- Jochen Sauer ist für die Nachwuchsarbeit beim FC Bayern München verantwortlich und an der Ausbildung von Top-Spielern wie Jamal Musiala beteiligt.
- Im Exklusiv-Interview verrät er, wie Jamal Musiala der Durchbruch gelang und welchem Bayern-Talent er dies ebenfalls zutraut.
- Ausserdem gibt Sauer Einblicke, wie viel Geld bereits Jugendspieler beim FC Bayern München verdienen können.
Jochen Sauer ist für die knapp 180 Spieler verantwortlich, die in der Nachwuchsabteilung des FC Bayern München ausgebildet werden. Der 49-Jährige übernahm im Sommer 2017 die Leitung des damals neu geschaffenen FC Bayern Campus.
Junge Top-Spieler wie Jamal Musiala,
Herr Sauer, der 19-jährige Jamal Musiala ist derzeit wohl das Aushängeschild der Nachwuchsarbeit des FC Bayern München. Haben Sie bereits vor einigen Jahren gemerkt, dass er ein Leistungsträger des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft sein könnte?
Jochen Sauer: Wir wussten natürlich, dass er zu den Ausnahmespielern seines Jahrgangs zählt. Aber es lässt sich immer schwer voraussehen, wie weit es jemand später bringen wird. Als ich 2017 hier beim Campus anfing, war er noch beim FC Chelsea. Aber er gehörte bereits damals zu den Spielern, die wir auf dem Zettel hatten.
Zwei Jahre später hatte er sich in Chelsea nicht mehr so wohlgefühlt und mit der Vertragsverlängerung gezögert. Ich glaube, Chelsea hat ihn auch nicht so stark eingeschätzt wie wir. Dann haben wir die Chance genutzt und ihn nach München geholt. Dass er es dann so schnell zu den Profis geschafft hat, liess sich aber nicht vorhersagen.
Er hat natürlich auch das Glück gehabt, dass er in der Phase nach dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 zu den Profis kam, in der die Belastung aufgrund der vielen Spiele sehr hoch war. Dadurch konnte er oben mittrainieren und hat seine Chance genutzt.
Was war sein Erfolgsgeheimnis?
Er hat es geschafft, relativ schnell das fussballerische und körperliche Niveau bei den Profis zu adaptieren. Das ist vermutlich auch ein Teil seines Talentes. Das ist ganz entscheidend. Ein junger Spieler, der die Anforderungen bei den Profis sieht und sich innerhalb von Wochen an das Niveau anpasst, der schafft das. Ich traue das übrigens Gabriel Vidovic genauso zu.
Sauer: "Miro Klose hat Jamal Musiala seine Schwächen aufgezeigt"
Der 18-jährige Offensivspieler wurde ebenfalls bei Ihnen ausgebildet und hatte bereits drei Kurzeinsätze in der Bundesliga…
Genau. Er ist ein Jahr später dran als der gleichaltrige Jamal. Das liegt auch daran, dass er in den vergangenen zwei Jahren noch einmal körperlich einen richtigen Schritt gemacht hat. Früher war er immer der Kleinste und der Schwächste. Jamal war mit seiner Grösse und seiner Schnelligkeit etwas früher dran.
Aber auch Jamal musste eine Entwicklung durchlaufen. Als er zu uns kam und bei der U17 unter Miroslav Klose gespielt hat, hatte Miro ihm zunächst auch seine Schwächen aufgezeigt. Aber Jamal hat sehr intensiv gearbeitet, sodass er sich schnell verbessert hat.
Jugendarbeit beim FC Bayern: Erfolgreicher als ihr Ruf?
Wie findet der FC Bayern München überhaupt die Talente, die in der Jugendabteilung ausgebildet werden und später möglicherweise bei den Profis durchstarten?
Wir haben eine Scouting-Abteilung mit etwas mehr als 30 Leuten, die Talentsichtung betreiben. Wir scouten vorwiegend im Münchner Einzugs-Bereich und veranstalten auch Probetrainings und Talentsichtungen. Ab 13 bis 14 Jahren scouten wir auch deutschlandweit. In diesem Alter können junge Spieler, die eine zu lange Anfahrt zum täglichen Training hätten, bei uns im Internat untergebracht werden. Ab 16 Jahren, wenn innerhalb der EU Spieler transferiert werden dürfen, kommen vereinzelt auch Talente aus dem Ausland hinzu.
