Als Trainer räumte Thomas Tuchel bereits sämtliche Titel ab, als Spieler hingegen scheiterte seine Karriere bereits sehr früh. Weggefährten erinnern sich, wie Tuchel als Spieler tickte und warum er damals aneckte.
Als Trainer hat
Als Spieler hingegen blieb dem heute 49-Jährigen der grosse Durchbruch verwehrt. Vor 25 Jahren musste Tuchel seine aktive Karriere beenden – im Alter von nur 24 Jahren. Acht Spiele in der 2. Bundesliga und 68 Partien in der Regionalliga hatte er bis dahin bestritten.
"Ich war kein einfacher Spieler"
"Ich war bestimmt für einen Trainer kein einfacher Spieler. Ich habe viel hinterfragt und war manchmal etwas zu mündig und habe mich mit einem sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn auch für andere eingesetzt, obwohl das gar nicht meine Baustelle war", sagte Tuchel einmal in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau".
Tuchel begann bei seinem Heimatverein TSV Krumbach mit dem Fussball und wechselte dann im Alter von 15 Jahren in die Nachwuchsabteilung des FC Augsburg. Er war durchaus talentiert. Der Abwehrspieler absolvierte sogar drei Länderspiele für die deutsche U18-Nationalmannschaft, gewann zudem mit der A-Jugend des FC Augsburg zweimal hintereinander den DFB-Vereinspokal. Die Belohnung liess nicht lange auf sich warten. Im Sommer 1992 wechselte Tuchel zu den Stuttgarter Kickers, die damals von der Bundesliga in die 2. Bundesliga abgestiegen waren.
Tuchel war ein eleganter Spieler, hatte aber Probleme im Zweikampfverhalten
Alois Schwartz, der heute Trainer beim FC Hansa Rostock ist, war zu jener Zeit der Kapitän der Mannschaft. In dem Buch "Der Regelbrecher: Thomas Tuchel – die Biographie" erinnert sich Schwartz an den damals 19-jährigen Mitspieler. Tuchel sei zwar ein eleganter Akteur gewesen, der mit seinen langen Beinen immer wieder mit raumgreifenden Schritten durchs Mittelfeld gelaufen sei. Aber: "Was er gar nicht konnte, war das Zweikampfverhalten. Er war halt Libero, da hat man damals in der Ausbildung auf dieser Position nicht so viel Wert auf Zweikämpfe gelegt."
Für Tuchel kam erschwerend hinzu, dass die Mannschaft einen katastrophalen Saisonstart hinlegte. Mit Trainer Rolf Schafstall, der die Mannschaft nach zehn Spieltagen übernahm, hatte der Jungprofi seine Probleme, wie Schwartz berichtet: "Thomas war schon damals ein Mensch, der immer seine Meinung vertreten hat, er ist damit auch auf dem Trainingsplatz bei Schafstall angeeckt, das war aussergewöhnlich für einen 19-Jährigen, der vorher nichts erlebt hat."
In der kompletten Saison kam Tuchel achtmal zum Einsatz und wurde immer mehr in die Rolle des Reservisten gedrängt. Vielfach stand er nicht einmal im Kader. Zwischen dem 19. und dem 46. Spieltag ist er lediglich ein einziges Mal eingewechselt worden. Während sein damaliger Mitspieler Fredi Bobic seine Treffsicherheit unter Beweis stellte und sich für höhere Aufgaben empfahl, befand sich Tuchel karrieretechnisch in der Sackgasse.
Beim SSV Ulm wurde Tuchel zum Stammspieler
Nach zwei enttäuschenden Jahren stiegen die Stuttgarter Kicker in die Regionalliga ab. Tuchel wechselte daraufhin zum SSV Ulm, der ebenfalls in der Regionalliga aktiv gewesen ist. Oliver Wölki, der in Ulm ein Mitspieler und Freund von Tuchel gewesen ist, erinnert sich: "Er strahlte eine starke Präsenz aus, als er die Kabine betrat, das war wegen seiner Körpergrösse so, aber auch wegen seines klaren Blicks, mit dem er einen beim Händedruck anschaute."
Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit gelang es Tuchel, sich als Stammspieler zu etablieren. Zu Beginn des Jahres 1997 bekam Ulm einen neuen Trainer. Der damals noch relativ unbekannte Ralf Rangnick übernahm den SSV und brachte eine neue Spielkultur in den Verein. Allzu lange konnte Tuchel davon allerdings nicht profitieren.
Nach dem Karriereende arbeitete Tuchel im Cafe und beim Bäcker
In der Saison darauf zog sich Tuchel nach zwei Spieltagen eine Verletzung am Mittelfuss zu. Diese schien auf den ersten Blick nicht schwerwiegend zu sein, zog sich aber über Monate hin, ehe eine noch schlimmere Diagnose ans Tageslicht kam. Tuchel erlitt einen Knorpelschaden unter der Kniescheibe in Kombination mit einer chronisch vernarbten Patellasehne. Dies sollte das Ende seiner Karriere sein.
Erschwerend kam hinzu, dass er von der Berufsgenossenschaft kein Geld bekam, weil diese sein Leiden als Verschleiss einordneten – und nicht als Arbeitsunfall. "Für alles war ich versichert, nur für diesen einen miesen Fall nicht", erzählte Tuchel, der sich daraufhin mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt. Er kellnerte in einem Cafe in Ulm und sortierte Brötchen bei einem Bäcker, ehe er seine neue Berufung fand.
"Ich war anfangs gar nicht auf dem Trichter, Trainer zu werden. Erst einmal musste ich damit fertig werden, dass ein Lebenstraum zu Ende gegangen war, zumal meine Ulmer Mannschaft dann ja auch in fast identischer Aufstellung bis in die erste Liga aufgestiegen ist", erzählte Tuchel.
"Schliesslich hat Ralf Rangnick mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, im Nachwuchsbereich Trainer zu werden. Dann habe ich begonnen, meine Trainerscheine zu basteln. B-Lizenz mit Notenschnitt 1,1, A-Lizenz 1,4, Fussballlehrer 1,4, ich war ein schöner Streber."
Dies war der Beginn seiner Trainerkarriere, die um ein Vielfaches erfolgreicher werden sollte als seine Spielerkarriere.
Verwendete Quellen:
- fr.de: "Ich war kein einfacher Spieler"
- Der Regelbrecher: Thomas Tuchel - die Biographie (Tobias Schächter, Daniel Meuren, Ullstein Buchverlage)
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