Vier Monate vor der Frauen-EM hofft Caro Simon weiter auf ihr DFB-Comeback. Die Bayern-Spielerin spricht im Interview auch über Martina Voss-Tecklenburg, ihre schwierige Zeit bei Olympique Lyon – und die historische Chance aufs Triple.
Der März ist ein Schicksalsmonat für die Frauen des FC Bayern. Die deutschen Meisterinnen von 2024 stehen vor Schlüsselduellen in der Liga (VfL Wolfsburg), im Pokal (TSG Hoffenheim) und in der Champions League (Olympique Lyon). Drei Wettbewerbe, drei grosse Chancen, aber auch drei Gelegenheiten, in denen eine Saison in wenigen Wochen kippen kann.

"Man muss nur mit dem Finger schnippen und es kann alles vorbei sein," warnt Caro Simon im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Linksverteidigerin ist eine der wichtigsten Stützen im Team von Trainer Alexander Straus.
Dabei war Simons Weg nicht immer einfach. Im Interview spricht die 32-Jährige über ihre Hoffnungen auf eine Rückkehr ins DFB-Team, ihre Beziehung zur ehemaligen Bundestrainerin
Frau Simon, auf Ihrem Steckbrief auf der Bayern-Website steht, dass Sie sich nach schlechten Spielen mit Harry Potter abreagieren können. Wie kam es dazu?
Caro Simon: Abreagieren ist der falsche Ausdruck, aber ich bin Harry-Potter-Fan, seit ich klein bin. Als ich in der dritten Klasse war, habe ich auch eine Buchvorstellung darüber gemacht. Es hat mich sofort in den Bann gezogen und seitdem auch nie wieder losgelassen. Wenn ich mich heute damit beriesle, kann ich komplett herunterfahren und abschalten. Es ist egal, ob ich es höre, lese oder die Filme schaue. Ich liebe einfach diese Welt, es entspannt mich unheimlich. Ich lasse die Filme auch nebenbei laufen, wenn ich zum Beispiel Dinge im Haushalt erledige.
Vier Monate vor der Frauen-EM 2025 hat sich Wück noch nicht bei Simon gemeldet
In vier Monaten steht die Europameisterschaft in der Schweiz an. Seit dem vergangenen Herbst ist
Ich habe ihn schon mehrmals bei unseren Spielen auf der Tribüne gesehen, einen persönlichen Austausch hatten wir bisher aber noch nicht.
Wurmt Sie das nicht ein bisschen? Sie sind Stammspielerin beim FC Bayern. Machen Sie sich noch Hoffnungen auf die EM im Sommer?
Es ist nicht ganz leicht für mich, da bin ich ganz ehrlich. Bei all dem, was gut lief die letzten Jahre, hatte ich gleichzeitig viel Pech. 2023 habe ich mich erst zurückgekämpft und dann habe ich auf den letzten Metern durch den Kreuzbandriss die WM verpasst. Ich habe mich in der Nachspielzeit des letzten Testspiels verletzt, drei Tage vor der Abreise zur WM.

Den Kreuzbandriss haben Sie sich damals in der sechsten Minute der Nachspielzeit zugezogen. Das war im Juni 2023 beim letzten DFB-Testspiel vor der WM in Australien und Neuseeland. Sie haben sich dann zurückgekämpft und im DFB-Pokalfinale der Folgesaison im Mai 2024 Ihr Comeback gegeben. Wie geht es Ihnen heute?
Ein bisschen Anlaufzeit muss man sich auch geben, nach so einer langen Verletzung. Ich fühle mich wieder sehr gut, sowohl mental als auch körperlich. Deswegen bin ich aktuell super zufrieden. Es läuft sportlich bei Bayern sehr gut und ich glaube, dass ich ein wichtiger Teil der Mannschaft bin und meine Leistung in Ordnung ist.
Die Zeit wäre also reif für Ihr Comeback im Nationalteam.
Das ist für mich schwierig einzuordnen. Ich habe natürlich noch Hoffnung, wenn ich bei Bayern weiter gute Leistungen bringe, dass ich dann womöglich noch meine Chance bekomme und mich zeigen kann.
Caro Simon über Martina Voss-Tecklenburg: "War nicht leicht für sie"
Die WM 2023 endete für Deutschland mit dem Aus in der Vorrunde. Haben Sie seitdem mit der damaligen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gesprochen?
