• Der FC Bayern startet am Freitag gegen RB Leipzig ins Jahr 2023.
  • Nach vielen Verletzungen und einigen Veränderungen im Kader gibt es eine Reihe von offenen Fragen beim Tabellenführer.
  • Wie schlägt sich Torwart Sommer? Wohin mit Müller? Und kriegt Trainer Nagelsmann die Konterabsicherung in den Griff?
  • Acht grosse Fragen vor dem Start der Rückrunde.
Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ein lockerer Aufgalopp ins Fussball-Jahr 2023 ist dem FC Bayern nicht gerade vergönnt. Am Freitag steht mit der Partie gegen RB Leipzig direkt ein Spitzenspiel vor der Tür, das massgeblichen Einfluss auf das Meisterschaftsrennen in der Fussball-Bundesliga haben wird.

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Mit einem Sieg würde der FC Bayern den Vorsprung auf die Leipziger von Coach Marco Rose direkt auf neun Punkte erhöhen. Bei einer Niederlage wären es nur noch drei Punkte Abstand. "Hauptkonkurrent", nannte Nagelsmann die Leipziger in der Pressekonferenz vor dem Spiel. Da hat er trotz der starken Auftritte des SC Freiburg in der Hinrunde sicher recht.

Erst spät lief der Rekordmeister in der Hinrunde zur absoluten Bestform auf. Das ist lange her. Der einzige Formtest in der Vorbereitung gegen RB Salzburg (4:4) ging eher schief. Zudem ist auch am Tag vor dem Leipzig-Spiel noch nicht ganz klar, wer zum Anpfiff im Tor stehen wird. Es sind ungewöhnlich viele offene Fragen, die sich vor dem Restart der Bundesliga-Saison beim Rekordmeister stellen:

1. Kann Neuzugang Sommer Kapitän Neuer ersetzen?

Die schwere Verletzung von Manuel Neuer kurz vor Weihnachten war ein Schock, auf den die Bayern reagieren mussten. Mit aller Konsequenz trieben die Münchner Verantwortlichen ihren Plan voran, noch in diesem Winter einen hochwertigen Ersatz an die Isar zu holen. Mit Yann Sommer kommt keine Verlegenheitslösung, sondern ein international anerkannter Klassemann. Auch wenn es teuer wird und sich spätestens dann, wenn Neuer wieder fit wird, einige unangenehme Fragen stellen, war das der richtige Weg.

Die Bayern gingen für Sommer ein hohes Risiko. Hätte der Transfer nicht geklappt, wären die Münchner mit Sven Ulreich als Nummer eins in die neue Saison gestartet. Ein geschätzter Backup, aber keine 1a-Lösung, wie nach dem öffentlichen Werben um Alternativen jeder mitbekommen haben dürfte.

Nun also Sommer, der in Sachen Reaktionsschnelligkeit, Ausstrahlung und in eins gegen eins Situationen über jeden Zweifel erhaben ist. Schwächen bei Fernschüssen und etwas weniger Reichweite in der Strafraumbeherrschung sind insgesamt zu verkraften. Niemand muss mit Blick auf das Champions League-Achtelfinale gegen Paris Saint-Germain schlecht schlafen. Zumindest nicht wegen der Torwartsituation.

Sommer ist trotzdem ein etwas anderer Torwarttypus als Manuel Neuer. Daran muss sich die ohnehin nicht immer sattelfeste Hintermannschaft des FC Bayern erst gewöhnen. Trotzdem hat der FC Bayern seine Ausgangssituation für die Rückrunde durch den Transfer deutlich verbessert.

2. Wohin mit Thomas Müller?

Insgesamt ist die Diskussion, um einen möglichen Bankplatz für Thomas Müller etwas übertrieben. Der FC Bayern hat genug Spiele, um all seinen Offensivspielern genügend Spielzeit zu geben. Die Zeiten von "Müller spielt immer" sind ohnehin lange vorbei.

