Der Kolumbianer James Rodriguez will beim FC Bayern bleiben und könnte ein wichtiger Teil der näheren Zukunft werden - weil er sportlich helfen kann und auf anderen Ebenen seine Mitspieler um Längen überragt.

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Wie Jupp Heynckes zu Hause auf seinem Bauernhof reagiert hat, als der FC Bayern im Sommer das teuerste Leihgeschäft aller Zeiten öffentlich gemacht hat, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.

Heynckes hatte ganz sicher eine Meinung, aber er war nach vier Jahren im wohl verdienten Ruhestand unheimlich weit weg vom Profifussball.

Sein Vorgänger und gewissermassen auch Nach-Nachfolger bei den Bayern hatte offenbar eine sehr hohe Meinung von James David Rodriguez Rubio, den die meisten nur James nennen.

Carlo Ancelotti wollte seinen einstigen Ziehsohn unbedingt an die Säbener Strasse holen, die Bayern bezahlen für das zweijährige Leihgeschäft satte 13 Millionen Euro an Real Madrid.

Nun ist James' Protegé bei den Bayern längst Geschichte und als Ancelotti im Frühherbst gehen musste, gab es nicht wenige, die auch nicht mehr an eine erfolgreiche Episode des Kolumbianers in München glauben wollten.

Der Rekordspieler war bis dahin nicht so richtig angekommen beim Rekordmeister, spielte wenig und wenn er denn mal ran durfte, konnte er selten die die hohen Erwartungen erfüllen. Mit der Ancelotti-Entlassung kam die Wende.

Eine Symbiose aus Spielgestalter und Flankengeber

Mit Heynckes hielt ausgerechnet das unter Ancelotti in Madrid erfolgreiche 4-3-3-System verstärkt Einzug, das mit seinen veränderten Stellenbeschreibungen für offensive Mittelfeldspieler für James wie auf den Leib geschneidert scheint.

Der 26-Jährige wird dabei nicht auf die Flügel abgeschoben, muss sich nicht im dichten Verkehr im Zentrum gegen die bissigen gegnerischen Verteidiger beweisen und schon gar nicht in vorderster Spitze spielen.

James kann stattdessen in den Halbräumen wirken, als eine Symbiose aus Spielgestalter und Flankengeber und von dieser eher hängenden Position des Achters aus der zweiten Reihe torgefährlich werden.

Seitdem blüht der Spieler auf und es verwundert kaum, dass sich James im Trainingslager sehr positiv zu seiner weiteren Zukunft in München äusserte und die leisen Gerüchte, er würde noch vor dem Ende der Leihe im Jahr 2019 nach Madrid zurückkehren, im Keim erstickte.

"Ich bleibe! Ich denke im Moment an nichts anderes. Meine Gegenwart ist hier." Für die Zukunft verspricht sich sein neuer Trainer, "dass er noch viel wichtiger für uns werden kann und das höchstwahrscheinlich auch werden wird", so Heynckes.

Die Weltmarke für den Weltklub

Die Bayern definieren sich selbst als Weltklub und -marke, da kann ein Spieler mit exorbitanten Sympathiewerten nicht schaden. James hat mehr als 80 Millionen Follower in den sozialen Medien, nur Cristiano Ronaldo, Lionel Messi und Neymar und NBA-Star Stephen Curry liegen hier laut "Forbes" noch vor ihm.

James war noch keine drei Tage in München, da explodierte Bayerns spanischer Twitter-Account von rund 40.000 auf über 350.000 Follower.

James hat beim Kurznachrichtendienst mittlerweile 15,5 Millionen Follower, Manuel Neuer als zweiter im internen Bayern-Ranking gerade einmal vier Millionen.

Schon bei seiner Vorstellung in München wurde klar, dass die Bayern im Kolumbianer nicht nur einen herausragenden Fussballspieler sehen, sondern eine Marke - die wiederum die Marke FC Bayern global nach vorne bringen sollte.

"James wird uns sicher dabei helfen, weltweit noch mehr Fans zu erreichen", sagte Karl-Heinz Rummenigge damals. Das hat schon jetzt funktioniert, ohne dass James mit seinem neuen Klub auch nur einen Titel gewonnen hätte.

James' Werbe-Gegenwert im Netz wurde letztes Jahr auf rund 50 Millionen Euro geschätzt. Neben rein sportlichen Kriterien sind das mittlerweile auch relevante Parameter eines Sportstars.

So überragend bekannt und gross James' Zielgruppe weltweit ist, so weniger wichtig wird der Spieler als Gallionsfigur aber im Land seines Arbeitgebers. Für den deutschen Markt wird James wohl nicht mehr das Gesicht des FC Bayern werden.

Dafür unterhalten die Bayern zu viele deutsche Nationalspieler, Weltmeister, bayerische Ikonen. Das Vakuum, dass Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger hinterlassen haben als Speerspitzen ihrer Generation und Identifikationsfiguren für einen an der Basis sehr verwurzelten Klub wird ein Junge aus Cucuta in Kolumbien für die deutschen Fans der Bayern nicht füllen können.

Aber in Südamerika und in Asien bleibt James das Mass aller Dinge, die erste Verbindung der Fans zu den Bayern.

James Rodriguez bleibt ein Freigeist

Aus sportlicher Sicht ist James auf dem besten Weg, eine wichtige Figur bei den Bayern zu werden.

Sein linker Fuss ist eine Waffe und seine Bewegungen sind geschmeidig, wenngleich auch nicht immer besonders explosiv.

Nach einer gewissen Anlaufzeit kommen diese wichtigen Komponenten immer besser zum Tragen. "Ich habe schon mehrfach gesagt, dass neue Spieler eine gewisse Zeit zur Integration brauchen. Wenn man aus dem Ausland kommt und Südamerikaner ist, spielen viele Dinge eine Rolle: das Wetter, das Essen, die neue Mannschaft, ein anderer Fussball und viele Dinge mehr", sagt Heynckes.

Die Bayern bekommen langsam aber sicher den Spieler, den sie sich auch aus sportlicher Sicht erhofft haben. Während die meisten anderen Spieler im Kader klare Rollenspieler sind mit definierten Positionen, bleibt James ein Freigeist.

In Madrid hatten die Verantwortlichen die Zukunft längst bestimmt mit hochgradig talentierten Teenagern und U-21-Spielern. Für James ist da kein Platz mehr. Die Bayern vollziehen einen schleichenden Übergang, die alte Riege wird langsam müde und in einem, spätestens zwei Jahren nicht mehr vorangehen können, die deutschen Weltmeister gehen ebenfalls stramm auf die 30 Jahre zu oder haben diese Grenze schon erreicht.

James Rodriguez ist einer, der den Wandel begleiten und vielleicht sogar zu einer wichtigen Figur der nächsten Jahre werden könnte. Das Gesicht des FC Bayern ist er in seiner Heimat Südamerika und dazu noch ein wertvoller Marketing-Coup in Zeiten der rasenden Internationalisierung.

Aber ein Ikone, ein Anführer oder echter Wahl-Münchner wie es Arjen Robben oder Franck Ribéry wurden: Das kann man sich beim Kolumbianer nur schwer vorstellen.

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