Ja, ich habe während meiner Verletzung öfter mit ihr geschrieben und auch telefoniert. Was mich sehr gefreut hat, weil sie tatsächlich sehr aufmerksam war, sehr interessiert. Jeder, der auch mal eine lange Verletzung durchmacht, weiss, wie es ist, wenn man plötzlich ein bisschen von der Bildfläche verschwindet. Dementsprechend ist es schön, wenn gewisse Leute sich trotzdem noch melden und Interesse an einem haben, auch wenn man vielleicht gerade nicht auf dem Platz steht.
Voss-Tecklenburg litt nach der WM an einer psychischen Erschöpfung, im November 2023 wurde ihr DFB-Vertrag aufgelöst. Haben Sie auch darüber gesprochen?
Ja, sie hat sich nach mir erkundigt, ich habe mich nach ihr erkundigt. Ich glaube, dass es in der Zeit nicht leicht für sie war. In solchen Zeiten ist es besonders wichtig, ausserhalb des Fussballs die richtigen Leute um sich zu haben.
Die Bayern-Frauen sind aktuell noch in allen drei Wettbewerben vertreten. Diesen Monat gibt es besondere Heimspiele: Das Bundesliga-Topspiel gegen Wolfsburg, das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Hoffenheim, das Champions-League-Viertelfinale gegen Olympique Lyon. Warum spielt Ihre Mannschaft nicht mindestens einmal in der Allianz Arena?
Der FC Bayern Campus ist unsere Spielstätte, hier fühlen wir uns zuhause. Und gerade bei Champions League-Spielen oder auch im DFB-Pokal jetzt gegen Frankfurt haben wir es immer wieder erlebt, wie super die Stimmung ist, wie toll uns die Fans hier antreiben. Das ist wie ein Hexenkessel.
Caro Simon über ihr Jahr bei Olympique Lyon: "War nicht in meiner optimalen mentalen Verfassung"
Im Hexenkessel gastiert diesen Monat auch Olympique Lyon, ein Spitzenverein, für den Sie selber von 2018 bis 2019 gespielt haben. Was ging Ihnen bei der Viertelfinal-Auslosung durch den Kopf?
Es war während der Zeit in Lyon nicht leicht für mich, denn es war meine erste Auslandserfahrung. Ich hatte keinen optimalen Start, war auch nicht in meiner optimalen mentalen Verfassung. Ich habe den Schritt ins Ausland alleine gewagt – in ein Land, in dem ich die Sprache nicht gut konnte und man mit Englisch nicht immer durchkommt. Das hat damals irgendwie nicht funktioniert. Es war dennoch eine insgesamt lehrreiche Erfahrung. Ich bin sehr froh, dass damals der Wechsel zu Bayern geklappt hat. Von daher freue ich mich jetzt umso mehr auf die Spiele. Champions League gegen Lyon, was gibt es Besseres?
Lyon gilt neben Barcelona als bestes Frauenteam der Welt. Wie schätzen Sie Ihre Ex-Kolleginnen ein und wie stehen Ihre Chancen?
Eine der wichtigsten Stützen ist Wendie Renard. Aber wo soll man da anfangen und wo aufhören? Es sind überragende Spielerinnen, von denen viele seit Jahren im Verein sind, die seit Jahren auf allerhöchstem Niveau spielen. Dennoch: Wenn wir unsere Leistungen auf den Platz bringen, wird es für jede Mannschaft schwer, uns zu schlagen. Die Champions League mit Bayern München zu gewinnen, das ist der absolute Traum, das wäre einfach das Allergrösste. Wir haben in drei Wettbewerben eine sehr gute Ausgangssituation. Aber man muss nur mit dem Finger schnippen und es kann alles vorbei sein.
"Es war absoluter Horror."
Wie im DFB-Pokal, wo Sie beinahe zuhause gegen Eintracht Frankfurt ausgeschieden sind. In der 79. Minute gingen die Gäste nach einer Flanke von Laura Freigang an den langen Pfosten ausgerechnet durch ein Eigentor von Ihnen in Führung. Was haben Sie in dem Moment gedacht?