Der FC Bayern München betreibt neun Nachwuchs-Mannschaften mit im Schnitt rund 20 Spielern. Wie viele von diesen Talenten können erfahrungsgemäss später vom Fussball leben?
Das lässt sich schwer beantworten, weil das von der Definition 'Profifussballer' abhängt. Oft wird behauptet, dass nur ein oder zwei Prozent der Spieler aus einer Nachwuchsakademie das hinbekommen. Geht es nur darum, wer später in der Bundesliga oder in der Champions League spielt, dürfte dieser Wert ungefähr stimmen.
Wir haben aber selber eine Auswertung dazu vorgenommen, wo unsere Jugendspieler später gelandet sind. Wir haben den Profi so definiert, dass er mindestens 25 Spiele in einer europäischen Profiliga absolviert haben muss, in der durchschnittlich mehr als 100.000 Euro pro Jahr verdient wird. Das haben etwa ein Viertel der von uns ausgebildeten Spieler seit dem Geburtsjahr 1978 geschafft. Das ist kein schlechter Wert.
"Ein entscheidender Faktor ist Geduld"
Woran scheitern talentierte Jugendspieler auf dem Weg zum Profi besonders häufig?
Ein entscheidender Faktor ist Geduld. Manche Spieler werden ungeduldig, wenn sie sehen, dass einige bereits mit 17 Jahren in der Bundesliga debütieren und sie selbst noch nicht die Chance dazu bekommen. Einige zeigen dann ihre Unzufriedenheit, wechseln vorschnell zu einem anderen Verein und verzetteln sich in ihrer Entwicklung.
Es gibt auch Spieler, die fussballerisch sehr stark sind, im Übergang zu den höheren Jahrgängen allerdings feststellen müssen, dass auch die Athletik, die körperliche Durchsetzungsfähigkeit sowie mentale Stärke und Einstellung wichtige Faktoren sind. Daran scheitern auch einige Talente.
Verdienen bereits Jugendspieler beim FC Bayern München Geld?
Bis zur U16 nur ein Taschengeld. Wirksame Arbeitsverträge dürfen erst ab der U16 abgeschlossen werden. Die Jungs verdienen dann vielleicht ein paar hundert Euro im Monat – auf Basis eines 450-Euro-Jobs. Das hängt auch davon ab, wie lange zum Beispiel die Anreise ist und wie viele Kosten auch die Eltern hier haben. Ab der U17 beziehungsweise der U19 gibt es einige hochtalentierte Spieler, die dann schon ein gutes Gehalt verdienen.
Ist es besonders bitter, wenn Jugendspieler, wie im aktuellen Fall zum Beispiel Kenan Yildiz, beim FC Bayern München den Nachwuchs durchlaufen, sich dann allerdings für einen anderen Verein, in diesem Fall Juventus Turin, entscheiden?
Eigentlich nicht. Gerade beim FC Bayern München weiss man, dass selbst von sechs, sieben Ausnahme-Talenten pro Jahrgang es letztlich wohl nur einer oder maximal zwei in die Profimannschaft schaffen. Vielleicht gelingt das sogar nur alle zwei Jahre jemandem. Daher muss man es auch akzeptieren, wenn einige Spieler bei einem anderen Verein grössere Chancen sehen, es zu den Profis zu schaffen.
Kenan war zehn Jahre bei uns. Dass sich die Wege getrennt haben, lag auch an den unterschiedlichen wirtschaftlichen Vorstellungen. Für seinen Weggang bekommen wir eine sehr angemessene internationale Ausbildungsentschädigung im mittleren sechsstelligen Bereich. So wird der wirtschaftliche Aufwand für die Ausbildung gedeckt. Und wenn Kenan später in der Bundesliga oder in der Champions League spielt, sind wir stolz darauf, und es ist dann ein sehr gutes Argument und eine Auszeichnung für unsere Nachwuchsarbeit.
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