Nach seinen vollmundigen Ankündigungen rudert Bayern-Präsident Uli Hoeness nun zurück. Die Rede ist nicht mehr von "Granaten", die sich der FC Bayern leisten will oder dem Angriff auf Europas Thron, sondern von einer Saison des Umbruchs. Aber wie soll dieser Umbruch aussehen?

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Etwas verwunderlich ist es ja schon, wie schnell sich die Lesart bei einem Klub wie dem FC Bayern ändern kann.

Vor einigen Wochen noch hörten sich die Worte von Uli Hoeness wie ein Versprechen für die grösste Shoppingtour in der Geschichte des Rekordmeisters an.

Im Nachgang der bitteren Ausscheiden im DFB-Pokal und in der Champions League mahnte Hoeness an, dass ein Titel pro Saison dann doch eine etwas zu magere Ausbeute für die Bayern sei.

Und um diesem Missstand kein zweites Mal Tür und Tor zu öffnen, sinnierte Hoeness öffentlich über "Granaten", die die Bayern holen wollen, um den Kader nochmals spektakulär aufzurüsten.

"Wir haben einen Kader, wenn man den verstärken will, muss man schon ziemliche Granaten kaufen", sagte Hoeness auf der Meisterfeier seines Klubs und legte wenig später im ZDF-Sportstudio sogar noch nach: "Vielleicht wird es etwas geben, was es beim FC Bayern bisher noch nie gegeben hat."

Hoeness: "Sind vor einem Umbruch"

Nun sind ein paar Wochen vergangen und die Bayern haben mit Corentin Tolisso den teuersten Transfer ihrer Geschichte über die Bühne gebracht.

Aber ein relativ unbekannter Franzose und etwas mehr als 40 Millionen Euro Entschädigung für Olympique Lyon entsprechen nicht der Norm des "Granaten-Standards" im europäischen Fussball.

Es soll schon mittelprächtige Spieler gegeben haben, die für diese Summen bei mittelprächtigen englischen Erstligisten untergekommen sind.

Von Hoeness' vollmundigen Worten rücken die Bayern, rückt der Präsident selbst, nun peu à peu ab. "Wenn wir Deutscher Meister werden, bin ich schon sehr zufrieden. Wir sind vor einem Umbruch, und den kann man nur machen, wenn man die Mannschaft nicht zu sehr unter Druck setzt", sagte Hoeness auf einem Sponsorentermin.

Lediglich ein Titel? Umbruch? Mannschaft nicht unter Druck setzen? Diesem Bayern-Duktus kann man kaum folgen, so weich und behutsam kommt er daher nach einer Saison, die deutlich besser hätte enden können.

Immerhin kündigte Hoeness weitere Grosstaten für die Jahre nach der anstehenden Saison an. "Dass wir mittelfristig, wenn dieser Umbruch vollzogen ist, wieder darangehen werden, mehr als einen Titel zu gewinnen, liegt in der Natur der Sache."

Erstaunt über Regeln des Transfermarkts

Dass der grosse FC Bayern aber nun doch einen Umbruch deklariert, rund sechs Wochen vor dem ersten Pflichtspiel und wenige Tage vor dem Trainingsauftakt der Mannschaft, ist zumindest bemerkenswert.

Entweder wollen die Verantwortlichen wirklich einen Gang runterschalten und diese Spielzeit als Ausgangspunkt für die Verjüngung der Mannschaft und den avisierten Angriff auf die Grössen aus Spanien und England wissen - oder aber den Bayern wird in Echtzeit erst bewusst, wie dünn die Luft im obersten Regal des Transfermarkts wirklich ist.

"Wenn da schon im Vorfeld Gehälter von über 20 Millionen Euro kolportiert werden, dann ist das sicherlich ein Betrag, der für den FC Bayern schwierig oder quasi nicht darstellbar ist", liess Hoeness ein Kardinalproblem durchschimmern.

Gegenüber dem US-Sender Fox Sports wurde der Präsident sogar noch deutlicher: "Wir werden niemals 100 Millionen Euro für Marco Verratti zahlen, ebenso wenig 25 Millionen Euro für ein Jahresgehalt von Alexis Sanchez. Wenn wir die Champions League gewinnen wollen, dann müssen wir uns strecken - aber nicht um jeden Preis."

Sanfter Umbruch oder Radikalkur?

Dann also der geschmeidige Umbruch. Oder doch eine Radikalkur? In der Gunst der ganz jungen, ganz besonders talentierten europäischen Talente sind die Bayern in den vergangenen beiden Jahren hinter Borussia Dortmund zurückgefallen.

Der BVB häufte und häuft fast tonnenweise Toptalente an und spielte in einigen Partien der Vergangenheit mit einer besseren A-Jugendmannschaft.

Das war nicht immer zielführend im Sinne des grossen sportlichen Erfolgs, lässt theoretisch für die Zukunft aber genug Spielraum, um von einer grossen Mannschaft zu träumen - so die Truppe denn einigermassen zusammenbleibt und nicht nach und nach auseinandergekauft wird.

Die Bayern müssen jetzt Philipp Lahm und Xabi Alonso ersetzen und demnächst ihre tragende Flügelzange Arjen Robben und Franck Ribéry, die die Mannschaft dann fast ein Jahrzehnt geprägt hat.

Die Leistungsträger Jerome Boateng, Mats Hummels, Javi Martinez und Robert Lewandowski sind Ende 20, Manuel Neuer ist 31 und Arturo Vidal schon 30 Jahre alt.

Reschke ist die wichtigste Figur

Der Kader des BVB ist zwar nur marginal jünger als der der Bayern, hinter den immer noch tragenden Säulen der goldenen Generation ist aber längst ein Schattenkabinett gereift, das ein oder sogar schon zwei Jahre im Klub zugebracht hat.

Bei den Bayern drücken gerade die Neuen Tolisso, Serge Gnabry, Niklas Süle und Kingsley Coman den Schnitt, deren Leistungen im Trikot der Bayern aber bis auf die von Coman nur schwer einzuschätzen sind.

Der Spagat zwischen einem sanften Übergang und der nötigen Auffrischung der Mannschaft ist die grosse Herausforderung vor der die Bayern stehen. Und nicht die Verlockungen des Transfermarkts.

Auch deshalb ist nicht Hoeness die entscheidende Figur des Sommers beim Rekordmeister, auch wenn der Patron die Richtung nach aussen hin vorgibt und derzeit radikal ändert.

Michael Reschke ist der Mann, auf dessen Expertisen und Netzwerk nun alle angewiesen sind. Der technische Direktor ist vornehmlich für die Kaderplanung zuständig und steuert die Portion Realismus in so mancher abwegiger Diskussion bei.

Die Bayern werden ihm vertrauen müssen. Moderieren darf die Ergebnisse dann aber weiterhin Uli Hoeness.

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