Es war absoluter Horror, sage ich ganz ehrlich. In dieser Situation konnte ich überhaupt nicht reagieren. Dann dachte ich nur, "ich darf nicht schuld sein, wenn wir jetzt hier verlieren". In den Minuten danach habe ich versucht, mich aufs Spiel zu konzentrieren. Das hat auch ganz gut geklappt. Trotzdem war die ganze Zeit in meinem Kopf, "Bitte machen wir noch ein Tor". Mir ist ein Riesenstein vom Herzen gefallen, als wir dann den Ausgleich gemacht haben. Ich konnte mich nach dem Spiel erst gar nicht so richtig freuen, weil ich emotional so ausgelaugt war. Als ich dann nach Hause gefahren bin, dachte ich, "Was war das bitte für ein Abend?". Das war nochmal eine komplett neue Erfahrung für mich.
Inwiefern?
Es war tatsächlich mein allererstes Eigentor. Ich habe danach mit den Mädels darüber gesprochen. Die waren alle total überrascht, denn ich spiele ja schon ein paar Jahre und bin Verteidigerin. Dass ich mein allererstes Eigentor dann erst mit 32 mache, das ist natürlich ungewöhnlich.
Bevor das Pokalspiel gegen Frankfurt in die Verlängerung ging, hat der Stadion-Kommentator am Campus laut verkündet, dass Wolfsburg ausgeschieden ist. Haben Sie das in dem Moment überhaupt wahrgenommen?
Das habe ich nicht gehört, nein. Wenn du selber gerade in so einem engen Spiel bist, denkst du nicht über so etwas nach. Da geht es nur darum, dass du selber performst.
Wolfsburg hat seit 2015 jedes Jahr den DFB-Pokal gewonnen, nun sind sie ausgeschieden. Ist das für Sie noch einmal ein extra Anreiz, den Titel zu holen?
Nein, das ist kein Anreiz. Das wäre ein Riesenfehler, wenn wir uns dadurch mehr ausrechnen würden. Ich habe grossen Respekt vor Wolfsburg und was die Pokalserie von ihnen angeht. Aber wie gesagt, wir konzentrieren uns auf uns. Im Pokal kommt das nächste schwierige Spiel gegen Hoffenheim. Und im Pokal kann einfach alles passieren. Wir müssen konzentriert bleiben und das nächste Spiel gewinnen, erst dann geht es ins Finale.
"Ich glaube absolut an meine Mannschaft und zähle uns zu 100 Prozent zur europäischen Elite dazu."
Wo sehen Sie die Bayern-Frauen im Vergleich zu internationalen Topklubs wie Barcelona, Chelsea und Lyon?
Natürlich gibt es Mannschaften wie Barcelona oder jetzt auch Chelsea, die finanziell mit Rekord-Transfers gerade total zuschlagen. Es geht aber gar nicht darum, ob Bayern das könnte oder nicht. Bayern München hat als Verein eine gewisse Philosophie, der man treu bleiben möchte. Deswegen gehen wir unseren eigenen Weg, den ich definitiv gut finde. Wir haben eine brutale Qualität im Kader. Ich glaube absolut an meine Mannschaft und zähle uns zu 100 Prozent zur europäischen Elite dazu. Auch wenn wir jetzt vielleicht noch keine internationalen Titel vorweisen können und der ein oder andere da draussen uns das nicht zutraut.
Wie sehen Sie generell die Attraktivität der deutschen Liga? Sie haben den FC Chelsea angesprochen, dessen Frauen im Winter eine Verteidigerin für eine Million Euro verpflichtet haben. Glauben Sie, dass andere Ligen der Bundesliga enteilen?
Ich glaube schon, dass die englische Liga mit ihren namhaften Klubs sehr attraktiv ist. Aber, dass es im deutschen Frauenfussball nur Wolfsburg und Bayern gäbe, was ja früher oft gesagt wurde, ist definitiv nicht mehr der Fall. Das sieht man dieses Jahr an Frankfurt und Leverkusen. Ich zähle auch Hoffenheim dazu. Ich glaube trotzdem, dass das Finanzielle eine Rolle spielt und dass man da in Deutschland in der Breite einen Schritt nach vorne gehen muss. Es geht keinesfalls um Millionenverträge, aber Spielerinnen der ersten Liga sollten zunächst mal von Fussball als ihrem Beruf leben können. Die deutsche Liga hat noch sehr viel Potenzial und darf nicht den Anschluss an England verlieren.
Verwendete Quellen:
- Video-Interview unserer Redaktion mit Carolin Simon
- Vereinsseite des FC Bayern: Steckbrief zu Caro Simon