Wieder einmal hat es zwischen Trainer Pep Guardiola und der medizinischen Abteilung des FC Bayern gekracht. Die Unterschiede in der Verletzungsprävention sowie der Behandlung von Spielern waren Guardiola stets ein Dorn im Auge. Nicht ganz zu Unrecht, wie es scheint.

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Die Hassliebe zwischen Pep Guardiola und der medizinischen Abteilung beim FC Bayern geht in eine letzte Runde. Guardiolas angeblicher Ausraster nach dem Champions-League-Aus gegen Atlético entfacht wieder einmal eine Debatte über die medizinische Behandlung der Spieler des Rekordmeisters.

Unmittelbar nach dem Ausscheiden am Dienstag soll Guardiola in der Kabine den Ärzten und Physiotherapeuten schwere Vorwürfe gemacht haben. "Godin ist bei Atlético schnell fit. Warum schafft ihr das nicht? Warum dauert das bei unseren Verletzten immer so lange?", soll der Trainer seine Ärzte angebrüllt haben.

Atléticos Abwehrchef Godin, der sich im Hinspiel noch eine Zerrung zugezogen hatte, stand in München sechs Tage später recht überraschend wieder in Madrids Startelf.


Einer der beschuldigten Ärzte soll daraufhin aufgesprungen sein und zurückgebrüllt haben: "Das darfst du nicht sagen. Du hast alle Spieler zur Verfügung! Alle ausser Robben und Badstuber."

"Ich will immer das Beste für meine Spieler"

Guardiola und die Ärzte - das bleibt also auch in der Endphase seiner dreijährigen Amtszeit in München ein ganz spezielles Thema. "Was in der Kabine passiert, bleibt auch in der Kabine", wich Guardiola am Freitag auf der Pressekonferenz vor dem Bundesligaspiel gegen Ingolstadt zunächst aus.

Dann schilderte er aber doch noch seine Sicht der Dinge. "Die Leute denken, ich habe ein Problem mit allen. Was ich in den drei Jahren hier gemacht habe, war viel gearbeitet. Ich will immer das Beste für die Spieler. Bei Godin waren es nur zwei oder drei Tage Verletzung. Und das will ich auch in meinem Verein. Dass die Spieler so schnell wie möglich zurück sind."

Es dürfte der letzte Akt eines permanent schwelenden Konflikts sein, der Guardiolas Zeit in München stets begleitet und so manches Mal auch überschattet hat. Und nicht zuletzt wirft er die Frage auf, warum es zwischen dem Trainer und ausgewiesenen Fachleuten immer wieder zu solch grossen Meinungsverschiedenheiten kommen kann.

Unterschiede zwischen Deutschland und Spanien

Offenbar gibt es zwischen der Bundesliga und der Primera Division grundlegende Unterschiede in der Herangehensweise bei Verletzungen und der prinzipiellen Prävention.

Aus Guardiolas Zeit beim FC Barcelona sind nur sehr wenige Muskelverletzungen von Spielern überliefert, Barca hatte während der vier Jahre kaum mit schwerwiegenden und längeren Verletzungen der Spieler zu kämpfen.

Kaum in München, verletzten sich mehrmals wichtige Stützen von Bayerns Mannschaft. Was punktuell begann, weitete sich immer mehr aus.

In der Saison 2014/15 hatten die Bayern 14 schwere Verletzungen von Spielern zu beklagen, besonders in der Endphase der Saison traf es die Münchener damals knüppeldick. Da waren der langjährige Vereinsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Physiotherapeut Fredi Binder schon nicht mehr im Amt - vorausgegangen waren zahlreichen Streitigkeiten mit Guardiola.

Während in Deutschland verletzte Profis wenn möglich konservativ behandelt werden und den Spielern von Vereinsseite im Regelfall genügend Zeit zur Regeneration gegeben wird, wird in Spanien ein etwas anderes Modell verfolgt.

