Die Niederlage im Test gegen den KSC legt die Vermutung nahe, dass der FC Bayern noch nicht gerüstet ist für den Start in die Rückrunde. Trainer Pep Guardiola steht mal wieder im Fokus - dabei sind es eher die Spieler, die noch nicht bereit sind. Die haben den Ernst der Lage nun offenbar aber selbst erkannt.

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Der FC Bayern München kann sich so ziemlich alles leisten. Nur die besten Spieler, die besten Trainer, ein modernes Stadion und bald auch ein neues Trainingszentrum für den Nachwuchs. Alles im Sinne des grösstmöglichen Erfolgs auf allen Ebenen.

Es gibt aber tatsächlich eine Sache, die auch den Bayern nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Dem Rekordmeister fehlt es an Zeit. So formulierte es Pep Guardiola unlängst im Trainingslager in Katar.

Die Niederlage im einzigen Testspiel der gesamten Vorbereitung gegen den Zweitligisten Karlsruher SC bestätigt Guardiola offenbar in dieser zunächst etwas wundersamen Einschätzung.

Der Trainer hat in der Wüste absichtlich keinen Testlauf gegen eine andere Mannschaft angesetzt, weil ihm die Trainingszeiten zu kostbar waren. Der typische Bayern-Rhythmus von Spielen im Drei- oder Vier-Tages-Takt erschwert die Belastungssteuerung der Profis enorm, da bleibt zwischen den vielen Spielen kaum noch Zeit, an den Feinheiten in den Abläufen zu arbeiten. Deshalb jetzt die insgesamt zehn Trainingseinheiten und nur dieses eine Testspiel.

Wie weit entfernt die Bayern aber von ihrer Normalform sind, zeigte sich in gut einem Dutzend Szenen beim 1:2 in Karlsruhe. Sowohl individuelle als auch gruppentaktische Fehler versetzten die Bayern immer wieder in bisher kaum gekannte Schwierigkeiten.

Das Team wirkt fünf Tage vor dem Rückrundenstart beim Hamburger SV allenfalls ausreichend aufeinander abgestimmt und seltsam fahrig.

Boateng und Neuer rütteln wach

"Es ist kurz vor Bundesligastart. Man muss kritisch sein und ganz klar sagen, dass wir noch nicht bereit sind. Wir müssen aufwachen! Ich hoffe, dass sich das in den nächsten fünf, sechs Tagen ändert und wir eine gute Trainingswoche haben, sodass wir dann beim Start voll da sind", klagte Jerome Boateng, dem selbst der entscheidende Fehler vor dem zweiten Gegentor unterlief.

Manuel Neuer äusserte sich ähnlich, die Worte des Torhüters sind wie jene von Boateng als eine Art Weckruf an die gesamte Mannschaft zu interpretieren: "Wir sind jetzt hoffentlich wach. Am Freitag können wir so nicht auftreten!"

Und der Trainer? Der erneuerte seine Sicht der Dinge, gepaart mit einer ebenfalls bemerkenswerten Erkenntnis. "Das war eine Lektion für uns. Wir brauchen ein bisschen mehr Zeit."

Der Katalane wollte das Ergebnis gegen den KSC aber auch nicht überbewerten: "Das ist normal nach zwei, drei Wochen ohne Spiel." Trotzdem verwundern die "Frühform" der Bayern und die Art, wie mehrere Spieler und auch Verantwortliche den derzeitigen Leistungsstand einschätzen.

Eigentlich sollte alles in Ordnung sein, es blieben fast drei Wochen zum Einspielen, einige Verletzte (Götze, Ribéry, Benatia) haben ihr Comeback zumindest schon in Aussicht gestellt.

Einige Spieler noch nicht fit

Aber: Wichtigen Eckpfeilern der Mannschaft fehlt es noch an Wettkampfhärte und -praxis. David Alaba, Arjen Robben oder Douglas Costa sind noch nicht so weit, um dem Team über 90 Minuten helfen zu können. Holger Badstuber geht es ähnlich.

Neben den körperlichen Malaisen scheinen die Münchener aber vor allem im Kopf nicht bereit für die anstehenden Aufgaben.

"Schon ein Prozent falsches Denken hat katastrophale Auswirkungen", hatte Sportvorstand Matthias Sammer schon gewarnt und durfte sich gegen Karlsruhe bestätigt fühlen. "Wir spielen ein System, in dem jeder mitmachen muss. Wenn einer nicht mitmacht oder ein paar Prozent fehlen, dann kriegen wir Probleme - egal gegen welche Mannschaft", sagte Boateng.

Dass ein grundlegendes Problem beim Trainer und dessen für den Sommer angekündigten Abschied zu entdecken sei, ist aber allenfalls eine Milchmädchenrechnung. Die Trainingsintensität in Katar war so hoch wie in den Vorbereitungswochen im Sommer.

"Wir wollten viel trainieren für unser Konzept", sagte Guardiola, der am Montag seinen 45. Geburtstag feiert.

Guardiola ist nicht das Problem

Vielmehr scheint es wie so, als wären die Spieler noch nicht so ganz bei der Sache. Neben den spielerischen Spitzenleistungen, der individuellen Klasse der Einzelspieler und im Verbund zeichnen sich die Bayern der letzten Jahre besonders auch dadurch aus, dass sie als Kollektiv auch auf zwischenmenschlicher Ebene funktionieren und dass sie die Aussicht auf die ganz grossen Titel in der Sache stets eint.

Das sollte auch vor dem Start in diese Rückrunde so sein, schliesslich ist nicht weniger als das Triple möglich und die Voraussetzungen dafür angesichts der Vorleistungen zumindest in der Bundesliga nahezu perfekt.

Dass gleich mehrere Spieler nun offen und öffentlich die Missstände schonungslos ansprechen, darf als gutes Zeichen gewertet werden.

Und dass der Trainer sich bei Fragen über seine letzten Monate in München, den grossen Schatten von Jupp Heynckes und der Gefahr, wieder die Champions-League-Krone zu verpassen, eher ausweichend äussert, sollte auch verständlich sein.

Dass der fast schon krankhaft perfektionistisch veranlagte Guardiola es vor der entscheidenden Phase seiner drei Jahre in München schleifen lassen könnte, dass er die Gier nach Siegen und Triumphen verlieren könnte: Davon ist nun wirklich nicht auszugehen.

"Ich werde es dulden, dass sie danebenschiessen. Aber niemals, dass sie sich nicht anstrengen!". Das ist ein geflügeltes Wort des Katalanen und es gilt für alle Mannschaften, die er bisher betreut hat, sei es Barcelonas zweite Mannschaft, die Profis oder nun den FC Bayern München.

Guardiola wird Leistung, er wird Leidenschaft und Konzentration einfordern. Und natürlich Siege. Seine Mannschaft wird ihm folgen.

Auch wenn das womöglich noch ein bisschen dauern wird.

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