Leroy Sané und Serge Gnabry sind beim FC Bayern seit Wochen ausser Form. Gegen Paris sitzen beide heute wohl zunächst auf der Bank. Trotzdem ist das Rückspiel gegen PSG die Chance für eine Wende.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
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Es gibt derzeit eine seltene Einigkeit in der deutschen Fussballexpertenszene. Lothar Matthäus, Stefan Effenberg, Didi Hamann, Marcel Reif und sogar Mario Basler - alle hauten in den vergangenen Tagen verbal mit teilweise drastischen Worten auf Serge Gnabry und Leroy Sané ein. "So muss Nagelsmann gar nicht nachdenken. Die haben sich nicht angeboten", sagte Matthäus bei Sky nach dem Sieg der Bayern gegen Stuttgart zur Frage, ob die beiden deutschen Nationalspieler im Achtelfinalrückspiel der Champions League gegen Paris eine Option von Anfang an sein könnten.

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Mario Basler ging sogar noch weiter. Bei Sport1 sagte der Ex-Münchner: "Gnabry ist für mich mit Sané eine der grössten Enttäuschungen bei Bayern. Ich würde sie beide aus dem Kader streichen. Komplett. Ich würde ein klares Zeichen am Mittwoch setzen, die kannst du nicht gebrauchen."

Nun ist es nicht ganz ohne eine gewisse Ironie, wenn ausgerechnet Mario Basler, der in seiner Karriere mit Sicherheit nicht für seine Laufstärke bekannt war, die Lauf- und Einsatzbereitschaft von Sané und Gnabry kritisiert, trotzdem haben natürlich alle Kritiker einen Punkt. Beide Offensivstars laufen seit einigen Wochen ihrer Form hinterher. Sané war seit der Winterpause an zwei Pflichtspieltoren beteiligt - genau wie Gnabry. Das ist im Anbetracht von zehn Pflichtspielen im Jahr 2023 natürlich viel zu wenig - vor allem wenn man sich anschaut, wie gross der Bruch im Vergleich zu den Leistungen der Hinrunde ist.

Torquote bricht nach der Winterpause ein

Sané hatte im September und Oktober seine vielleicht beste Phase im Bayern-Trikot. Er war in den wichtigen Spielen in der Champions League oder in der Liga gegen Borussia Dortmund auf der rechten Offensivseite gesetzt. Acht Torbeteiligungen in sieben Spielen sammelte Sané in dieser Phase und hatte grossen Anteil daran, dass der FC Bayern zum Ende der Hinrunde richtig Fahrt aufnahm. Dabei fiel Beobachtern auch auf, wie intensiv er auch gegen den Ball arbeitete und immer wieder Balleroberungen verbuchte.

Auch Gnabry meldete sich nach schwächerem Beginn im Oktober zurück. Drei Assists in der Champions League gegen Barcelona und drei Tore gegen Werder Bremen waren zwei unübersehbare Ausrufezeichen. Doch seit der völlig verkorksten WM läuft nicht mehr viel zusammen. Während man dem 20-jährigen Jamal Musiala ein Leistungsloch nach der schwierigen WM wohl ohne weiteres verziehen hätte, ist er längst wieder im Rhythmus. Die deutlich erfahreneren Gnabry und Sané (beide 27) jedoch nicht.

Sogar über einen baldigen Abschied der beiden gut bezahlten Stars wurde bereits öffentlich spekuliert. Dazu kommen Störgeräusche abseits des Platzes. Sei es wegen angeblich wiederholter Verspätungen von Leroy Sané oder einem umstrittenen Kurztrip von Serge Gnabry zur Pariser Fashion Week. Beide Bayern-Stars tun sich zudem keinen Gefallen damit, dass sie ihre derzeitige Situation nicht wirklich erklären.

Während Thomas Müller, der in dieser Saison auch schon Schwächephasen überstehen musste, nach jedem Spiel ausführlich analysiert und die eigene Situation einordnet, bleibt vor allem Sané vielen Beobachtern ein Rätsel. Ein wenig mehr Transparenz - auch zur Einordnung der eigenen Situation würde helfen die Wucht der Kritik abzufedern.

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Sané muss konstanter werden

Denn nicht immer ist diese Kritik fair. Vor allem, wenn gerade bei Sané mal wieder die fehlende oder falsche Körpersprache kritisiert wird oder Nebensächlichkeiten wie Gnabrys wechselnde Frisuren.

Die Wahrheit ist, dass Sané wahrscheinlich nie derjenige sein wird, der lautstark Mitspieler oder Gegner anschreit und mit Blutgrätschen an der Mittellinie ein Statement für das Stadion setzt. Das hat er allerdings auch nicht gemacht als es bei ihm wie im Herbst richtig gut lief. Sané ist dann stark, wenn er viel eingebunden ist oder besser sich viel einbinden lässt. Er ist stark, wenn er Bälle fordert, sich nach Fehlpässen nicht zurückzieht oder mit einer neutralen Raumbesetzung zufrieden ist, sondern seine Qualitäten wieder und wieder einbringt und präzise zu Ende bringt.

Er hat nicht die Explosivität eines Kingsley Coman oder die Wendigkeit eines Jamal Musiala. Aber er ist enorm kreativ, er kann extrem enge Räume auflösen, er hat einen guten Abschluss, ein gutes Dribbling und kann zumindest im Gegenpressing auch Bälle erobern. Das ist mehr als genug, um beim FC Bayern trotz grosser Konkurrenz eine wichtige Rolle zu spielen.

Das gilt auch für Gnabry, der sich allerdings deutlich stärker über Tore und Torvorlagen identifiziert. Sein Abschluss im Strafraum ist für einen Spieler, der eigentlich eher über den Flügel kommt herausragend. Seine wichtigste Aufgabe ist auch in Phasen, in denen er - wie aktuell - nicht selbst trifft, wertvoll für den FC Bayern zu sein. Hier hat Gnabry Nachholbedarf. Nagelsmann hat immer wieder unterstrichen, dass er nach wie vor bereit ist, beiden weiter Chancen und Rückendeckung zu geben.

Das Rückspiel gegen Paris Saint-Germain, bei dem für den gesamten Club wahnsinnig viel auf dem Spiel steht, ist so auch eine Chance. Es spricht sehr viel dafür, dass Nagelsmann nach den Eindrücken der Vorwochen gegen PSG mit Coman, Musiala und Müller hinter Choupo-Moting beginnt.

Doch zu erwarten ist ein enges Spiel, das zahlreiche Wechsel und Anpassungen notwendig macht. Dann werden auch Sané und Gnabry wieder ihre Chance bekommen. Dann müssen sie da sein. Das Rückspiel gegen Mbappé, Messi und Co. ist so die grösste denkbare Bühne, um es allen Kritikern zu zeigen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Verwendete Quellen:

  • Sky Sport: Nach Matthäus-Kritik: So stark haben Sane und Gnabry abgebaut
  • Sport1: Basler faltet Bayern-Stars zusammen
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