Der FC Bayern München verliert die Tabellenführung, der VfL Wolfsburg nutzt die Steilvorlage des FCB beinahe nicht und Eintracht Frankfurt ist das Team der Stunde. Fünf Erkenntnisse zum 10. Spieltag der Bundesliga.
Eintracht Frankfurt: Das Team der Stunde
Eintracht Frankfurt ist das Team der Stunde in der Bundesliga. Die SGE hatte einen schwachen Saisonstart, ist nach dem 4:0-Sieg gegen den SC Freiburg aber mittlerweile seit acht Liga-Partien in Serie ohne Niederlage.
Das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass es dem Team gelungen ist, seine Stärken weiter zu verbessern. Im Pressing zählt die Eintracht zu den Besten der Liga, weil sie klug variieren kann. Mal verteidigen sie etwas abwartender und tiefer, mal laufen sie ganz vorne an.
Laut "Opta"-Daten lässt Frankfurt im Schnitt 9,7 Pässe in der Hälfte des Gegners zu, bis eine Defensivaktion erfolgt – ligaweit nur der fünfte Platz. Mit insgesamt 118 hohen Ballgewinnen stehen sie ebenfalls nur auf Platz fünf. Dennoch hat kein Team mehr Abschlüsse aus seinen hohen Ballgewinnen herausspielen können als die SGE (22). Die Pressingeffizienz ist enorm und defensiv steht man durch die variable und disziplinierte Arbeit gegen den Ball oft sehr sicher. In den vergangenen acht Bundesliga-Spielen spielte man viermal zu null, kassierte lediglich fünf Gegentreffer.
Ein weiterer Grund für die gute Verfassung ist, dass man an den Schwächen gearbeitet hat. Frankfurt spielt weiterhin keinen spektakulären Ballbesitzfussball, weiss die Räume im Zentrum mittlerweile aber deutlich besser zu besetzen als in den vergangenen Jahren. Kein anderes Team hat in dieser Saison mehr Expected Goals bei Chancen aus dem Spiel heraus (15,35). Ein Wert, der anhand verschiedener Parameter errechnet, wie viele Tore mit den abgegebenen Abschlüssen wahrscheinlich gewesen wären.
Frankfurt geht versöhnlicher ins Weihnachtsfest, als man das zum Saisonstart vermutlich prognostiziert hätte. Auch wenn es in der Champions League mit erst drei Punkten aus drei Spielen noch nicht rund läuft.
FC Bayern: Müdigkeit, Glückslosigkeit – aber auch Ideenlosigkeit?
Nicht rund läuft es auch beim FC Bayern München. Mit dem 1:1 beim 1. FC Nürnberg geben die Münchnerinnen ihre Tabellenführung an den VfL Wolfsburg ab. Ein Patzer, den man vom FCB nicht mehr gewohnt war. Umso mehr Fragen stellen sich derzeit.
Dass die Top-Teams am Ende dieses vollgepackten Kalenderjahres allesamt Probleme haben, lässt sich überall in Europa beobachten. Die Müdigkeit ist den besten Spielerinnen des Kontinents anzumerken und viele von ihnen sind froh, bald in die Weihnachtspause gehen zu können. Hinzu kommen bei den Bayern einige Ausfälle. Klara Bühl (muskuläre Probleme), Pernille Harder (noch nicht fit genug nach Innenbandverletzung) und seit dem Champions-League-Spiel gegen Ajax auch Magdalena Eriksson (Mittelfussbruch) – das sind nur drei von einigen Spielerinnen, die aktuell fehlen oder nicht in Form sind.
Letzteres ist das grösste Problem für Alexander Straus. Spielerinnen, die dieses Team eigentlich tragen sollten, machen ungewohnt viele Fehler oder wirken schläfrig in der Entscheidungsfindung. Es scheint, als gehe das Team auf dem Zahnfleisch.
Und trotzdem gibt es nach den letzten Auftritten berechtigte Kritik an der Spielweise des Teams. Zu statisch, zu flügellastig, zu abhängig von Standards – die Bayern kommen zwar in die gefährlichen Zwischenräume, von dort aber nur selten zu guten Abschlüssen. Für Straus ist es zweifellos die komplizierteste Phase als Bayern-Trainer.
