Carlo Ancelotti krempelt seine Mannschaft gegen Hoffenheim gehörig um und verliert prompt. Das Kalkül des FC Bayern und seines Trainers hat seine Berechtigung - birgt aber auch ein paar Risiken vor den Wochen der Wahrheit.

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Am Ende gibt wie immer das Ergebnis die Tonalität vor, in der man über das Spiel spricht. Und weil das auch für einen Klub wie den FC Bayern München gilt, mischten sich unter die Ausführungen nach dem 0:1 in Hoffenheim eher missmutige Töne.

"Die erste Halbzeit war völlig unnötig. Das darf uns nicht passieren", ärgerte sich Arjen Robben. "Wir sind nicht gut gestanden, waren immer einen Schritt zu spät, haben viel zu viele Räume gelassen, haben nicht gut genug miteinander verteidigt. Hoffenheim hat das gut ausgenutzt."

So oder ähnlich klang es bei allen Bayern-Spielern nach der Partie. Trainer Carlo Ancelotti formulierte aber die erstaunlichste Erkenntnis, als er auf der Pressekonferenz davon berichtete, seine Mannschaft sei überrascht gewesen von der Spielweise des Gegners. Das kann der listige Italiener kaum ernst gemeint haben.

Hoffenheim spielte exakt so, wie man sich das aus Bayern-Sicht ausmalen konnte nach Sichtung einiger Hoffenheim-Spiele der Vorwochen und den Erkenntnissen aus dem Hinspiel.

Da waren die Bayern schon nicht über ein Remis hinausgekommen und noch viel wichtiger: Da wurden sie geärgert und gepiesackt von einer Mannschaft, die sich auf Ärgern und Piesacken spezialisiert hat.

Hoffenheim spielte gegen die Bayern ebenso enervierend wie schon im November, mit einer lästigen Manndeckung und einem ungeheuren Laufaufwand. Aber vor allem nahmen sie dem Rekordmeister die wertvollste Zutat dessen eigenen Spiels: den Ball.

Das alles ist nicht überraschend. Es war, entgegen Ancelottis Behauptung, sogar zu erwarten.

Nun kommen die Wochen der Wahrheit

Die Partie in Hoffenheim bildete den Auftakt in einen heissen April, mit Spielen gegen Real Madrid in der Champions League und Borussia Dortmund in der Liga und im Pokalhalbfinale.

Bisher verzichtete Ancelotti auf die grosse Rotationsmaschine, holte aus den zehn Pflichtspielen davor neun Siege und ein Remis bei einem Torverhältnis von 37:3. Man könnte also vorsichtig behaupten, dass die Bayern mit der Strategie der dosierten Rotation ganz gut gefahren waren.

Gegen Hoffenheim wechselte Ancelotti dann aber sieben Feldspieler auf einen Schlag im Vergleich zur Partie davor gegen Augsburg, ein glattes 6:0.

Mit einer stark umgekrempelten Mannschaft auf einen topmotivierten, aggressiven und leidenschaftlichen Gegner zu treffen und dann früh in Rückstand zu geraten, war selbst für die Bayern pures Gift.

"Wir haben die Hoffenheimer, die ohnehin schon stark sind, mit unseren Ballverlusten und unser Passivität noch stärker gemacht. In der ersten Hälfte waren wir ganz schwach unterwegs", sagte etwa Abwehrchef Mats Hummels und fügte an, dass die Bayern nach 45 Minuten durchaus auch hätten höher zurückliegen können.

Vorsicht ist jetzt geboten

Ganz sicher war die Art und Weise, wie blutleer und fahrig sich die eigene Mannschaft präsentierte, nicht beabsichtigt. Und doch war das Spiel in Hoffenheim aus Münchener Sicht so etwas wie ein langsames Einspielen auf die wirklich grossen Partien den kommenden Wochen.

Die Niederlage im Kraichgau tut den Bayern aus tabellarischer Sicht kaum weh, die fünfte Meisterschaft in Folge dürfte auch ohne die verpassten Punkte nur noch Formsache sein.

Was bleibt, ist die Frage nach dem Rhythmus und einem unter Umständen etwas ramponierten Selbstvertrauen.

Eigentlich dürfte diese erste Niederlage im neuen Kalenderjahr einer Mannschaft wie den Bayern nichts anhaben können. Dazu hat das Team schon zu viel erlebt und ist mit ausreichend Erfahrung gesegnet.

Andererseits haben die Spiele nach den anderen beiden 0:1-Niederlagen der Saison auch gezeigt, dass nicht sofort wieder alles im Lot sein kann bei den Münchenern. Dem 0:1 von Madrid folgten im Herbst zwei Remis in der Liga, der Niederlage in Dortmund eine Niederlage in der Champions League gegen Rostow.

Ein Weckruf? Oder ein Problem?

Gerade in dieser Phase der Saison werden die Ancelotti-Bayern gerne mit den Guardiola-Bayern verglichen werden. Guardiola wurde ja stets eine zu heftige Rotation zur Last gelegt - und am Ende sogar das dreimalige Scheitern in der Königsklasse unter anderem damit begründet.

Ancelotti hat auf zu viele Wechsel bisher verzichtet, er hat einen Stamm von sieben, acht Spielern, auf den er zählen kann und wird, sobald es in die engen Spiele geht.

Vielleicht ist das 0:1 von Hoffenheim ja sogar nochmal ein Weckruf, um die Sinne zu schärfen vor den Prüfungen der kommenden Wochen. Und ausserdem: "Unser Flow hätte auch nächsten Mittwoch weg sein können", wie es Hummels formulierte.

Wie die Prioritäten verteilt sind, lässt sich auch ganz gut an der öffentlichen Wahrnehmung der Partie in Dortmund am Wochenende ablesen. Der Kracher in der Liga ist bei 15 Punkten Differenz zwischen beiden Klubs eigentlich nur eine bessere Generalprobe.

Aber dennoch ist die Partie wichtig für die Bayern: Mit zwei Niederlagen am Stück liesse es sich nicht besonders unbeschwert ins erste CL-Viertelfinale mit Real Madrid gehen. Am nächsten Mittwoch, wenn der Flow unbedingt wieder da sein sollte.

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