"Wenn der Arzt sagt, der Spieler ist in acht Wochen fit, will ich ihn in sieben Wochen haben", hatte Guardiola selbst einmal seine Ungeduld auf einen einfachen Nenner gebracht.


Es ist durchaus auffällig, wie die kulturellen Unterschiede im Umgang mit Verletzten und Verletzungen die Arbeit des nahezu komplett spanischen Trainerstabs bei den Bayern immer wieder torpedierten. Guardiola war aus seiner Zeit als Aktiver in Spanien und Italien offenbar anderes gewohnt und forderte dies immer wieder auch in München ein.

DNA-Tests bei Barca

Als Guardiola vor drei Jahren in München ankam, dürfte er einigermassen geschockt gewesen sein über den Aufbau der medizinischen Abteilung an der Säbener Strasse.

Es gab keinen Mediziner vor Ort, verletzte sich ein Spieler beim Trainer, musste der in Müller-Wohlfahrts Praxis in die Innenstadt transportiert werden. Dabei ist die Grundversorgung gerade in den ersten Minuten einer Verletzung von elementar wichtiger Bedeutung für den späteren Heilungsverlauf.

Auf Barcas Trainingsgelände, der "Ciutat Esportiva", tummeln sich dagegen 50 Physiotherapeuten und mehr als 25 Ärzte für alle Athleten aus allen Sportarten. Die Bereiche der Sportmedizin, Orthopädie, Kardiologie, Traumatologie und der Ernährung sind bestens abgedeckt. Auf Guardiolas Instruktion hin haben die Bayern deshalb in den letzten Jahren massiv aufgerüstet.

An der Säbener Strasse wurde für über fünf Millionen Euro investiert, unter anderem in eine Kältekammer und einen Magnetresonanz-Tomografen.

Für Guardiola wurde das Nötigste damit abgedeckt - die Diskrepanz zu einem Klub wie Barcelona erscheint aber immer noch gross. Bei Barca wird seit geraumer Zeit mit neuartigen DNA-Tests im Präventivbereich gearbeitet.

Anhand von Speichelproben wird das Genmaterial der Spieler bestimmt, um herauszufinden, ob jemand womöglich ausgeprägte Anlagen für beispielsweise Muskelverletzungen hat.


Auf Basis dieser Ergebnisse werden dann die Trainings- und Regenerationspläne gefertigt, auch die Ernährung des Spielers bestimmt und damit letztlich die immer wichtiger werdende Belastungssteuerung im Trainingsalltag optimiert.

Der grosse Unterschied zwischen Deutschland und Spanien könnte demnach in der Individualisierung der Prävention und Regeneration liegen. Es gibt allerdings auch Kritiker der Methodik, immer mal wieder fällt das Stichwort des Regenerationsdopings. Bewiesen ist das aber natürlich nicht.

Bundesliga hinkt offenbar hinterher

Dass die Bundesliga im medizinischen Bereich den grossen Klubs aus anderen Top-Ligen aber hinterherläuft, ist eine Tatsache.

"Bayern, Schalke und wir liegen mit einer Ausfallquote von rund 20 Prozent etwa auf einem Niveau", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc bereits vor einem Jahr. "PSG, Real oder Chelsea liegen zwischen fünf und zehn Prozent. Eine Langfriststudie der UEFA zeigt, dass alle deutschen Mannschaften, die international vertreten sind, im Vergleich deutlich mehr Verletzungen als die europäische Konkurrenz beklagen."

Pep Guardiola wird die Debatte in den nächsten Tagen über sich ergehen lassen.

Noch drei Spiele, dann endet seine Zeit in München ohnehin. Beim von den Scheichs gepimpten Manchester City, mit einem nagelneuen Leistungszentrum, wird Guardiola sicherlich perfekte Bedingungen vorfinden.

Richtig getroffen habe ihn diese letzte Indiskretion aus dem Mannschaftskreis übrigens nicht. "Die Leute, die gesprochen haben, wollen mich treffen", sagte er. "Aber sie haben noch nicht gemerkt, dass sie die Mannschaft und den Verein treffen. Und nicht mich."

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