Probleme. Aber dem Italiener gelingt es noch nicht, sie abzustellen.

Die Bayern kontrollieren das Mittelfeld nicht mehr, das Zentrum des Spiels. Und wenn dann die Aussenbahnspieler nicht funktionieren oder zu langsam kombiniert wird, stockt der Motor. Derzeit spitzt sich vieles auf Arjen Robben und auf Robert Lewandowski zu. Thiago fehlt als kreative Verbindung zwischen den Mannschaftsteilen an allen Ecken und Enden, die Rückkehr des Spaniers sollte einige Probleme lösen.

Hoffen auf Ancelotti

Aber reicht das dann auch, um das erklärte Ziel in diesem Jahr zu erreichen? Ancelotti gilt als Meister der Motivation, gerade in den entscheidenden Wochen einer Saison hat er seine Mannschaft schon oft zu Spitzenleistungen getrieben. Das ist die andere grosse Hoffnung der Fans und der Verantwortlichen: Dass der Mister es schon richten wird.

Dieser wackelige Optimismus gepaart mit der individuellen Klasse der Mannschaft bleibt. Echten Team-Fussball, wie er noch unter Guardiola zu sehen war, zeigen die Bayern derzeit aber nicht. Andererseits: Guardiola ist in der Königsklasse drei Mal in Folge im Halbfinale gescheitert. Trotz der überragenden Dominanz, trotz des fantastischen Team-Fussballs.

Bleibt noch eine letzte Frage: Ist die Mannschaft, die zu grossen Teilen immer noch aus den Königsklassen-Gewinnern von 2013 besteht, auch gierig genug für den grossen Wurf? Hummels, Lewandowski und Arturo Vidal haben von den unumstrittenen Stammspielern die Champions League noch nicht gewonnen. Alle anderen kennen dieses Gefühl schon.

Vielleicht setzt der angekündigte Abschied von Philipp Lahm noch einmal ein paar zusätzliche Kräfte frei. Das Finale von Cardiff steigt am 3. Juni, es könnte das letzte Spiel des Kapitäns überhaupt werden.

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