1. FC Nürnberg: Kein Kanonenfutter mehr
Doch die gefühlte Niederlage des FC Bayern in Form eines Remis hat mehrere Ebenen, die nicht allesamt bei den amtierenden Meisterinnen zu suchen sind. Denn dann kommt zu kurz, wie gut der 1. FC Nürnberg gespielt hat. Defensiv hat der Club die zentralen Räume klug verschlossen und immer wieder schnell verschoben.
Offensiv wurde der FCN im zweiten Durchgang deutlich mutiger. Immer wieder brachte man die Bayern zu Fehlern und verdiente sich so den Punkt, der im Kampf um den Klassenerhalt noch sehr wichtig werden könnte. Wirkten die Nürnbergerinnen zu Beginn der Saison dem Niveau der Bundesliga noch nicht gewachsen, wird ihnen nun zu Recht der Verbleib zugetraut.
Klar ist aber auch, dass man dafür im kommenden Jahr auch gegen die direkte Konkurrenz häufiger punkten muss.
VfL Wolfsburg: Mit Dusel zur Tabellenführung
Eigentlich war die Situation nach dem 1:1 der Bayern in Nürnberg klar: So eine Chance lässt sich der VfL Wolfsburg nicht nehmen. Die Tabellenführung der Münchnerinnen ist weg. Und so kam es letztlich auch. Anders als in anderen Jahren tat sich aber auch der VfL extrem schwer.
So schwer, dass vieles gegen Werder Bremen auf ein 0:0 hindeutete. Bis dann Catalina Perez den entscheidenden Fehler machte. Ein hoher Ball von Dominique Janssen, der länger und länger wurde, segelte der Kolumbianerin ins Tor. In einer Partie, die wenige Höhepunkte hatte, war es bezeichnend, dass ein Tor auf diese Art und Weise fiel.
Wolfsburg beendet damit ein enttäuschendes Jahr doch noch versöhnlich. Aber die Tatsache, dass die Dominanz und spielerische Leichtigkeit des Jahres 2022 nahezu gänzlich verschwunden ist, muss den Wölfinnen ein Denkzettel sein. Auch gegen Werder Bremen war man kurz davor, die Steilvorlage der Bayern nicht zu nutzen.
"Manchmal muss man auch ein bisschen Glück haben", sagte Janssen hinterher bei "DAZN". Das dürfte der VfL allerdings bald ausgereizt haben.
Bundesliga: Was bleibt von diesem Jahr?
Für die Bundesliga hat sich in diesem Jahr mehr Normalität eingestellt. Der Erfolg der Nationalelf bei der Europameisterschaft 2022 hat dazu beigetragen, dass die Liga in der darauffolgenden Saison deutlich häufiger verfolgt wurde.
Von dem Zustrom ist durchaus etwas geblieben. An nahezu allen Standorten sind deutliche Zuwächse in den Zuschauer- und Zuschauerinnenzahlen zu bemerken. Und doch ist jetzt eine Phase der abermaligen Stagnation erreicht worden. Abseits der grossen Stadien bleibt es schwer, mehr Aufmerksamkeit auf den Fussball der Frauen zu lenken und Klischees abzubauen.
Es ist eine Phase erreicht, in der es nicht nur Kreativität benötigt, sondern auch den Willen, die guten Worte des Jahres 2022 in Taten umzusetzen – auf allen Ebenen. Dass der Fussball der Frauen das Potenzial dazu hat, grosse Unterhaltung zu bieten, hat die Hinrunde gezeigt.
Pro Partie fallen im Schnitt 3,15 Tore, die ersten drei Teams liegen nur vier Punkte auseinander und dahinter formt sich ein Block mit sechs weiteren Teams, die sich gegenseitig packende Duelle geliefert haben. Von Spieltag zu Spieltag gab es fast immer überraschende Positionswechsel in der Tabelle. Mit der SGS Essen (5.) hat es ein Team in die obere Hälfte geschafft, das dem Rest der Liga finanziell deutlich unterlegen ist.
Diese Liga hat viele Geschichten zu erzählen. Doch sie müssen auch erzählt werden. Der Erfolg der Bundesliga kann nicht immer nur vom Erfolg der DFB-Frauen abhängig gemacht werden.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.