Trotzdem muss Nagelsmann sich genau überlegen, ob Müller - wie angedeutet - tatsächlich auch als Mittelstürmer eine Option sein soll. Müller sei "auf mehreren Positionen Weltklasse", sagte Julian Nagelsmann vor der Partie gegen Leipzig. Das stimmt so nicht uneingeschränkt. Müller fremdelt häufig mit der Rolle als echter Neuner. Zwar sorgt er auch dort mit klugen Laufwegen für Unruhe, doch echte Torgefahr geht hier von ihm zu selten aus. Das war bei der WM so, das war auch beim Test gegen Salzburg in der Vorwoche so. Es fehlen Automatismen. Es fehlt Durchschlagskraft.

Meint Nagelsmann es ernst mit Müller als Alternative auf der Neun, muss er dieser Variante zum Beginn der Rückrunde Zeit zum Einspielen geben. Sonst sollte er dies für die wichtigen Spiele ad acta legen und voll auf Eric Maxim Choupo-Moting setzen.

3. Kriegt Nagelsmann die Konterabsicherung in den Griff?

Es ist seit Jahren ein Dauerthema in München. Die Anfälligkeit nach Ballverlusten und schnellen gegnerischen Vorstössen durch das Mittelfeld. Es ist immer ein ganz schwieriges Balancespiel für die Bayern. Sie müssen - inklusive der Aussenverteidiger - weit vorrücken, um möglichst viele Spieler vor den Ball zu bekommen.

Sie müssen Risiko im Gegenpressing gehen, um gegen häufig tiefstehende Abwehrreihen Torchancen zu kreieren. Und sie müssen nach Ballverlusten oder umspieltem eigenen Pressing klug und präzise verteidigen, um dem Gegner seinerseits keine einfachen Läufe aufs eigene Tor zu ermöglichen.

Perfekt auszutarieren ist das nie. Irgendwo fehlt immer mal ein Schritt oder das richtige Kommando. Trotzdem muss der FC Bayern daran arbeiten, hochkarätige Torchancen durch zu hohes Risiko und falsche Positionierungen zu minimieren. In Phasen der Hinrunde klappte das deutlich besser als in den Jahren davor. Nur 13 Gegentore in der Liga sind in Ordnung und ein Fortschritt.

Trotzdem bleibt es ein Muster im Bayern-Spiel, das nach viel Aufmerksamkeit verlangt. Vor allem Joshua Kimmich ist hier in der Rückrunde als Organisator und Kommunikator im Zentrum gefragt.

Im Interview: Lukas Klostermann zu Leipzigs Chancen gegen den FC Bayern

4. Kann Jamal Musiala sein Weltklasse-Niveau halten?

Musialas Entwicklung im Jahr 2022 war selbst von seinen grössten Unterstützern so nicht abzusehen. Er machte nicht den nächsten Schritt in seiner Entwicklung, sondern drei Schritte auf einmal. Musiala gehört jetzt mit 19 Jahren zu den besten U23-Spielern der Welt. Vielleicht ist er sogar der Beste. 15 Torbeteiligungen in der Bundesliga, konstant über vier Torschussbeteiligungen pro Partie - in dieser Form ist es undenkbar, ihn in wichtigen Spielen draussen zu lassen.

Die grosse Frage ist nun, ob Musiala dieses hohe Leistungsniveau fortsetzen kann. Die Gegner werden sich in allen Wettbewerben auf ihn einstellen. Das war schon bei der WM zu sehen, als er häufig im Dribbling gedoppelt oder sogar von drei Verteidigern attackiert wurde. Musiala ist nun Woche für Woche der Fokus in den Defensivkonzepten der Gegner. Es ist der nächste grosse Test in seiner Entwicklung.

5. Kann Daley Blind mehr sein als eine Absicherung gegen Verletzungen?

Es war ein Überraschungstransfer kurz nach dem Jahreswechsel. Mit Daley Blind kam ein international sehr erfahrener Defensivallrounder aus Amsterdam nach München, der den Kader vor allem in der Breite verstärkt. Blind kann auf mehreren Defensivpositionen spielen. Insbesondere auf der Linksverteidigerposition ist er eine wichtige Absicherung für Alphonso Davies. Auch in der Innenverteidigung kommt er infrage.

