Der FC Bayern München feiert am letzten Spieltag gegen den SC Freiburg wieder einmal die Meisterschaft - und leistet sich bei den Feierlichkeiten eine Respektlosigkeit mit Ansage. Es geht um eine grundsätzliche Fehlentwicklung.
Der FC Bayern pflegt seit Jahrzehnten ein äusserst ambivalentes Image. Ein Ruf zwischen höchster Wertschätzung und abgrundtiefer Verachtung.
In der Regel ist es die Mannschaft, die sich durch sportliche Leistung Anerkennung verdient, während die Vereinsführung den traditionellen Vorwurf der Arroganz mit immer peinlicheren Absurditäten auf dem Gebiet der Turbo-Kommerzialisierung befeuert.
So wie am Samstag im Saisonfinale gegen den SC Freiburg.
Event-Agentur macht auf Fankultur
Bereits im Vorfeld hatte der Klub seine Fans brüskiert. Die eigenfinanzierte Choreografie der Treuesten auf der Südtribüne wurde mit der eingekauften Sitzplatzkostümierung einer Event-Agentur konterkariert.
Es offenbart schon ein recht schräges Verständnis von "Fankultur", wenn wahre Leidenschaft auf den Stehplätzen als nebensächliche Selbstverständlichkeit betrachtet wird und man die sitzenden "Kunden" mit immer spektakulärerer Reizüberflutung bespasst.
Der Fussball allein, so scheint es, darf nicht Spektakel und Anreiz genug sein für einen Stadionbesuch.
Neu ist das nicht in der Münchner Event-Klitsche. Doch gegen Freiburg war der FC Bayern eindeutig zu weit gegangen.
Der Gegner spielte in der Allianz Arena immerhin noch um die Qualifikation zur Europa League.
Doch die sportliche Ambition wurde im Münchner Party-Ballyhoo mit Anastacia auf eine respektlose Weise zum Statisten degradiert, die selbst Arjen Robben peinlich war: "Das hat mir leidgetan für Freiburg, weil die noch für etwas gespielt haben.“
Ein zurecht genervter Gäste-Coach Christian Streich fühlte sich genötigt, die Verantwortlichen in München auf den eigentlichen Verwendungszweck eines Fussballstadions hinzuweisen. "Wenn du dann als Mannschaft acht Minuten warten musst, ist das Wahnsinn."
Der FC Bayern überspannt den Bogen
Nicht auszudenken, was passieren würde, müssten die Bayern im Meisterschaftsfinale ihrerseits minutenlang auf den Wiederanpfiff warten, weil im Mittelkreis des Dreisamstadions die Band "Strichpunkt" unbeirrt den SC-Fansong schmettert. DFB, DFL, Nato, UNO – die Bayern würden mobil machen.
Weder Streich noch ein anderer Freiburger nutze die peinliche Halbzeit-Posse als Ausrede, dass man am Ende mit 1:4 in München verlor und die direkte Qualifikation zur Europa League verpasste.
Bei der Kritik ging es viel mehr um Grundsätzliches. Um eine Entwicklung, die seit Jahren anhält und ungebremst in die falsche Richtung steuert, wie auch die albernen GoPro-Kameras belegen, die zur Dokumentation der Weissbierduschen in München an die Gläser montiert worden waren.
"In der Bundesliga kommen immer mehr Event-Besucher, um sich berieseln zu lassen", hatte einst Top-Keeper Frank Rost angemerkt, ein leidenschaftlicher Vertreter authentischer Fankultur. "Dieser Bogen darf nicht überspannt werden. Das hat nicht mehr viel mit Fussball zu tun."
Event-Choreografie, Halbzeit-Halligalli und GoPro-Kameras an Biergläsern. Der FC Bayern überspannt den Bogen und muss höllisch aufpassen, dass die Sehne nicht reisst.
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