Der FC Bayern muss wieder lernen Geduld zu haben, damit Grosses entstehen kann. So lange der generelle Trend positiv ist, gehören einzelne Rückschläge wie gegen Barcelona einfach dazu.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
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Nach der klaren 1:4-Niederlage gegen den FC Barcelona in der Champions League wurde es in den letzten Tagen erstmals in der Ära Kompany ein wenig ruckelig in München. TV-Experten wie Michael Ballack oder Marcel Reif äusserten erstmals deutliche Kritik an Kompanys Spielweise oder seinem Auftreten in Pressekonferenzen. Und ein ungewohnt emotionaler Ausbruch von Max Eberl ("Mach 'nen Trainerschein, dann kannst du es besser machen") gegenüber dem Sky-Journalisten Florian Plettenberg offenbarte auch bei den FCB-Verantwortlichen eine gewisse Gereiztheit nach nun zwei bitteren Pleiten in der Königsklasse und zu vielen Gegentoren nach schnellen Gegenstössen. Der souveräne Sieg gegen Bochum in der Liga am Sonntag verhinderte wohl eine grössere mediale Diskussion.

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Dabei hielten Ruhe und Gelassenheit beim FC Bayern ohnehin bis jetzt erstaunlich lange. Der Trainer wurde trotz einiger nicht optimaler Ergebnisse in den Spitzenspielen nicht infrage gestellt. Eberl scheint sich als neuer Sportvorstand freigeschwommen zu haben. Es gibt verhältnismässig wenig Diskussionen über Spieler, die aktuell viel auf der Bank sitzen. Selbst die aufkeimende Diskussion um den Vertrag von Vorstandschef Dreesen scheint abmoderiert. Friede, Freude, Eierkuchen bis Ende Oktober? Wann gab es das zuletzt?

Klar ist jedoch auch: Jeder Rückschlag, jede Niederlage wird ein erneuter Test für das in den vergangenen Jahren arg dünne Nervenkostüm in München. Dabei hat der FC Bayern gerade nach den ermüdenden Diskussionen um Thomas Tuchel, Oliver Kahn, Hasan Salihamidzic und selbst Julian Nagelsmann viele gute Argumente, dieses Mal ruhig zu bleiben und der sportlichen Leitung langfristig den Rücken zu stärken.

FC Bayern im Pokal gefordert: "Grosses Ziel, nach Berlin zu kommen"

Für den FC Bayern ist es das klare Ziel, nach den vielen Ausrutschern in den letzten Jahren, wieder ein Pokal-Finale in Berlin zu erreichen. Für Trainer Vincent Kompany zählt am Mittwoch in der zweiten Runde des DFB-Pokals beim FSV Mainz 05 nur ein Sieg, auch wenn das Spiel am "Gipfel des Himalayas stattfinden würde".

Die Transfers funktionieren

Die Münchner entschieden sich im Sommer und der ersten Transferperiode in der Verantwortung von Max Eberl gegen den ganz grossen Umbruch – wohl auch notgedrungen, da einige erwünschte Abgänge ausblieben. Schon jetzt zeigt sich jedoch, dass die Personalentscheidungen funktioniert haben. Während Ito und Stanisic verletzungsbedingt bisher kein Faktor waren, überzeugte vor allem Michael Olise, dessen kostspieliger Transfer mit einigen Fragezeichen begleitet wurde. Olise bewegt sich in der Bundesliga mit sieben Torbeteiligungen in sieben Startelfeinsätzen auf einem Niveau, das an die Torquoten von Arjen Robben und Franck Ribéry erinnert. Er ist mit seinen Dribblings und dem starken Schuss ein Unterschiedspieler. Mit Joao Palhinha kam ein weiterer gestandener Mittelfeldspieler, der Bayern variabler macht. Zwar fehlen nach wie vor ein echter Abwehrchef und ein Weltklasse-Aussenverteidiger, doch insgesamt ist Bayerns Kader so stark und breit wie lange nicht mehr.

Kompany macht Spieler besser

Auch die Bilanz von Vincent Kompany ist weiter positiv. Das Spiel gegen Barcelona war der erste ganz grosse Rückschlag, weil Bayern zwar zu hoch, aber insgesamt doch sehr verdient verlor. Gegen Aston Villa (0:1), Frankfurt (3:3) und Leverkusen (1:1), bei denen die Münchner ebenfalls Punkte liegen liessen, war Bayern eigentlich die bessere Mannschaft.

Wichtig ist auch, dass sich Spieler unter Kompany sichtbar individuell weiterentwickeln. Pavlovic reift zum erstklassigen Sechser. Musiala ist nochmal einen Tick stärker als im Vorjahr. Gnabry hat wieder Tritt gefasst. Die Innenverteidigung spielt nicht fehlerfrei, aber insgesamt doch stabiler als im Vorjahr. Auch Alphonso Davies, der in der Vorsaison ein Sorgenkind war, kommt wieder besser in Fahrt.

Natürlich muss sich Kompany und auch die Mannschaft Kritik gefallen lassen, dass zu viele Gegentore aus Umschaltsituationen und langen Bällen hinter die weit aufgerückte Abwehr entstehen. Die bohrenden Fragen der Journalistinnen und Journalisten sind dazu völlig berechtigt und Kompany wird genau daran arbeiten müssen, ohne seine grundsätzliche Spielphilosophie deshalb über Bord zu werfen.

Kompany ist ein sehr junger Trainer, der noch wenig Erfahrung darin hat, von der Trainerposition heraus Einfluss auf Spiele auf allerhöchstem Niveau zu nehmen. Gegen Barcelona folgte zum Beispiel keine echte Reaktion darauf, dass Bayern in der zweiten Halbzeit nicht mehr wirklich zu Torchancen kam. Natürlich kann Kompany hier noch an Format dazugewinnen. Das wusste man aber, als man ihn verpflichtet hat. Er muss dann auch Zeit bekommen, nicht nur die Mannschaft, sondern auch sich selbst weiterzuentwickeln.

Die Mannschaft tritt als Einheit auf

Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es bei einem so breiten Kader bisher kein grösseres Aufmucken oder Misstöne gab. Leroy Sané, Eric Dier, Leon Goretzka, Konrad Laimer – alles gestandene Spieler, die bisher sehr unterdurchschnittlich zum Einsatz kommen und von der Startelf in wichtigen Spielen ein gutes Stück entfernt sind. Kompany ist es bisher gelungen, die Mannschaft durch kluge Rotationen bei Laune zu halten und lebt selbst sehr uneitel vor, was es heisst, sich in den Dienst der Sache zu stellen. Der Mannschaftserfolg und immer wieder der Fokus auf das nächste Spiel stehen für ihn über allem. Das verkörpert er authentisch – auch indem er einzelne Personalentscheidungen nicht breit öffentlich in den Medien diskutiert und so anheizt. Diese Strategie geht bisher auf.

Der Trend in München unter Vincent Kompany ist also trotz der Klatsche in Barcelona weiter positiv. Es ist leicht, ruhig zu bleiben und den Coach zu loben, wenn alles läuft. Entscheidend sind die Reaktionen bei Rückschlägen, die auf dem Weg zu den ehrgeizigen Zielen der Münchner mit Sicherheit kommen werden. Die teilweise chaotischen Jahre 2021-2024 sollten den Verantwortlichen eine Lehre sein. Der FC Bayern darf nicht wieder so schnell nervös werden, sondern den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen.

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