Fussballerisch kann Blind sofort in München Fuss fassen. In Sachen Schnelligkeit und Robustheit haben andere deutliche Vorteile. Blinds Zeit kommt vermutlich erst etwas später im Verlauf der Rückrunde, wenn Nagelsmann stärker an die Belastungssteuerung denken muss. Zumindest in den wichtigen Spielen, wie am Freitag gegen Leipzig, wird sich Blind erstmal hinten anstellen.

6. Wird Upamecano jetzt endgültig Abwehrchef?

Der Trend war schon im Herbst sehr positiv. Bei der Weltmeisterschaft in Katar machte Dayot Upamecano dann mit sehr geradlinigen und souveränen Leistungen für Frankreich erst recht jedem klar, warum der FC Bayern bereit war, über 40 Millionen Euro für den Defensivmann nach Leipzig zu überweisen.

Upamecano bringt alles mit, um Spiele aus der Defensive heraus zu dominieren. So wie das in der Vergangenheit zum Beispiel Jerome Boateng in seinen besten Phasen gelang. In München hat "Upa" das noch nicht konstant gezeigt. Nach der schweren Verletzung von Lucas Hernández stellt sich die Münchner Defensive fast von alleine auf. Upamecano ist gesetzt und es spricht sehr vieles dafür, dass er im zweiten Jahr endgültig zum Abwehrchef beim FC Bayern wird.

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7. Wer wird Bayerns Elfmeterschütze?

Es mag wie eine völlige Randnotiz klingen, aber mit Robert Lewandowski hat der FC Bayern im Sommer auch den besten Elfmeterschützen der Vereinsgeschichte verloren. Allein in der Bundesliga traf Lewandowski für den FC Bayern 35 Mal vom Punkt. Bei nur drei Fehlversuchen. In der Vorsaison traf er wettbewerbsübergreifend acht Mal. Sechs Mal war es der dabei der wichtige Führungstreffer.

Der FC Bayern bekommt durch seine hohe Präsenz im gegnerischen Strafraum verhältnismässig viele Strafstösse zugesprochen. Einen überzeugenden, festen Schützen scheint es aktuell noch nicht zu geben. In der Hinrunde verschossen Sadio Mané und Eric Maxim Choupo-Moting zwei der drei Elfmeter. Mané traf zudem einmal. Choupo-Moting hat 2016 zum letzten Mal einen Strafstoss verwandelt. Das ist über sechs Jahre her.

Mané zählte beim FC Liverpool in der Vergangenheit auch nicht zu den regelmässigen Schützen. Kimmich, Müller und Gnabry könnten weitere Kandidaten beim FC Bayern sein. In einem Sport, bei dem es auf viele Kleinigkeiten ankommt, sollte diese Frage nicht unterschätzt werden. Bayern braucht einen sicheren Elfmeterschützen.

8. Schafft Nagelsmann seinen ersten grossen Champions-League-Moment als Bayern-Trainer?

Seit 2018 hat Julian Nagelsmann in jedem Jahr eine Mannschaft in der Champions League trainiert. Mit Leipzig schaffte er es 2020 sogar bis ins Halbfinale. Durch die Vorrunde der laufenden Saison marschierten die Münchner mit sechs Siegen ohne Probleme. Doch das unnötige Ausscheiden gegen Villareal im Vorjahr schwebt über der Zeit von Nagelsmann in München.

Im Achtelfinale wartet mit Paris Saint-Germain gleich eine der schwersten Aufgaben. Geht das schief, werden auch die Fragezeichen über Nagelsmanns Eignung als Bayern-Trainer grösser werden; so unfair das auch sein mag.

Nagelsmanns ist immer noch erst 35 Jahre alt. Seine Trainerkarriere ist bis hier eine der aussergewöhnlichsten in der deutschen Fussballgeschichte. Grosse Trainer werden jedoch vor allem in der Champions League geformt. Zumal beim FC Bayern München. Nagelsmann kann mit einem Sieg gegen Paris auch die letzten Kritiker alt aussehen lassen. Auch er steht vor einem wichtigen Jahr 2023.

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